Hamburg. Große Aufregung in der kleinen Sedanstraße: Die Grünen in Eimsbüttel wollen sie umtaufen, Nachbarn starten Petition. Ihre Gründe.

Sie wollen keinen neuen Straßennamen. Daher haben einige Anwohner und Anwohnerinnen aus der Sedanstraße in Rotherbaum eine Petition gegen die Umbenennung gestartet, die von einer Initiative angeregt wurde und von den Grünen und den Linken im Bezirk Eimsbüttel forciert wird. Nachdem ein entsprechender Antrag Ende Februar von der Bezirksversammlung vertagt wurde, kommt das Thema am 11. April wieder auf die Tagesordnung.

„JA zur Sedanstraße“ nennt sich die Petition, die seit dem 30. März online ist. „Wir Anwohner wurden zwar vor zwei Jahren von den Initiativen, die eine Umbenennung der Sedanstraße fordern, zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Der Antrag der Grünen im Februar erfolgte aber ohne unser Wissen“, sagt eine Anwohnerin und Mitinitiatorin – die aber, wie ihre Nachbarn, „keinen Ärger“ und darum anonym bleiben will.

Grindel in Hambug: Anwohner halten Umbenennung für „willkürliche Aktion“

Erst Anfang März seien die Anwohner zu einer weiteren Veranstaltung eingeladen worden, auf der sie ihre Bedenken erneut vorgebracht hätten. Weil dort aber nur ein begrenzter Personenkreis erreicht werden konnte, wolle man nun durch die Petition mehr Aufmerksamtkeit erlangen und zeigen, „dass eine Umbenennung nicht in aller Interesse ist“.

Den Plan, die Sedanstraße umzubenennen, halten die Nachbarn für eine „willkürliche Aktion“. „Die Initiativen können nicht darlegen, wen der Name überhaupt stört und ob den Hamburgern bekannt ist, wer oder was ,Sedan‘ eigentlich bedeutet“, heiß es von den Anwohnern. Eine repräsentative Umfrage hierzu habe es ihres Wissens nicht gegeben, und sie selber seien auch nicht gefragt worden.

Sedanstraße: Laut Anwohnern sprechen etliche Gründe gegen Umbenennung

Aus ihrer Sicht sprächen auch weitere Gründe gegen eine Umbenennung. So könne die Initiative ihrer Meinung nach nicht belegen, dass die Straße ihren Namen seinerzeit zu Ehren des preußischen Sieges über Frankreich bei Sedan 1870/71 erhielt. Die Umbenennung der Louisenstraße in Sedanstraße sei erst im Oktober 1899 und damit eine Generation später erfolgt.

„Ein Großteil der Hamburger dürfte gar nicht mehr wissen, was ,Sedan‘ eigentlich bedeutet – und sich daher auch nicht an dem Namen stören“, so die Gegner der Umbenennung. Die „Cancel-Culture“, historische Namen und Anlässe auszulöschen, sei „kein guter Trend“. Stattdessen sollte „Sedan“ für die Völkerverständigung und die deutsch-französische Freundschaft stehen.

Bezirk Eimsbüttel: SPD-Abgeordneter Schütt zieht Parallelen zu Roman „1984“

Das findet auch die SPD im Bezirk Eimsbüttel, die – ebenso wie CDU – eine Umbenennung der Sedanstraße ablehnt. Ernst Christian Schütt, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, fühlt sich von dem Trend, Straßen – wie etwa die Hindenburgstraße in Winterhude – umzubenennen, an den Roman „1984“ erinnert. „Da gab es auch ein Wahrheitsministerium, das die Geschichte jeweils so umgeschrieben hat, wie es gerade passt.“

Man dürfe aber Geschichte nicht einfach löschen, sondern müsse aus ihr lernen, findet der Schriftsteller und Soziologe. „Unter dem Straßenschild sollte es einen kontextualisierenden Hinweis geben, der auch auf die jahrzehntealte deutsch-französische Freundschaft eingeht. Und warum nicht mal die gute Nachbarschaft der beiden Völker im vereinten Europa mit einem Straßenfest würdigen?“

Historikerin: „Von Auslöschen der Geschichte kann keine Rede sein“

Historikerin Johanna Meyer-Lenz, Mitglied der Initiative „Sedanstraße umbenennen“, lässt diese Sichtweise nicht gelten. „Von einem ,Auslöschen‘ der Geschichte‘ kann nicht die Rede sein. Hier handelt es sich um eine Verwechslung von Kategorien, wie sie in Umbenennungsdebatten sehr beliebt und gebräuchlich sind. Vergangene Ereignisse an sich sind von ihren Deutungen in geschichtspolitischer Absicht zu unterscheiden.“

Historische Ereignisse und Geschehnisse der Vergangenheit ließen sich nicht ungeschehen machen. Die von Militarismus geprägten Deutungszusammenhänge, die 1899 mit der Vergabe des Namens Sedanstraße zum Ausdruck kamen, könne man aber identifizieren und neu bewerten. Statt einen einordnenden Hinweis unter dem Straßenschild anzubringen sei es „mutig und verantwortungsvoll, durch eine Umbenennung die Werte der Demokratie und der friedlichen Verständigung hervorzuheben“.

Hamburg-Rotherbaum: Namensgeber hat keinen Bezug zur Sedanstraße

Nun kritisieren die Anwohner aber nicht nur die geplante Umbenennung, sondern auch den Namen, den „ihre“ Sedanstraße erhalten soll. Nach längerer Abwägung (bei Straßenumbenennungen sollen nämlich eigentlich Frauennamen vergeben werden) folgen Grüne und Linke dem Vorschlag der Initiative, die Straße nach dem Gründer und langjährigen Vorsitzenden der Bundesvereinigung „Opfer der NS-Militärjustiz“, Ludwig Baumann, zu benennen.

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Baumann (1921 bis 2018), der im Zweiten Weltkrieg desertiert war, setzte sich später für die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure und die Errichtung eines „Gedenkorts für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz“ am Dammtor ein.

Sedanstraße im Grindel: Anwohner hätten durch Umbenennung Aufwand

Die Gegner der Umbenennung monieren, dass Baumann keinen Bezug zur Sedanstraße habe, sondern lediglich in der Nähe – in einem Geburtstshaus an der Bundesstraße – zur Welt gekommen sei. „Wenn er geehrt werden soll, so kann jede beliebige Straße nach ihm benannt werden.“

Zudem, geben die Anwohner zu bedenken, hätten sie durch eine Umbenennung der Sedanstraße Aufwand und Kosten für die Adressänderung, etwa in Ausweisen oder Reisepässen.