Hamburg. Am 1. April 1927 öffnete der Feinkostladen Lehmitz. Jetzt endet eine Ära. Ganz freiwillig kam das Aus aber offenbar nicht.
Die Lehmitz Weinstuben an der Faberstraße waren eine Institution, eine echte Einrichtung in Eimsbüttel – jedenfalls gehörte das Traditionslokal über Jahrzehnte wie selbstverständlich zum Stadtbild dazu. 95 Jahre hielt der Familienbetrieb die Stellung in Hamburg und galt für eine weite Spanne dieser Zeit als Garant für gutes Essen und ebenso guten Wein.
Schon der von Weinreben umrankte Eingang mit der schweren Holztür und dem historischen, schmiedeeisernen Schild versprach neben uriger Gemütlichkeit Gaumenfreuden der rustikalen Klasse – und so war es dann auch wohl. Vor allem mit dem Neuenburger Käsefondue, vorzugsweise zu genießen in den riesigen, mit behaglichen Bänken ausstaffierten Eichenweinfässern, hatten es die Weinstuben zur Legende gebracht.
Lehmitz Weinstuben: Nach 95 Jahren macht der Chef das Licht aus
Jedoch: Diese Institution hat jetzt das Zeitliche gesegnet. Wer mit Bernd Lehmitz, der das Restaurant 2016 von seiner Mutter Ursula übernommen hatte, sprechen möchte, landet bei einer telefonischen Bandansage, auf der man den Chef mit seiner unverkennbar rauchigen Stimme knurren hört: „Wir haben dauerhaft geschlossen, die Familie Lehmitz grüßt aus dem wohlverdienten Ruhestand. Auf wiederhören.“
Bernd Lehmitz hat sein gesamtes berufliches Leben dem Familienbetrieb gewidmet, 45 Jahre lang. Zuletzt machte die Gentrifizierung auch vor dem mit massiven Tischen und Stühlen (alles Eiche, etwa 70 Jahre alt) eingerichteten Eimsbütteler Traditionsbetrieb nicht mehr halt, wie Gastrokritiker und Weinpapst Gerd Rindchen beobachtete. Im Abendblatt beschrieb er das Lokal 2019 als „Treff für die reifere Jugend aus der Nachbarschaft“ – neuerdings aber mit Hipster-Faktor:
Weinpapst Rindchen: „Lehmitz darf sich als ältester Hipster der Stadt fühlen“
„Trendige junge Bartträger treffen sich hier mit schönen Frauen, und Patron Bernd Lehmitz (…) darf sich mit seinen nun auch schon bald 60 Lenzen, leger gewandet und von der Jugend umschwärmt, als ältester Hipster der Stadt fühlen. Vor allem aber: als Bereiter großartiger Steaks“, so Rindchen. Aber auch der muss sich irgendwann zur Ruhe setzen. „Jetzt ist die Zeit, mit 62 Jahren, eine Veränderung zuzulassen. Daher beende ich diese wunderbare Geschichte der Lehmitz Weinstuben mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, so der Chef.
Heute vor exakt 96 Jahren, am 1. April 1927, eröffnete sein Vater Ernst an der Wandsbeker Chaussee den Feinkostladen Lehmitz. Ein paar Jahre später zog er nach Eimsbüttel. Zu den selbst hergestellten Likören, die in der gesamten Stadt verkauft wurden, gesellten sich fürderhin leckere Weine, zunächst aus deutschen Landen.
Auf Expansionskurs vergrößerte sich Lehmitz dann in den 1950er-Jahren und eröffnete auf einem zugekauften Nachbargrundstück das Restaurant. Nach seinem Tod im Jahr 1987 übernahm das Ruder seine deutlich jüngere Frau Ursula, einst seine Angestellte. Ihr Weinsortiment hatten die Lehmitz Weinstuben über all die Jahre liebevoll gepflegt und ausgebaut, unter anderem mit handverlesenen Weinen aus Südafrika.
Zum Schluss teilt Bernd Lehmitz noch gegen die Finanzbehörde aus
Auf der noch immer aktiven Homepage des Restaurants lassen sich die Gründe für das Aus des Familienbetriebs zumindest erahnen. „45 Jahre in der Gastronomie ist ein Geschenk, aber auch intensiv. Der Verschleiß hat Spuren hinterlassen, die ich nun kurieren kann“, heißt es dort. Aber dem Wunsch nach mehr Muße allein hat das Lehmitz seine Schließung offenbar nicht zu verdanken.
Weiter ist zu lesen: „Zudem hat mich auch das Verhalten der Hamburger Finanzbehörde zu diesem Schritt bewogen, die nicht gerade zimperlich mit so einem kleinen Hamburger Unternehmen umgegangen ist.“
Dieser kleine, aber feine Tempel des Wein- und Käsegenusses ist nun also Geschichte. Bernd Lehmitz hat das Licht ausgemacht und verabschiedet sich auf seiner Website von seinen Gästen mit den Worten. „Ich möchte mich bei Euch für die vielen, schönen Momente und Erinnerungen in den Lehmitz Weinstuben ganz herzlich bedanken.“