Hamburg. Ein syrisch-deutsches Paar hat eine verstaubte Anlage in Niendorf in ein Ausflugsjuwel verwandelt. Der Weg dahin war nicht einfach.

Puh, wieder eine ihrer sogenannten „Spionagefahrten“ nach Feierabend stand vor gut vier Jahren an. Ein langer Arbeitstag in der Modebranche steckte Johanna Jungnik bereits in den Knochen, im Nacken aber saß ihr Wael Maho Zada: Ihr Lebensgefährte hatte wie viele Hamburger diesen einen Wunsch nach einem eigenen Betrieb, der so stark war, dass sie sich mit ihm alles anschaute, womit man sich in Hamburg selbstständig machen könnte: Dönerläden, Hochzeitsausstatter, Hähnchengrill, Eckcafé und Maschinenbaubetrieb.

„Und als wir dann hier standen, die Sonne durch die Bäume schien, da wussten wir: Das ist es“, sagt Jungnik, die seither Pächterin der Minigolfanlage im Burgunderweg 23 in Niendorf ist.

Restaurant Hamburg: Waldcafé mit Minigolf – und orientalischen Spezialitäten

Und seit das syrisch-deutsche Pärchen hier übernommen hat, ist einiges passiert: Das Flachdachgebäude mit Café und Ausflugslokal am Waldrand des Naturschutzgebietes Tarpenbek ist nun in ruhigem Grau gestrichen (das Jägergrün musste weichen), weiße Sprossenfenster zieren die Fassade, eine Wimpelkette weht und im Garten stehen Holzmöbel – ade Plastikstühle.

Weg kamen auch hohe Hecken, die die Terrasse von dem Bereich mit den Minigolfbahnen optisch trennte, hinzu kam stattdessen eine Kinderspielecke mit vielen Rutschautos und einem Kinderhaus. „Unsere Mini-Glück-Anlage“, nennt die 34-Jährige ihr Waldcafé „Saha“, was im Arabischen so viel wie „Prost“ oder „Gesundheit“ bedeutet. Sie schickt ihr offenes Lachen hinterher.

Waldcafé in Niendorf: Mezze-Gerichte gibt es für je 7 Euro

Ihre Fröhlichkeit gehört mittlerweile zu der noch als Geheimtipp zu wertenden Ecke der Stadt ebenso wie die syrischen Gerichte, orientalische Mazza oder Mezze – was mit „Vorspeisen“ übersetzt werden kann – die ihr Wael hier nach den Rezepten seiner Mutter kocht: Babaganoush (gegrillte Aubergine als Püree), Sambosa (Filoteig gefüllt mit Kartoffel und Zwiebel), Tabouleh (Petersiliensalat) oder Tschick (gekneteter Bulgur). Jedes Gericht wird für 7 Euro angeboten.

Jungnik ist für die Kuchenauswahl zuständig, täglich backt sie zweimal. Dauerbrenner – ganz unorientalisch: klassischer Käsekuchen.

Warum der King of Falafel im Niendorfer Wald in Hamburg zu finden ist

Ein anderer Klassiker, der natürlich auch angeboten wird, sind Falafel, also Bällchen aus Kichererbsenmehl. Mit einem stolzen Grinsen lässt Zada eine bedruckte Brosche auf den Tisch fallen, „King of Falafel“ steht darauf. Ein Geschenk eines Gastes.

Neben dem Willen, selbstständig zu sein, eint das Paar die Freude an ihrem Arbeitsbereich: Wael Maho Zada, 2012 aus seinem Heimatland Syrien als politisch Verfolgter mithilfe der Heinrich-Böll-Stiftung geflüchtet, ist in einem Familienbetrieb groß geworden. „Meine Eltern und Geschwister und ich hatten ein Unternehmen, wir haben Brunnen gebaut, und ich bin Maschinenbauer“, erklärt er.

Die Familie schätzt die Niendorfer Idylle und sucht hier auch eine Wohnung

In Deutschland machte er zusätzlich eine Ausbildung zum Mechatroniker, lernte Deutsch – und Johanna kennen. „Die Labermaschine“, wie sie sich lachend tituliert. Auch ihre Eltern hatten einen Handwerksbetrieb, ihre Mutter war wie sie jetzt die „gute Seele“ darin.

Seit sieben Jahren gehen die beiden gemeinsam durchs Leben, ihre Tochter Minna ist dreieinhalb Monate alt, sie soll viele Geschwister bekommen und in der Niendorfer Idylle unter den hohen Bäumen aufwachsen. Weshalb die kleine Familie auf der Suche nach einer Wohnung im Viertel ist, noch leben sie in Stellingen.

„Gerade Wael schätzt zwar das quirlige Eimsbüttel, er kommt ja aus Damaskus, aber ich bin ein waschechtes Landei und liebe die Ruhe hier“, sagt die junge Mutter, die zum Stillen einfach eine nahe gelegene Bank im Wald ansteuert.

Hamburg-Niendorf: Die Gäste sind Familien, Hundebesitzer, Ausflügler

Doch es sind nicht nur die Natur und die Selbstständigkeit, die die beiden Neu-Gastronomen und herzlichen Gastgeber zu schätzen wissen. „Es sind die Leute, die hierher kommen“, sagt Jungnik, „zum einen Hundebesitzer, die hier Gassi gehen und die Hundeauslaufzone ansteuern, die holen sich auch gern mal ein Getränk to go. Dann die Familien, die bei uns teilweise den ganzen Tag verbringen, mal zwischendurch auf den Pilzspielplatz nebenan gehen oder auf die kleine BMX-Strecke, viele sind mittlerweile Stammgäste“, sagt sie.

Kindergeburtstage werden ebenso gefeiert wie Familienfeste älterer Generationen, dazu treffen sich hier weiterhin zu festen Zeiten die passionierten Minigolfer, und auch Hobbyspieler schlagen ab.

Restaurant Hamburg: Neue Besitzer des Waldcafés mussten Nachbarn überzeugen

Und dann besuchen die Nachbarn sie im Saha. Mittlerweile. Denn wie so oft ist das Verhältnis der Parteien, die nah beieinander leben, nicht immer das einfachste. Ähnlich sei es auch hier inmitten von Kleingärten und Wohnstraßen gewesen, erinnert sich das Paar. „Wir sind nun sehr, sehr glücklich, dass es heute entspannt ist und unsere Nachbarn uns weiterempfehlen und wir sie von uns überzeugen konnten“, sagt Zada, der durch seine Künste am Herd, mit Mokka und seiner Freundlichkeit punktete.

Denn Vorbehalte gab es. Sorge vor einem „Shishalokal im Wald“ oder einfach zu viel Neuem. Aber nicht nur der Mief der vergangenen Jahrzehnte ist verschwunden, auch der durchdringende Geruch nach altem Frittenfett. Denn im Saha gibt es gar keine Pommes. Wenigstens heißen die frittierten Kartoffelstäbchen hier nicht so, erklärt Jungnik: „Bei uns gibt es Hamburger Sonnenstrahlen.“

Saha – das Waldcafé, Burgunderweg 23, Mi–Fr 12–19 Uhr, Sa+So 10–19 Uhr, Mo+Di Ruhetag, www.saha-hamburg.de