Neugraben. Bezirkspolitiker wollen sich intensiver zu der Flüchtlingsunterkunft beraten – Verzögerung ist die Konsequenz.

Rund um den Bau der Flüchtlingsunterkunft Aschenland II in Neugraben-Fischbek gibt es neue irritationen und Unklarheiten. Eigentlich sollten die Fraktionen der Harburger Bezirksversammlung den ersten Bauabschnitt der Folgeunterkunft, in dem Wohnraum für 700 Flüchtlinge geschaffen werden, möglichst schnell durchwinken. Damit würden sie ein politisches Zeichen an das Bezirksamt richten, das über den Bauantrag letztendlich zu entscheiden hat. Aber die Bezirkspolitiker sahen am Dienstag auf der Sitzung des Hauptausschusses noch Beratungsbedarf – ihre Begründung: zahlreiche Abweichungen vom geltenden Baurecht.

Erst am 3. März hatte der Senat mit Rücksicht auf Forderungen der Bezirkspolitiker und von Anwohnerinitiativen beschlossen, die Größe der Unterkunft von 3000 auf 1500 Plätze zu halbieren. Diese sollen in zwei Bauabschnitten mit 700 und 800 Plätzen als zweigeschossige Wohnhäuser in Holzrahmenbauweise errichtet werden. Zudem sind größere „Mittelpunkthäuser“ für kulturelle und gemeinschaftliche Zwecke, Familientreffen und Kinderspielflächen sowie Cafè, Kiosk und Arztpraxen vorgesehen. In weiteren Gebäuden werden die Verwaltung und – falls nötig – Gemeinschaftsunterkünfte entstehen.

Nach dem Entgegenkommen des Senats galt als annähernd sicher, dass die Harburger Politiker dem geänderten Bauantrag grünes Licht geben werden. Davon geht Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Fraktion, auch weiterhin aus: „Es ist ein übliches Verfahren, dass sich ein Ausschuss wegen zusätzlichen Beratungsbedarfs vertagt. Diese Zeit sollten wir uns angesichts der Bedeutung der Entscheidung nehmen“, sagt Heimath. Die Fraktionen werden am kommenden Donnerstag noch Gelegenheit haben, sich eine abschließende Meinung zum Bauantrag zu bilden. Das Thema werde auf jeden Fall auf der Tagesordnung der Bezirksversammlung stehen. Das Harburger Parlament wird dann über das Projekt debattieren.

Die zusätzliche Beratungszeit hatte vor allem der CDU-Fraktionschef Ralf-Dirk Fischer gefordert. Er beanstandete, dass der Bauantrag zu viele Befreiungen vom geltenden Baurecht beinhalte. Dem NDR nannte Fischer einige Beispiele: die Überschreitung von Baugrenzen, zu hohe Häuser, zu viele Wohnungen pro Einheit, Holzfassaden statt Putz. Zudem befürchtet die CDU, dass die gerade gestrichenen 1500 Flüchtlingsplätze in der erweiterten Nachbarschaft entstehen könnten: „Da wird zunächst nach Neugraben-Fischbek gefragt, dann nach anderen Gebieten im Bereich Süderelbe. Da gibt es möglicherweise neue gravierende Probleme. Und wir würden nicht so gerne die Katze im Sack kaufen.“

Hätte schon der Hauptausschuss am Dienstag dem geänderten Bauantrag zugestimmt, hätte das Bezirksamt daraufhin dem Bauantrag bereits genehmigen können. Nun wird die Bezirksversammlung abgewartet. „Das Projekt ist kommunalpolitisch von erheblichem Interesse. Da ist es legitim, noch einmal darüber nachdenken zu wollen und unsere Vorlage nicht in der ersten Sitzung zuzustimmen, zumal die Unterlagen erst einen Tag zuvor den Fraktionen zugingen“, sagt Dierk Trispel, stellvertretender Bezirksamtsleiter. Die Tatsache, dass dadurch der Bauantrag vielleicht 14 Tage später genehmigt wird, hält Trispel für vertretbar. Schließlich gelte es, dass Kommunalpolitik und Verwaltung bei einem so wichtigen Thema wie der Flüchtlingsunterbringung an einem Strang ziehen. Aufgabe der Politik sei es in diesem Fall die Verwaltung „kritisch-konstruktiv zu begleiten“ und zum Beispiel Begleitmaßnahmen zu dem Projekt zu beschließen.

Auch Kerstin Graupner, Pressesprecherin des Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge, kann mit der verzögerten Unterstützung seitens der Bezirkspolitiker leben. Die Auswirkungen auf die Flüchtlingsunterbringung sind nach ihrer Auffassung nicht so gravierend: „Grundlage unserer Planung sind Beschlüsse. Und die werden von der Bezirksversammlung gefasst.“ Der von der Sozialbehörde im Oktober 2015 eingerichtete Koordinierungsstab ist ohnehin noch damit beschäftigt, das Flüchtlings­- quartier für nunmehr 1500 Personen umzuplanen. So muss zum Beispiel die Ausschreibung an die niedrigere Personenzahl angepasst werden.