Hamburg. Die weltberühmte Pianistin Mitsuko Uchida kämpfte zu Beginn mit Mozart und gewann zum versöhnlichen Schluss mit Widmann.
Hätte Mitsuko Uchida an diesem Abend einen Frack getragen, man hätte ihn - verständlicherweise - bestens sausen hören können: Der erste klassische, also unverstärkte Klavierabend im Großen Saal der Elbphilharmonie, die Steinway-Flügel für das neue Konzerthaus hatte sie in den vergangenen Monaten eigenhändig ausgesucht; links vom Instrument waren erstmals knapp 100 blitzschnell verkaufte Zusatzplätze auf dem Podium aufgebaut, als ob die Zuhörer nicht ohnehin schon sehr nah dran wären an jeder Note, jeder Artikulationsidee. In einem Raum, der die Nerven zwar mit diskretem Schummerlicht beruhigte, aber dennoch erkennen ließ, wie allein und im Fokus der Aufmerksamkeit man auf dieser Bühne sein kann.
Dann ausgerechnet mit Mozarts C-Dur-Sonate KV 545, der nur angeblich kinderleichten, mit Anlauf kopfüber und unbeschwert johlend vom Zehner in die Musik zu springen, war offenbar mehr, als selbst eine Mozart-Kennerin wie Mitsuko Uchida an einem derartigen Ausnahme-Abend bewältigen kann. Sie schwächelte, womöglich auch von zaghaft freundlichen Applaus-Versuchen aus dem Konzept gebracht, setzte kurz zum Andante-Mittelsatz an, überlegte es sich anders, brach ab, tastete sich zurück ins Stück.
Ein eigentlich harmloses Stückchen Mozart
Das harmlose Stückchen Mozart erwies sich tatsächlich als stärker, als lähmend übermächtig fast schon. Nicht nur, weil Uchida sich selbst nicht traute, sondern auch, weil sie ausgerechnet bei dieser Operation am offenen Herzen noch nicht sicher schien, wie sie in dem randvollen Auditorium mit jenem Flügel umgehen sollte, den sie selbst für dort erkoren hatte. Er klang in Block E zunächst noch uneindeutig, farbarm, unscharf und unpassend groß atmend für die feine Wiener Klassik in diesem Raum. Erfreulicherweise gab sich dieser Eindruck, sobald sich das Repertoire änderte und romantischer wurde, sehniger und markanter.
Wie sehr und wie dezent dieser Saal seine Besucher schon jetzt, nach nur wenigen Tagen, zum Umdenken, Neuentdecken und Mitverstehen erzieht, erwies sich im weiteren Verlauf, denn mit jedem Programmpunkt wurde die Konzentration immer deutlicher wahrnehmbar. Die Stille nach dem Ende war eine der schönsten und gespanntesten, die dieser Raum bislang erlebt hat. Es werden hoffentlich noch viele folgen. Und dass eine Uraufführung - in diesem Frühstadium des Konzerthauses - begeisterteren Applaus bei einem Recital erhielt als eine Mozart-Sonate: Auch das hätte in Hamburg so schnell niemand zu erwarten gewagt.
Uchida versöhnte mit Widmann
Jörg Widmanns „Sonatina facile“ machte im Kleinen weiter, wo wenige Tage zuvor sein Oratorium „Arche“ weit ausgeholt hatte. Er spielte virtuos-verspielt mit Andeutungen aus der Klavierliteratur und garnierte sie nett mit Verfremdungseffektchen. Danach schien das Eis gebrochen, Uchida war nun ganz bei sich und in der Musik, nachdem sie vor der Pause bei Schumanns „Kreisleriana“ die Kontraste, Abgründe und Charakterwidersprüche dieses Fantasiestücks mal mehr, mal weniger konsequent durchdrungen hatte. Die Langfassung der Schumannschen Gefühlseruptionen in dessen C-Dur-Fantasie, mit denen Uchida packend, zupackend und bezwingend rang, versöhnte für die verständlichen Probleme der ersten Minuten.