Hamburg. Tiere gehören hier seit Jahren zur Tradition. Kinder sollen Verantwortung für die Deichschafe übernehmen und dabei lernen.

Der Himmel ist bewölkt, als vier Deichschafe ihr neues Zuhause an der Schule Hinter der Lieth in Lokstedt beziehen. Mehrere bemalte Grußbotschaften am eingezäunten Wiesengrundstück im unteren Teil des Schulgeländes empfangen die Neuankömmlinge. An der Seite der Weide zum Gehweg hin stehen Schilder mit der Bitte, die Schafe nicht zu füttern.

Aufgeregt warten die Klassensprecherinnen und Klassensprecher der Schule darauf, die Schafsweide betreten zu dürfen und ihre neuen Schulmitglieder zu begrüßen. Als es so weit ist und Tierärztin Juliane Eichhorn mit den Kindern auf die zwei Monate alten Schafe zugeht, zeigt sich dann sogar kurz die Sonne.

Schule Hinter der Lieth in Lokstedt: Tierische Tradition

Dass es an der Schule Hinter der Lieth Schafe gibt, hat Tradition: Bereits seit 1974 sind sie fester Bestandteil der Schulfamilie. Ausschlaggebend dafür ist auch das weitläufige Grundstück der Schule. „Wir haben ja Glück, dass es hier so grün ist und wir hier auch den Platz für die Schafe haben“, sagt Schulleiterin Beate Sommer. Dennoch sind die Schafe in den vergangenen Jahren, auch bedingt durch die Corona-Pandemie, ein wenig in Vergessenheit geraten.

Während die Schule seit 1974 meist Deichschafe beherbergte, waren seit 2018 drei Kamerunschafe – Socke, Timmi und Lisa – hier zu Hause. Da die Kamerunschafe im Vergleich zu Deichschafen allerdings eher scheu waren, wurden Begegnungen zwischen Schülern und Schafen erschwert – jedes Mal, wenn sich die Mädchen und Jungen den Kamerunschafen näherten, versteckten sich diese im entferntesten Eck ihrer Weide.

Resultat der Kinderkonferenz: Neue Schafe

Auch aufgrund der fehlenden Bindung zu den Tieren beschlossen die Kinder in ihrer Kinderkonferenz, bei der sie einmal im Monat über Themen beraten dürfen, die in ihrem Schulalltag von Bedeutung sind, neue Schafe anzuschaffen. „Natürlich können wir nicht jeden Wunsch erfüllen, den die Schülerinnen und Schüler in der Kinderkonferenz äußern – ein Schulhund zum Beispiel ist einfach nicht machbar: Aber wir wollen den Kindern auch zeigen, dass wir ihre Wünsche ernst nehmen“, so der stellvertretende Schulleiter Lars Schallreuter.

Da die Kamerunschafe sich wohl auch in ruhigeren Gegenden wohlerfühlen würden, beschloss die Schule die Anschaffung neuer Schafe. Dabei halfen vor allem die Eltern Juliane und Linus Eichhorn, die zugleich Tierärzte sind. Über einen Kontakt organisierten sie die vier Deichschafe als neue Schulschafe herbei.

Jungschafe sind besonders zahm

Die Schafe wurden im April an der Niederelbe bei Brunsbüttel geboren und rund zwei Monate später zu ihrem neuen Zuhause in Lokstedt gebracht. Eine Besonderheit der vier Jungschafe ist, dass sie nach der Geburt mit der Hand großgezogen wurden. Dies sei wohl besonders wichtig, da die Schafe dadurch sehr zahm werden, erklärt Schallreuter. „Das ist auch das erste Mal, dass wir von der Hand großgezogene Schafe bei uns an der Schule haben. Bisher wurde nicht so sehr darauf geachtet, dass die Schafe, die wir hier haben, auch wirklich zahm sind“, so Schallreuter.

Von nun an bis zu den Sommerferien möchte Mutter und Tierärztin Juliane Eichhorn zwei- bis dreimal die Woche nach den Schafen sehen und auch die Kinder langsam an den Umgang mit den Tieren gewöhnen. Außerdem sollen die Schülerinnen und Schüler die neuen Schafe auch mit einem Halfter über das Schulgelände führen – ebenfalls eine Neuheit.

Pädagogische Arbeit in Hamburger Schule – mit Schafen

Auch die drei Kamerunschafe haben ein neues Zuhause gefunden – und sind in eine bestehende Herde bei Brunsbüttel eingegliedert worden. Die Schülerinnen und Schüler waren ein wenig traurig über den Abschied. Ihnen war allerdings ebenfalls aufgefallen, dass die Kamerunschafe sehr scheu sind. Die neuen Deichschafe sind nicht nur zum Spaß an der Schule – sie werden auch in die pädagogische Arbeit eingebunden werden, wie Schulleiterin Sommer und ihr Stellvertreter Schallreuter sagen.

So können und sollen Schülerinnen und Schüler im Umgang mit den Schafen ihr soziales Handeln erlernen und Verantwortung übernehmen: Die vierten Klassen werden dazu beispielsweise abwechselnd zum „Schaf-Dienst“ eingeteilt. Jeweils vier Kinder kümmern sich in jeder Pause um die Schafe und schauen nach dem Rechten. Bei Auffälligkeiten ist es dann ihre Aufgabe, diese an die Lehrer weiterzugeben. Die Schafe sollen auch das Lernverhalten der Kinder positiv beeinflussen.

Außerdem können die Schülerinnen und Schüler die Schafe besuchen und Zeit mit ihnen verbringen, wenn ihnen danach ist. Demnächst sollen die Tiere erst einmal Namen bekommen – die suchen die Kinder aus. Die Schafe grasen die Wiesen der Schule ab. Reicht das Futter einmal nicht aus, dann wird – mit Unterstützung des Schulvereins – Heu dazugekauft. Im Rahmen einer Projektwoche war ein Schafstall gebaut worden.

Die ganze Schulfamilie wird sich von nun an um die Neuankömmlinge kümmern: „Das wird Hand in Hand mit den Eltern geschehen, die Kinder kümmern sich, die Ganztagesbetreuung, der Hausmeister und natürlich sind auch wir Lehrende in der Verantwortung“, so Schallreuter und Sommer. Die Schafe sind an der Schule also gut aufgehoben und wurden dort durch Lehrer, Eltern und Schüler herzlichst empfangen. An der Schule Hinter der Lieth werden sie nun hoffentlich die nächsten 15 Jahre zu Hause sein – so alt können Deichschafe nämlich durchaus werden.