Hamburg. Die Wartelisten sind lang – eine neue Anlage in Schnelsen ist besonders beliebt. Wie Interessenten trotzdem gute Chancen haben
Im Beet wachsen Zucchini, Salat und Karotten, es riecht nach frisch gemähtem Rasen und nach Natur. Die Kinder spielen im Sandkasten, und die Eltern finden Erholung bei der Gartenarbeit unter freiem Himmel. So oder so ähnlich sieht er wohl aus: der Traum vom eigenen Kleingarten.
Klar ist: Der Schrebergarten hat sein verstaubtes Gartenzwerg- und Laubenpieper-Image schon vor vielen Jahren abgelegt. Insbesondere junge Familien, die in Wohnungen ohne eigene Grünfläche leben, träumen davon, einen eigenen Garten zu haben – ohne dafür gleich an den Stadtrand oder in den Speckgürtel ziehen zu müssen.
Schrebergarten Hamburg: Hohe Nachfrage, geringes Angebot
Doch für viele bleibt es vorerst bei dem Traum. Denn die Nachfrage ist nach einem Höhepunkt in der Corona-Pandemie weiter ungebrochen. Das sieht man auch daran, was passiert, wenn mal neue Gärten dazukommen. In diesem Frühjahr wird auf dem A-7-Deckel in Schnelsen ein neuer Kleingartenverein mit Namen „Op’n Deckel“ gegründet.
42 Parzellen entstehen hier zwischen Frohmestraße und Heidlohstraße, die ersten Lauben sollen im Frühjahr zu sehen sein. Mehr als 500 Menschen haben sich auf die Gärten beworben. Das berichtet Dirk Sielmann, Geschäftsführer des Landesbundes der Gartenfreunde in Hamburg.
Er sagt: „Durch die Pandemie ist die Nachfrage quasi explodiert.“ Das gelte insbesondere für stadtnahe Gärten in Bezirken wie Eimsbüttel und Altona. „Hier kann man durchaus mit etwa fünf Jahren Wartezeit rechnen. In Harburg oder Wilhelmsburg geht es meist schneller.“
In einem Verein sind die Wartelisten nicht ganz so lang
Herauszufinden, ob und wo ein Garten frei ist, ist zudem nicht ganz einfach. Die Übersichtsseite der Gartenfreunde weist derzeit zwei freie Parzellen im gesamten Stadtgebiet aus. Aber Sielmann sagt: „Oft sind die Gärten doch schon vergeben. Manchmal dauert es ein bisschen mit der Aktualisierung.“ Da die Vergabe der Gärten nicht zentral abläuft, müssten Interessenten sich bei dem gewünschten Schrebergarten direkt melden.
Und das tun viele Hamburger auch. Zum Beispiel im Kleingartenverein Groß Borstel 436, der zentral und idyllisch gelegen ans Eppendorfer Moor angrenzt. Der Vereinsvorsitzende Dieter Huster berichtet: „Wir bekommen im Schnitt zwei neue Anfragen pro Woche, meistens von Familien mit kleinen Kindern.“
Nachdem jahrelang kaum Gärten frei wurden, sei zuletzt tatsächlich Bewegung in die Sache gekommen. „In unserem Verein sind schon einige neue Gärten dazugekommen, weitere entstehen noch. Möglich ist das, weil wir besonders große Grundstücke geteilt haben“, sagt er. Derzeit sei die Warteliste „überschaubar.“
Engagement und Mühe werden gern gesehen
Interessanten rät er: „Wer einen Garten bekommen möchte, sollte sich die Mühe machen und persönlich zur öffentlichen Sprechstunde erscheinen, gerne auch mit der ganzen Familie.“ Neben dem Platz auf der Warteliste sei eben auch entscheidend, dass man echtes Interesse zeigt und dass man sich persönlich kennt.“ Ein Gartenprofi hingegen müsse niemand sein. „Das kann man lernen, und wir helfen im Verein auch gerne, wenn es Fragen gibt.“
Interesse zeigen, immer wieder vorbeischauen, mit dem Verein ins Gespräch, kommen. So hat es auch die Hamburgerin Marie gemacht. Und dann hat es plötzlich geklappt. Seit vier Wochen haben die 31-Jährige, ihr Mann Karim und ihre Tochter Carlotta jetzt einen Garten im Kleingartenverein Groß Borstel, den sie sich mit einer weiteren Familie teilen.
Die kleine Familie hatte auch in anderen Vereinen gesucht, aber der in Groß Borstel war durch die Nähe zur Wohnung der Favorit. „Wir waren ohnehin oft zum Spazieren im Kleingartenverein unterwegs und sprachen darüber, dass das was für uns sein könnte.“ Konkret wurde es aber erst, als ihre Tochter vor eineinhalb Jahren auf die Welt kam.
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Der Kleingarten macht viel Arbeit – aber auch viel Freude
„Wir haben eine Liste gemacht von allen Vereinen, die in der Nähe sind, und dann hab ich alle abgeklappert, und das war ganz schön ernüchternd.“ Der GKV Groß Borstel sei der einzige gewesen, der zumindest ein bisschen Hoffnung gemacht habe. Und so ist Marie hartnäckig geblieben. „Ich bin einfach immer wieder rübergelaufen und habe Interesse bekundet.“
Als der Anruf dann kam, war die Freude groß. „Wir sind sehr glücklich, dass es geklappt hat.“ Und sogar eine Laube vom Vorpächter stand schon auf dem Grundstück, die sie per Abstandszahlung übernehmen konnten. „Das macht natürlich vieles einfacher. Aber wir hätten auch alles andere genommen.“
Viel zu tun ist dennoch. „Wir sind im Moment auch bei Schmuddelwetter fast jeden Tag hier und sind total motiviert. Gleich zu Beginn haben wir gemeinsam mit der anderen Familie ein riesengroßes Beet abgesteckt, in dem wir Gemüse anbauen wollen.“ Marie und ihr Mann sind in ländlichen Gebieten aufgewachsen. „Ein bisschen was vom Gärtnern verstehen wir also. So fangen wir immerhin nicht bei null an.“
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Klar ist: Engagement beim Gärtnern ist bei allen Gartenvereinen gerne gesehen. Schließlich gebe es laut Sielmann vom Landesbund der Gartenfreunde auch viele Menschen, die unterschätzten, dass ein eigener Garten auch viel Arbeit bedeute.
Er betont: „Es sollte jedem Interessenten bewusst sein, dass das nicht nur Freizeitgärten sind.“ Zwar sei das Klischee von Kontrolleuren, die mit dem Maßband abmessen, ob genügend Anbaufläche angelegt wurde, längst überholt. Aber: „Es geht hier schon um ernst gemeinten Obst- und Gemüseanbau. Und das heißt, dass man eben wirklich auch was tun muss.“