Hamburg. Das Herz ist krank – sagt die Niere. Wie Dr. Matthias Janneck solche Zusammenhänge aufspürt und teils erstaunliche Fälle löst.

Krankenhausserien sind faszinierend. Hier menschelt es so richtig, Patient, das weiß der Zuschauer, kann jeder werden, umso befriedigender, dem Wunder der Medizin mit sicherem Abstand zugucken zu können. Eine Serie, die zu den besonders guten zählt, ist Dr. House – ein eigenwilliger Spezialist für Diagnostik, der acht Staffeln lang komplizierten und seltenen Krankheitsfällen auf der Spur war.

Der Hamburger Arzt Dr. Matthias Janneck würde sich selbst zwar nie mit der Hauptfigur einer amerikanischen Fernsehserie vergleichen, doch ein paar Parallelen gibt es bei seiner Arbeit am Albertinen Krankenhaus in Schnelsen doch.

Krankenhaus Hamburg: Niere zeigt, wenn im Körper etwas nicht stimmt

„Ja, gelegentlich ist meine Arbeit ein bisschen so“, sagt der Facharzt. Natürlich habe eine Fernsehsendung relativ wenig mit der Realität zu tun, und in seinem Alltag gebe es sehr viele Routinen, es gehe häufig um Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes. „Aber ich habe den kleinen Luxus, gelegentlich Zeit zu haben, mir schwierige und spannende Fälle ein bisschen länger angucken zu können“, sagt Dr. Janneck. „Das ist so ein kleines ,Hobby’ von mir, zu versuchen, seltenere Diagnosen herauszubekommen.“

Damit sei er natürlich nicht alleine, bei ihm im Haus gebe es viele Kolleginnen und Kollegen, die die gleichen Ziele verfolgten. Das Spezialgebiet des 53-Jährigen ist dafür jedoch prädestiniert – denn wenn hier etwas nicht stimmt, lassen sich oft Rückschlüsse auf andere Krankheiten schließen.

Albertinen Krankenhaus – das ist die Arbeit eines Nephrologen

Dr. Matthias Janneck ist Nephrologe, er behandelt Nierenerkrankungen. Und dieses Organ ist deshalb so interessant, weil es an so vielen Prozessen im Körper beteiligt ist.

„Die Nieren sind ein zentrales Organ des Körpers, auch wenn wir deren Funktionen im Alltag fast nicht bemerken, außer vielleicht, wenn wir zur Toilette müssen“, sagt Dr. Janneck. „Sie steuern eine Vielzahl von Stoffwechselprozessen, sind für den Blutdruck verantwortlich, für die Blutsalze und den Säure-Basen-Haushalt. Und es ist so, dass sich verschiedenste Erkrankungen, die die Niere in ihrer Funktion stören, klinisch eben dort bemerkbar machen.“

Bluthochdruck und Autoimmunerkrankungen zeigen sich auch an der Niere

Das seien klassische Erkrankungen wie Bluthochdruck, aber auch seltenere wie eine Herzklappen-Entzündung oder der große Bereich der Autoimmunerkrankungen und der Rheumatologie. „Diese Erkrankungen finden wir auch sehr häufig an der Niere, und über die Funktionsstörung oder auch eine Probenentnahme aus der Niere können wir die entsprechende Diagnose stellen.“

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Das heißt: An der Niere lässt sich oftmals erkennen, dass es woanders ein Problem gibt. Sie ist quasi ein Seismograf für viele Bereiche des Körpers. Zum Beispiel für das Herz. Denn was das Herz krank macht – zum Beispiel Bluthochdruck, zu viel Fett, genetisch Belastungen – schadet auch der Niere.

Krankheiten: Die Niere ist oft nur das Opfer, nicht der Täter

„Wenn das Herz nicht gut funktioniert und zum Beispiel der Blutdruck abfällt, dann wird die Niere nicht gut genug durchblutet, und es kommt zu einer Nierenfunktionsstörung“, erklärt der Experte, der als Sektionsleiter Nephrologie dem Albertinen Herz- und Gefäßzentrum angegliedert ist. „Dann wird der Nephrologe gerufen, dabei wäre es besser, den Kardiologen zu rufen. Denn die Niere ist in so einem Fall das Opfer, gar nicht der Täter – weil das Herz das Problem ist.“

All diese Zusammenhänge aufzudecken, gehört zu den Aufgaben des gebürtigen Lübeckers, der in Hamburg Medizin studiert hat. Im Krankenhaus werden bei einer Blutuntersuchung routinemäßig auch die Nierenwerte abgenommen. Sind diese auffällig, geht Dr. Janneck dem nach.

Erkrankungen der Niere frühzeitig zu erkennen, ist schwierig

Nierenerkrankungen frühzeitig zu erkennen, zum Beispiel im Rahmen der normalen Vorsorge beim Hausarzt, sei jedoch schwierig. „Nieren tun ja leider nicht weh, außer bei einer Nierenbeckenentzündung oder bei Nierensteinen“, sagt Dr. Janneck, der ganz bewusst „leider“ sagt, weil es natürlich wünschenswert wäre, früher auf Krankheiten aufmerksam zu werden.

Der gängigste Nierenwert, der Kreatininwert, ist dafür auch nur ein mittelmäßiger Indikator, da dieser in der Regel erst deutlich ansteige, wenn schon ungefähr 50 Prozent der Nieren kaputt seien. Ist hier aber etwas auffällig, rät der Experte dringend dazu, dem nachgehen zu lassen. Ein weiteres Anzeichen, dass mit der Niere etwas nicht stimmt, könne Eiweiß oder Blut im Urin sein. Auch diese Befunde sollten deshalb möglichst einmal abgeklärt werden.

Bluthochdruck und entgleiste Blutsalze – die Ursache war überraschend

Im Krankenhaus sind die Patienten von Dr. Janneck über sämtliche Stationen verteilt. Die Diagnosen reichen von eher simplen Ursachen wie Probleme mit der Blasenentleerung oder dem bereits angesprochenen niedrigen Blutdruck über Allergien oder Medikamentenunverträglichkeiten bis zu selteneren Erkrankungen, die zum Beispiel Herz und Niere, Leber und Niere oder den ganzen Menschen betreffen können.

Da kommt der Nephrologe dann eben auch mal zu diesen Fällen à la Dr. House. Wie zum Beispiel bei diesem Patienten, der seit Monaten schweren Bluthochdruck und entgleiste Blutsalze hat, wofür niemand eine Ursache finden konnte. Dr. Janneck und seine Kollegen sind dem nachgegangen – und fanden heraus: Der Patient hat einfach zu viel Lakritz gegessen.

Gefährlicher Cocktail: Viele Patienten nehmen zu viele verschiedene Medikamente

Bei einem anderen Fall gab es einen Patienten, der unter einer ganzen Reihe von Symptomen wie Gelenkschmerzen, hohen Entzündungswerten und Gewichtsabnahme litt. Über eine Biopsie der Niere konnte der Nephrologe herausbekommen, dass der Mann eine extrem seltene Infektionskrankheit hatte, die sich Morbus Whipple nennt.

Einen sehr großen Teil seiner Arbeit nimmt zudem das Nachspüren eines immer häufiger vorkommenden Problems ein: Dass immer mehr Patienten viel zu viele unterschiedliche Medikamente einnehmen, die zusammen einen gefährlichen Cocktail bilden.

Hamburger Arzt: Nebenwirkungen machen sich in der Niere bemerkbar

„Es komme Patienten, die 15 unterschiedliche Medikamente einnehmen, die ihnen vom Hausarzt und vier verschiedenen Fachärzten verschrieben worden sind, und die sie sich zusätzlich noch auf eigene Faust besorgen“, sagt Dr. Janneck. „Es ist wirklich schwierig, das auseinanderzudröseln und die ganzen Nebenwirkungen im Blick zu behalten.“

Schließlich könne niemand genau sagen, was passiert, wenn man zehn Medikamente gleichzeitig einnimmt. Hier kann es wieder die Niere sein, an der sich typische Nebenwirkungen bemerkbar machten.

Krankenhaus Hamburg: Nach 20 Jahren am UKE Wechsel ans Albertinen

Dass man als Nephrologe mit all diesen Zusammenhängen zu tun hat und sich – ausgehend von einem Organ – den ganzen Menschen anguckt, hat Dr. Janneck schon früh fasziniert. Während seines Studiums am UKE habe er an einem Kurs teilgenommen, den sein ehemaliger Chef auf freiwilliger Basis abends außerhalb des Lehrplans angeboten hatte, und in dem sich die Studierenden spannende Patientenfälle angeguckt haben. Die Niere spielte dabei immer wieder eine Rolle.

„Ein bisschen“, sagt Dr. Janneck schmunzelnd, „könnte man das als Dr.-House-Kursus bezeichnen.“

Nach insgesamt 20 „sehr glücklichen“ Jahren am UKE habe das Albertinen Krankenhaus bei ihm angeklopft. Und da ein Universitätsklinikum erstens „kein Ort zum Altwerden“ sei und das gemeinnützige Albertinen „einen exzellenten Ruf“ habe, habe er sofort ja gesagt. Und dort mittlerweile auch einen Nephrologie-Kursus ins Leben gerufen. Für die kommenden Spezialisten für Diagnostik.