Hamburg. Wo ist es in der Stadt am schönsten? Teil 48 unserer Serie: Viel Grün, ein eigener Wald und der Tibarg als Zentrum.
Es wird wieder schwierig, aber wir werden die paar Monate auch diesmal überstehen, bis das Eiscafé Siebenhüner am 13. Februar 2020 seine Winterpause beendet und es endlich wieder das weltbeste Pfefferminzeis gibt. „Mein Mann arbeitet bis zu 90 Stunden“, sagt Britta Ohrt, die während der Saison sieben Tage die Woche hinter dem Tresen an der Paul-Sorge-Straße steht, während Ehemann Holger das Eis zusammenrührt – seit 26 Jahren schon. Die paar Monate im Winter braucht das Paar zum Erholen. Ich verstehe das.
Beim Eis ist Niendorf ganz weit vorn, auch wenn der Stadtteil nicht überall in der Spitzenliga mitspielt. Aber wer hier wohnt, weiß ohnehin, dass er das große Los gezogen hat. Wenn man abends nach der Arbeit aus dem U-Bahnschacht am Tibarg emporsteigt, wird die Welt gleich ein Stück ruhiger. Biegt man dann in eine der umliegenden kleinen Wohnstraßen ab, werden die Häuser niedriger, und Radfahrer sieht man häufiger als Autofahrer. Denn viele nutzen bei uns im Stadtteil für die sogenannte letzte Meile ihr eigenes Fahrrad. Wäre deshalb gut, wenn es auf dem Tibarg ein paar mehr Fahrradbügel gäbe.
Zauberhafte Gärten hinter Häusern
Grün ist es in Niendorf. Nicht nur wegen des beschaulichen Niendorfer Geheges, in dem man so entspannt spazieren gehen kann, oder wegen der vielen Straßenbäume im Stadtteil, sondern weil es so viele zauberhaft bepflanzte Vorgärten gibt. Gärten natürlich auch, aber auf sie kann man von der Straße meist nur einen Blick erhaschen. Die Paradiese, die sich hinter vielen Häusern verbergen, kann man nur erahnen.
All diese Vorzüge haben sich schon so weit herumgesprochen, dass Häuser- und Wohnungspreise drastisch gestiegen sind. Jede Woche stecken Briefe von Maklern im Briefkasten, die sich mit wärmsten Worten empfehlen und händeringend Immobilien für ihre Kunden suchen. Hierhin wollen eben viele.
Niendorf: Das sind die Fakten
- Einwohner: 40.717
- Davon unter 18: 6270
- Über 65: 10-757
- Durchschnittseinkommen: 41.651 € (2013)
- Fläche: 12,4 km²
- Anzahl Kitas: 19
- Anzahl Schulen: 5 Grundschulen; 2 Gymnasien, 1 Stadtteilschule
- Wohngebäude: 8585
- Wohnungen: 20.957
- Niedergelassene Ärzte: 93
- Straftaten im Jahr 2018: Erfasst: 2403; Aufgeklärt: 910
In Niendorf gibt es traditionell viele Reihenhäuser und Einfamilienhäuser, aber etliche kleine Häuser mit großen Gärten wurden inzwischen abgerissen – sie mussten Mehrfamilienhäusern weichen. Schade, auch dieser Stadtteil wird verdichtet. Und ist trotzdem noch viel entspannter als die meisten anderen im Bezirk.
Keine mitleidigen Blicke mehr
Manchmal erkennt man sein Glück nicht gleich. So wie meine Familie und ich. Von der ersten Besichtigung bis zum endgültigen Umzug dauerte es mehr als ein Jahr. Wir waren einfach noch nicht so weit, vom hippen Generalsviertel in Hoheluft an den Stadtrand zu ziehen. Raus in die Vorstadt, wie ich immer noch gern sage. Die mitleidigen Blicke von damals gibt es nicht mehr. Jetzt gucken alle sehnsüchtig, wenn wir von unserem bezaubernden kleinen Garten erzählen, während sie sich in öffentlichen Parks um einen Platz kloppen müssen. Kein Wunder, dass überproportional viele ältere Menschen in Niendorf leben – die wollen halt nicht wieder weg, wo es doch so schön ist.
Auf dem Tibarg, der durch die Eröffnung des Tibarg Centers im Jahr 2002 mächtig an Attraktivität gewonnen hat, kann man für den täglichen Bedarf alles einkaufen. Die Gebäude an der Fußgängerzone sind allesamt nicht wirklich schön, aber durch die vielen Bäume und Beete ist die Atmosphäre angenehm. Besonders junge Familien wissen es zu schätzen, dass sie ihre Kinder hier gefahrlos laufen lassen können. Wer es eilig hat, sollte den Tibarg allerdings lieber meiden, denn hier trifft er garantiert jemanden, mit dem er ins Plaudern kommt – besonders auf dem Wochenmarkt donnerstags und sonnabends. Die schönsten Freilandrosen verkauft Tjark Stange, der auch auf dem Isemarkt einen Stand hat, aber viel besser nach Niendorf passt.
Schwimmbad, Sportplätze – alles da in Niendorf
Die U 2 braucht nur 20 Minuten in die Innenstadt, die Autobahnen 7 und 23 sind quasi vor der Haustür, der Flughafen ebenfalls. Und wenn nicht gerade eine Startbahn saniert wird und alle Flieger über Niendorf starten und landen, können sich die meisten mit dem Lärm (den es bei Ostwind zugegebenermaßen gibt) arrangieren. Auch, wenn man mit dem Auto von fast jeder Ecke des Stadtteils innerhalb von zehn Minuten am Airport ist, ist die Anbindung mit Bus und Bahn dorthin deutlich verbesserungswürdig. Aber dazu stellen sich die Herren beim HVV bislang taub.
Immerhin gibt es in Niendorf ein modernes Schwimmbad mit Freibad, zwei bombastische Sportplätze (Bondenwald und Sachsenweg), einen Recyclinghof (montags und sonnabends ist die Schlange immer besonders lang, weil dann alle ihre Gartenabfälle entsorgen), mehrere Hundeauslaufwiesen und jede Menge der in Hamburg so begehrten Kleingärten. Deshalb gibt es also wenig Gründe, den Stadtteil in der Freizeit zu verlassen. Kulinarisch ginge vielleicht noch was, aber mit dem Han Yang hat Niendorf immerhin eines der besten chinesischen Restaurants Hamburgs. Dann gibt es als Nachtisch in den kommenden Monaten eben gebackene Bananen statt Pfefferminzeis.
Niendorf: Das sind die Highlights
1. Schlittenberg
Wenn der Winter viel Schnee bringt, streben alle zum Schlittenberg. Einfach vom Rahweg in das Kleingartengelände abzweigen, dann kann man das Juchzen gar nicht überhören.
2. Wochenmarkt am Tibarg
Hier gibt es donnerstags und sonnabends bestes Obst und Gemüse aus der Region, dazu Geflügel, Antipasti, Fisch und Blumen, zum Beispiel Freilandrosen bei Tjark Stange. Und man trifft immer Bekannte.
3. Niendorfer Gehege
Hier tummeln sich viele Eimsbüttler, weil sie selbst keinen so schönen Stadtwald haben. Für Kinder ist der Waldspielplatz perfekt, für Erwachsene ein Rundgang ums Wildgehege – ideal gegen Stress.