Hamburg. Wo ist es in der Stadt am schönsten? Teil 11: Wo der HSV kickt, die A7 eine Schneise schlägt und ein neuer Stadtteil entsteht.

Wenn wir hier bei einer Zeitung mit sehr großen Buchstaben und bunten Schriften wären, ließe sich ganz wunderbar aus Bah-renfeld der Name Bau-renfeld machen. Sind wir aber nicht. Deswegen versuchen wir es anders. Und nicht nur deswegen. Denn die Tatsache, dass in Bahrenfeld derzeit extrem viel gebaut wird, ist zwar wichtig, um die Besonderheiten dieses Stadtteils darzustellen. Es ist sogar durchaus prägend, seit Jahren schon. Aber es sind eben nicht nur die vielen Baustellen und -projekte, die den Charakter von Bahrenfeld ausmachen – es ist vielmehr die seit Langem anhaltende Veränderung, die zwar stets sichtbar ist, die aber dann doch irgendwie behutsam und unter Erhalt des ursprünglichen Charmes läuft.

Schauen wir zunächst mal von oben. Dabei fallen zwei Dinge sofort auf: Es gibt hier sehr viel Grün – und einen ziemlich breiten Streifen Beton, der den Stadtteil in zwei Hälften teilt: die Autobahn 7. In einigen Jahren jedoch – und da sind wir schon bei einem der größten Bauprojekte – wird dieser Beton von oben nicht mehr zu sehen sein. Denn dann soll der Autobahndeckel fertig sein und damit eine Wunde vernarben, die in Bahrenfeld seit den 1970er-Jahren klafft. Parkflächen und Kleingärten werde dann den Stadtteil wiedervereinigen.

Im Westend Village residierte einst Tokio Hotel

Wohl auch wegen dieser Schneise hat Bahrenfeld das Potenzial, unterschätzt zu werden. Und vermutlich wird es von vielen (noch) unterschätzt. Das mag auch an der vermeintlichen Schattenlage zwischen den eleganten Elbvororten auf der einen und dem quirligen Ottensen auf der anderen Seite liegen. Man fährt halt mal durch, wenn man aus dem Westen der Stadt über die Bundesstraße 431 ins Zentrum will.

Doch wer Bahrenfeld als bloßen Transit-Stadtteil ansieht, macht einen großen Fehler. Denn es hat sich längst zu einem sehr lebenswerten Quartier zum Wohnen und Arbeiten entwickelt – und diese Entwicklung schreitet mit großen Schritten voran. Charakteristisch sind die zahlreichen ehemaligen Industrie­gebäude, die erhalten und aufwendig saniert­ wurden und heute anderen Zwecken dienen. Häufig sind daraus exklusive Wohn- und Gewerbeanlagen geworden, wie etwa das Westend Village an der Theodorstraße. Erbaut im 19. Jahrhundert im Stile der Neorenaissance, diente das Fabrikschloss einst der British American Tobacco (BAT) als Firmensitz.

Heute finden sich hier hochwertige Wohn- und Arbeitslofts, die sich um alten Baumbestand und sogar einen Swimmingpool für die Mieter gruppieren. Überregionale Aufmerksamkeit erlangte das Westend Village im Jahre 2006, als es durch Horden von Teenager-Mädchen belagert wurde. Grund: Die seinerzeit schwer angesagte Band Tokio Hotel (ja, einer von denen ist jetzt mit Heidi Klum verheiratet) hatte hier auf dem Höhepunkt ihres Erfolges Quartier bezogen.

Bahrenfeld: Das sind die Fakten

  • Einwohner: 29.976
  • Davon unter 18: 5011
  • Über 65: 3937
  • Durchschnittseinkommen: 33.565 € (2013)
  • Fläche: 10,6 km²
  • Anzahl Kitas: 27
  • Anzahl Schulen: 3 Grundschulen, 2 Stadtteilschulen
  • Wohngebäude: 3542
  • Wohnungen: 14.596
  • Niedergelassene Ärzte: 37
  • Straftaten im Jahr 2018: Erfasst: 3217 Aufgeklärt: 1276

Ähnliche Beispiele für Wohnen und Arbeiten im historischen Industriecharme finden sich etwa im Alten Gaswerk oder im Kraftwerk Hamburg an der Leverkusenstraße. Und mitten in einem der Gewerbegebiete lässt sich italienische Lebensart genießen. Der Grande Mercato Andronaco am Beerenweg lockt mittags die Beschäftigten der umliegenden Betriebe in das Bistro und am Wochenende die selbst kochenden Feinschmecker zwischen die Regale, in denen sich die ganze Vielfalt der italienischen Küche finden lässt – in großen Portionen. Das spanisch-portugiesische Pendant dazu findet sich nicht weit entfernt bei Calpesa an der Schützenstraße.

Volkspark: Heimat des HSV-Stadions und Ausflugsziel

Wo Ende des 19. Jahrhunderts viel Industrie angesiedelt wurde, durften auch die Wohnungen für die Arbeiter nicht fehlen. Und so gibt es heute zahlreiche Genossenschaftswohnungen aus den 1920er-Jahren, in denen die Mitglieder noch zu erschwinglichen Preisen leben können. Entsprechend bodenständig ist die Struktur – und das ist ein weiterer großer Vorteil. Während die Elbletten im Westen und die Hipsterbartträger im Osten immer etwas bemüht scheinen, die ihnen nachgesagten Klischees zu erfüllen, kann der Bahrenfelder ganz gelassen einfach Bahrenfelder sein. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist eben wunderbar normal hier.

Dabei hat der Stadtteil durchaus Superlative zu bieten. Zum Beispiel ist er einer der grünsten – und das liegt vor allem am Volkspark, der 1914 als Erholungsoase für die Arbeiter der dicht besiedelten Stadtteile in Altona angelegt wurde. Heute ist er nicht nur Heimat des HSV-Stadions und der benachbarten Arenen, er wird tatsächlich auch intensiv als Ausflugsziel genutzt: joggen auf dem weit verzweigten Wegenetz, grillen auf der großen Wiese oder staunen und ruhen im berühmten Dahliengarten.

Mit der "Science City" wird ein neuer Stadtteil geschaffen

Hier am Volkspark wird bald auch eines der spannendsten Stadtentwicklungsprojekte Hamburgs starten. Mit der „Science City““ wird auf dem Gelände der jetzigen Trabrennbahn ein neuer Stadtteil geschaffen, in dem Arbeiten, Forschen, Studieren und Wohnen von vornherein gemeinsam geplant und miteinander verbunden werden.

Anna Schick und ihre Kinder Pauline (6) und Marlene (2) stehen an der Tauschkiste in der Steenkampsiedlung in Bahrenfeld.
Anna Schick und ihre Kinder Pauline (6) und Marlene (2) stehen an der Tauschkiste in der Steenkampsiedlung in Bahrenfeld. © HA | Hinnerk Blombach

Es wird also auch weiterhin viel gebaut werden in Bahrenfeld. Die stetige Veränderung schreitet voran, doch sie kommt in der Regel nicht brachial, sondern behutsam daher. Eine, die das ganz genau im Auge hat und rechtzeitig den warnenden Finger heben würde, ist Marianne Nuszkowski, 1. Vorsitzende des Bahrenfelder Bürgervereins. Sie ist hier aufgewachsen und kennt „jede Ecke“ und sehr viele Bewohner. Sie steht dem Wandel positiv gegenüber. Und so attestiert sie Bahrenfeld eine hohe Zufriedenheit und Bodenständigkeit. Wie sehr man in diesen Stadtteil verliebt sein kann, hat Marianne Nuszkowski so formuliert: „Ich bin hier in Bahrenfeld groß geworden und zur Schule gegangen. Später musste ich mal nach Blankenese.“

Bahrenfeld: Das sind die Highlights

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Volksparkstadion

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Stadtteilserie: Volksparkstadion in Bahrenfeld

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    Zugegeben: Es gab schon mal größere Zeiten, die der HSV erlebt hat. Aber die haben eben dazu geführt, dass das Volksparkstadion – auch wenn es zwischenzeitlich ein paar andere Namen getragen hat – europaweite Bekanntheit erlangt hat. Manch ein Fan des FC St. Pauli spottet gern über den Verein aus „St. Ellingen“. Aber der irrt: Die Heimat des HSV ist Bahrenfeld.

    Deckel über der Autobahn 7

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    Stadtteilserie: A7 in Bahrenfeld

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      Man muss im Moment noch ziemlich viel Fantasie aufbringen, um sich den Bereich nördlich der Autobahnauffahrt als Höhepunkt vorzustellen. Doch wenn in einigen Jahren der Deckel über der A 7 fertiggestellt ist, werden hier Lärm und Abgase unter der Erde verschwinden. Eine grüne Achse aus Parks und Kleingärten wird den Stadtteil wiedervereinigen.

      Steenkampsiedlung

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      Stadtteilserie: Wohngebiet in Bahrenfeld

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        Nachbarschaftsidylle pur: Viele Bewohner kehren nach einer Kindheit am Steenkamp mit eigenem Nachwuchs zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie als Gartenstadt mit mehr als 600 kleinen Häusern angelegt. Alle haben Gärten, die über ein Netz von Fußwegen verbunden sind. Dauermietverträge werden oft von Generation zu Generation weitergegeben.