Hamburg. Thomas Hengelbrock dirigierte Haydns “Schöpfung“. Die augenzwinkernden Bezüge zur Entstehung des Konzerthauses lagen auf der Hand.
Ob’s Fügung ist? Gleich zwei Orchester haben für die ersten Tage nach der Eröffnung der Elbphilharmonie Werke ausgewählt, die sich auf die biblische Schöpfungsgeschichte beziehen: Jörg Widmanns taufrische „Arche“, spektakulär uraufgeführt von Kent Nagano und dem Philharmonischen Staatsorchester – und nun haben Thomas Hengelbrock und das NDR Elbphilharmonie Orchester Haydns „Schöpfung“ folgen lassen, eins der populärsten Oratorien überhaupt.
Zufall oder nicht, die augenzwinkernden Bezüge zur Entstehungsgeschichte des Konzerthauses liegen auf der Hand, nicht nur, was den kreativen Prozess betrifft, sondern etwa auch das Chaos, das Gott zu Beginn vorfindet. Dieses Chaos dient Haydn als (rein instrumentale) Ouvertüre. Er fasst es in harmonisch derart grimmig gegeneinander laufende Harmonien, dass ein unbefangener Hörer kaum sagen könnte, welchem Jahrhundert sie entstammen.
Kein gefälliges Rokoko, sondern sprechende Musik
Hengelbrock nun machte ab der überlangen ersten Fermate klar, was das Publikum an diesem Abend erwartete: kein gefälliges Rokoko, sondern eine sprechende Musik. Dramatisch, ohne sich in bambihaften Tierbildern zu verlieren. Hinter den berühmten musikalischen Porträts etwa der sirrenden Insekten oder der Walfische, wie sie durch die tiefen Gewässer der Bratschen, Celli und Kontrabässe pflügten, schien immer wieder das Staunen des gläubigen Menschen auf.
Hengelbrock nahm sich die Zeit, es auszuleuchten, dieses Staunen. Zauberhaft, wie der Tenor Maximilian Schmitt als Erzengel Uriel das Wörtchen „Liebe“ in das allerzärtlichste Zögern kleidete. Zum Niederknien die Stimmen, lebendig und ausdrucksstark die Gestaltung der Sopranistinnen Christina Landshamer und Anna-Lucia Richter und des Baritons Johannes Kammler. Der Bass John Relyea lieferte als Erzengel Raphael die notwendige Schwärze. Und der glänzend disponierte NDR Chor ließ sich keinen Stimmungs- und Szenenwechsel entgehen.
Wie singt der Chor am Ende des zweiten Teils? „Vollendet ist das große Werk.“ Welch ein Glück.