Hamburg. Die Attacke in der Flüchtlingsunterkunft in Eidelstedt soll religiös motiviert gewesen sein. Der Staatsschutz ermittelt.
Die Polizei ermittelt erstmals in einem Fall von mutmaßlich religiös motivierter Gewalt unter Flüchtlingen in Hamburg. Am Sonntagabend verprügelte ein Afghane in der Notunterkunft in einer Baumarkthalle am Hörgensweg in Eidelstedt einen 24 Jahre alten iranischen Konvertiten. Der Täter war bis zum Montagabend noch flüchtig. „Ein religiöser Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden“, sagte ein Polizeisprecher am Montag. Der Staatsschutz im Landeskriminalamt leitet die derzeitigen Ermittlungen.
Der spätere Angreifer Mohamad A. soll die Tat offenbar bereits am vergangenen Donnerstag angekündigt haben. Laut Polizei fragte er den 24 Jahre alten Iraner Amirali H. nach seiner Herkunft und Religion aus – dieser erzählte ihm, dass er vor seiner Flucht aus dem Iran vom Islam zum Christentum konvertiert war. Daraufhin soll der Afghane gesagt haben: „Dann ist es ja keine Sünde, dich zu töten“. Am Sonntagabend ging der Täter dann mit einem Teleskopstockschläger auf Amirali H. los und zielte damit mehrfach auf den Kopf des Mannes, der mit schweren Verletzungen auf dem Hallenboden zusammenbrach.
Ein Wachmann schritt laut Zeugen ein, Mohamad A. konnte zunächst festgehalten werden. Bevor die alarmierte Polizei eintraf, war der Schläger jedoch verschwunden. 15 bis 20 andere Bewohner der Unterkunft, so steht es im Bericht der Polizei, hatten den Täter befreit und ihm so die Flucht ermöglicht. Als die Beamten eintrafen, ließen sich die Fluchthelfer des mutmaßlichen Täters offenbar nicht mehr identifizieren. Der Mann ist seitdem untergetaucht.
Opfer Amirali H. musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Durch die Schläge war der 24-Jährige bewusstlos geworden. Inzwischen hat sich sein Zustand stabilisiert, er wird jedoch nicht in die Unterkunft am Hörgensweg zurückkehren und nach seiner Genesung in eine andere Einrichtung von „Fördern & Wohnen“ umziehen.
„Die Stadt muss deutlich machen, dass religiöse Gewalt niemals geduldet wird“
Der Fall könnte auch politische Konsequenzen haben. „Wenn sich der Anfangsverdacht bestätigt, haben wir es mit einer neuen Qualität von Gewaltvorfällen unter Flüchtlingen zu tun“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dennis Gladiator. „Die Stadt muss deutlich machen, dass religiöse Gewalt niemals geduldet wird und dem Täter kein Bleiberecht in Deutschland gewähren.“
Wenige Stunden nach dem Vorfall in Eidelstedt musste die Polizei auch am Rugenbarg in Osdorf eingreifen, nachdem es in der dortigen Zentralen Erstaufnahme des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zu einer Auseinandersetzung zwischen 40 bis 50 Flüchtlingen gekommen war. Dabei erlitt ein 18-Jähriger so schwere Kopfverletzungen, dass er ins Krankenhaus kam. Die Polizei stellte etwa 20 Aluminiumstangen, Teile von Bettgestellen, sicher, welche die Kontrahenten als Schlagwaffen benutzt hatten. Angegriffen wurde bei der Auseinandersetzung auch ein Sicherheitsmitarbeiter, als er den verletzten 18-Jährigen wegtragen wollte. Ein bislang unbekannter Täter hatte ihn mit einem Feuerlöscher attackiert. Der Sicherheitsmitarbeiter blieb unverletzt.
Die Polizei war mit insgesamt neun Streifenwagen vor Ort und brachte die Lage schnell unter Kontrolle, zwei 18 und 21 Jahre alte Eritreer sowie ein 23 Jahre alter Iraner wurden festgenommen. Die weiter steigende Häufigkeit von Polizeieinsätzen in Flüchtlingsunterkünften ist im Präsidium derzeit Gegenstand von strategischen Diskussionen. Dabei wird auch das bisherige Konzept, auf Vorfälle jeweils flexibel mit einem möglichst großen Aufgebot zu reagieren, grundlegend überprüft.
Stadt will Lage in Unterkünften mit Umverteilung entschärfen
Die Innenbehörde und die städtische Betreibergesellschaft „Fördern & Wohnen“ wollen mit dem schnellen Abbau aller verbliebenen Zeltlager für Flüchtlinge in Hamburg die Lage in den Unterkünften deutlich entspannen. Am Montagnachmittag wurden Familien mit kleinen Kindern und kranke Flüchtlinge, insgesamt „einige Hundert“ Personen, aus den provisorischen Unterkünften am Jenfelder Moorpark und der Schnackenburgallee in Stellingen in eine Halle nach Bergedorf und ein leerstehendes Bürogebäude im Albert-Einstein-Ring in Bahrenfeld gebracht. Der Umzug war ursprünglich für vergangenen Sonnabend geplant gewesen. Insgesamt wurden 1100 Plätze für die „dringendsten Fälle“ unter den verbliebenen 2850 Zeltbewohnern in Hamburg geschaffen.
Parallel begannen an der Dratelnstraße in Wilhelmsburg die Erdarbeiten, um ab dem morgigen Mittwoch die Zelte durch beheizbare Holzhäuser ersetzen zu können. Diese sollen etwa 25 Meter lang sein und jeweils zehn Flüchtlingen Platz bieten, in die Seitenwände sind Fenster eingelassen. „Wir erwarten in gesundheitlich und sozialer Hinsicht einen positiven Effekt durch die Ablösung der Zelte“, sagte Susanne Schwendtke, Sprecherin von „Fördern & Wohnen“. Bis Anfang November sollen die Zelte in Jenfeld und Wilhelmsburg ersetzt worden sein.
Zuletzt hatten aufgrund der steigenden Wut der Zeltbewohner die Sozialarbeiter in der Erstaufnahme Schnackenburgallee aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen auf die Ausgabe von Hilfsgütern wie Decken verzichtet. Wie Mitarbeiter berichten, konnte Fällen von häuslicher Gewalt gegen Frauen in der Unterkunft zudem nicht mehr konsequent nachgegangen werden. Die Behörde plant weitere, speziell für alleinreisende Frauen ausgerichtete Unterkünfte.