Hamburg. Die Verhandlungen um die Flüchtlingsunterkunft in Harvesthude waren zäh. Am Ende scheinen aber alle Parteien zufrieden.
Er saß ganz außen, hielt sich zurück und wirkte, als würde er den Presserummel im Bezirksamt Eimsbüttel im Stillen genießen wollen. Blauer Anzug, kurzer Wortbeitrag, dann wieder Understatement. Dabei hätte Michael Westenberger, Bürgerschaftsabgeordneter der CDU, wohl ins Zentrum gehört. Glaubt man allen Beteiligten, war er bei den Verhandlungen zur umstrittenen Flüchtlingsunterkunft an der Sophienterrasse der entscheidende Mann. Er habe die lange Zeit die wortlosen Parteien als Mittelsmann wieder zusammengebracht. Er habe die Gesprächsbereitschaft zwischen Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) und den drei Klägern aufrecht erhalten. Er sei der Kitt bei den Streitfragen gewesen. Und wurde nun allseits gelobt.
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„Das kommt als Oppositionspolitiker auch nicht alle Tage vor“, sagte Westenberger nach vierzehn Tagen zähen Ringens. Denn sowohl Sevecke als auch Klägeranwalt Gero Tuttlewski betonten die Schlüsselrolle Westenbergers. Allein am Vortag habe der Christdemokrat sein Handy zweimal aufladen müssen, weil er Details der nun getroffenen Vereinbarung zwischen Stadt und Klägern abstimmen musste. „Dass es nun einen Kompromiss gegeben hat, macht mich natürlich glücklich. Aber vor allem ist es ein guter Tag für Hamburg“, sagte Westenberger.
Kurzfristige Änderung des Vertrages noch am Ende der Verhandlungen
Um die dramatische Situation der Kriegsflüchtlinge herum sei die Vereinbarung getroffen worden. Anwalt Tuttlewski sprach von einer „schwierigen Erkenntnis“ seiner Mandanten, auch angesichts des nahenden Winters und der fehlenden Unterkünfte. Mit dem Ergebnis, dass nun 190 statt wie ursprünglich geplant 220 Flüchtlinge „in relativ komfortable Wohnungen“ an die Außenalster ziehen können. Denn die Kläger seien nie gegen eine Unterkunft gewesen, sondern nur gegen die einstmals geplante Größe.
Dabei wurde bis zuletzt im kleinen Kreis um jede Formulierung des Vergleichs gefeilscht. In Behördenkreisen war sogar von einem „Alleingang“ Seveckes die Rede. Nicht alle zuständigen Stellen sollen über die Verhandlungen informiert gewesen sein, als öffentlich schon eine Einigung verkündet wurde. „Das hätte auch schief gehen können“, sagt ein Behördenmitarbeiter. Zumal der Vertrag, der dem Abendblatt vorliegt, kurz vor Schluss noch zu Ungunsten der Kläger geändert wurde.
Beim Präsentationstermin im Bezirksamt Eimsbüttel waren dennoch alle um ein harmonisches Bild bemüht. Die Beteiligten lobten die jeweilige Gegenseite als konstruktive Gesprächspartner. Wobei vor allem die Zugeständnisse an die Kläger auffallen. So konnten sie eine „einvernehmliche“ Einfriedung des Grundstücks, eine 80-Prozent-Quote von Flüchtlingsfamilien aus Kriegsregionen und eine Befristung der Unterkunft bis zum 26. September 2024 durchsetzen.
Damit wird das Flurstück 801, Standort des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes, nun fast neun Jahre lang als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden können. Nachdem die drei klagenden Nachbarn im Januar einen gerichtlichen Baustopp erwirkt hatten und in ihrer Argumentation vom Oberverwaltungsgericht bestätigt wurden, gilt das durchaus auch als Erfolg für die Stadt. Dementsprechend erleichtert zeigte sich Eimsbüttels Amtsleiter Sevecke. Es sei ein „ermutigendes Ergebnis“, auch für andere Stellen in Hamburg. „Es war Zeit, zu handeln.“
Drei Monate Bauzeit, Kosten in Höhe von 4,8 Millionen Euro
Hendrikje Blandow-Schlegel, Vorsitzende der Flüchtlingshilfe Harvestehude, begrüßte die einvernehmliche Lösung. „Ich bin erleichtert, dass sich der Stadtteil jetzt seiner Verantwortung stellen kann.“ Auch die nachbarschaftliche Situation mit den Klägern werde durch den Vergleich „deutlich entspannt“. Inzwischen engagieren sich mehr als 300 Menschen in der Stadtteilinitiative, am 4. November soll es eine Vollversammlung geben. Volker Bulla, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bezirk, lobte: „Die Einigung ist ein positives Signal für alle Stadtteile.“
Rembert Vaerst, Sprecher der Geschäftsführung des Betreibers „Fördern & Wohnen“ sagte, dass der Ausbau des Gebäudes in zwei Wochen fortgesetzt werde. Er schätzt die Bauzeit auf drei Monate, sodass Weihnachten die ersten Flüchtlinge in die nach wie vor 23 geplanten Wohnungen einziehen könnten. Kosten: 4,8 Millionen Euro.
Wie berichtet, hatte die Stadt das ehemalige Kreiswehrersatzamt schon zuvor vom Bundesamt für Immobilienaufgaben (BIMA) in einer der teuersten Gegenden Hamburgs für rund 15 Millionen Euro gekauft. Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde, verteidigt das Projekt dennoch als Beitrag zur gleichmäßigen Verteilung der Flüchtlinge auf alle Stadtteile. Die Kosten, so Westenberger, seien am Ende nicht entscheidend gewesen, sondern das Ergebnis. Laut Vertrag sollen nach Ablauf der Befristung Wohnungen entstehen.