Dem Deckelausbau in Schnelsen steht nichts mehr im Wege. Hamburg einigt sich nach zehn Jahren Streit mit Klägern gegen Ausbau. Zwei Eigentümer wollen allerdings weiterverhandeln.

Hamburg. Die grauen Reihenhäuser aus den 50er-Jahren mit den ungeraden Hausnummern am Imbekstieg in Stellingen reihen sich dicht an die Autobahn7. Schon heute ist das Grundrauschen dieser Nord-Süd-Achse Tag und Nacht nervig. Aber es würde noch schlimmer kommen, wenn die Autobahn zwischen Bordesholm und Elbtunnel in den nächsten Jahren verbreitert und in Hamburg der große A-7-Lärmschutzdeckel darübergebaut wird, fürchten die Anwohner.

Ein Teil ihrer Gärten sollte Deckelbauwerk werden, eine hohe Lärmschutzwand während der fünfjährigen Bauzeit würde dann unmittelbar vor den Fenstern aufragen. 2005 gründete sich daher eine Bürgerinitiative, als sich erste Pläne für den A-7-Ausbau konkretisierten. „Wir haben immer gesagt, dass wir hier wegwollen, so kann man nicht wohnen“, sagt Initiativen-Sprecherin Chris Brylla.

Jetzt, nach fast zehn Jahren Streit und Verhandlungen, bietet sich dazu die Chance. Wie die Initiative auf ihrer Homepage mitteilt, sei mit der Stadt eine weitgehende Einigung über ein Kaufangebot für die alten Häuser erzielt worden.

200.000 Euro für ein Mittelhaus soll es von der Stadt geben und noch einmal eine mögliche Pauschale über 40.000 Euro für besondere An- oder Ausbauten. Alternativ gibt es eine Entschädigung bis maximal 70.000 Euro, wovon aber nur zwei betroffene Eigentümer Gebrauch machen würden, die dann bleiben werden. Die Hamburger Verkehrsbehörde bestätigte inzwischen das Verhandlungsergebnis, ohne allerdings konkrete Summen zu nennen. Bei dem Kaufangebot handele es sich um ein „freiwilliges Angebot der Stadt“, betonte eine Sprecherin. „Damit ist der Durchbruch in greifbare Nähe gerückt“, sagt der Anwalt der Initiative, Jan Mittelstein von der Kanzlei Mohr.

Dem Deckelausbau in Schnelsen steht nichts mehr im Wege


Tatsächlich hat die Einigung noch einen kleinen Schönheitsfehler: 27 Hausbesitzer hatten gegen den Planfeststellungsbeschluss für den 930 Meter langen Deckelabschnitt in Stellingen geklagt. Lärmwerte seien nicht richtig prognostiziert und die totale Verschattung der Grundstücke gar nicht beachtet worden, so die Argumente. Ein Verfahren, das wegen des „dringlichen Bedarfs“ dieses Autobahnausbaus direkt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt wird. Einen Termin dort hat es bisher noch nicht gegeben, das Gericht jedoch signalisiert, dass man eine gütliche Einigung anstreben sollte. Zumal die Klage den Deckelausbau im Bereich Stellingen derzeit noch blockiert, was für die Deckelplaner quasi eine offene Wunde in ihrem riesigen Planwerk darstellt.

Eineinhalb Jahre verhandelten Vertreter der Stadt, Gutachter, Anwalt und Kläger. 25 davon finden das Ergebnis gut, sagt Sprecherin Brylla. Zwei aus der Runde scherten aber offenbar aus und wollen noch weiterverhandeln. „Das hat individuelle Gründe“, sagt Anwalt Mittelstein, der aber dennoch davon ausgeht, wie er sagt, dass nun eine Lösung für den Imbekstieg gefunden ist. Im Januar sollen die Kläger nun die Verträge zugeschickt bekommen. Sollten die Rahmenbedingungen stimmen, werde man die Klage zurückziehen, heißt es. Spätestens dann dürften sich die meisten auch nach einer neuen Bleibe umschauen. Wehmut? „Nö“, sagt Initiativen-Sprecherin Brylla, die dort seit 21 Jahren wohnt. Schon 2005 sei sie fest entschlossen gewesen, diese Belastungen nicht tragen zu wollen. Damals hätte die Stadt schon kaufen können, sagt sie. Zu einem viel günstigeren Preis.

Insgesamt erstrecken sich der Autobahnausbau und der Deckel auf mehrere Abschnitte in Hamburg: Während in Stellingen die Lage noch nicht völlig geklärt ist, steht dem Deckelbau in Schnelsen nichts mehr im Wege. Im August seien die Finanzierungsverträge geschlossen worden, sagt Bernd Rothe von der Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges). „Im Frühjahr des kommenden Jahres wird es losgehen“, sagt Rothe.

Im Bereich Schnelsen wird die Autobahn auf einer Länge von 4,3 Kilometern von vier auf sechs Fahrstreifen erweitert. Auf dem Deckel sind Garten- und Parkanlagen geplant. Die erste Tunnelröhre soll bereits Ende des Jahres 2016 fertig sein, das gesamte Projekt Ende 2018.

Die Langenfelder Brücke, ein weiterer Teil des Ausbaus, wird unterdessen bereits seit dem Frühsommer erneuert. „Die ersten drei Teile der Fahrbahn in Richtung Norden sind bereits abgebrochen“, sagt Rothe. Im kommenden Frühjahr soll der zweite Teil der Brücke auf ein Gelände neben den Bahngleisen verschoben werden, die unter der Brücke verlaufen. Insgesamt ist die Langenfelder Brücke 400 Meter lang. Die Zahl der Fahrbahnen soll von sechs auf acht erhöht werden.

Unklar ist die Situation beim Altonaer Deckel. Der Bund muss aus Lärmschutzgründen hier lediglich einen 730 Meter langen Deckel errichten und bezahlen. Hamburg würde aus städtebaulichen Gründen den Deckel jedoch gern um 1300 Meter verlängern. Noch nicht entschieden ist, ob die Stadt die Mehrkosten bereitstellen kann. „Wir erarbeiten derzeit sechs Varianten inklusive der Finanzierung“, sagt Rothe. Die Varianten würden Ende des ersten Quartals 2015 vorliegen. „Dann muss die Stadt entscheiden.“