Hamburg. Deichschau ergibt: Hochwasserschutzanlage in sehr gutem Zustand. Warum die Bergedorfer Deiche zuletzt erhöht werden sollen.
Schon bevor die rund 50 Teilnehmer der Deichschau auf dem Parkplatz des Fährhauses Tatenberg in den Bus stiegen, konnte Oliver Sulz vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), der als zuständige Behörde zu der Schau zweimal im Jahr einlädt, Entwarnung geben: „Der Deich ist auch nach dem Winterhalbjahr gut gepflegt und wehrhaft. Gravierende Schäden gibt es keine.“ Sulz bezog sich auf eine Einschätzung des Bezirksamtes Bergedorf, das wiederum Rückmeldungen von den Deichwarten erhalten hatte. Sie waren ihre Abschnitte vor der Deichschau abgelaufen, wiesen nun auf kleinere Probleme wie Mäusebefall und Wildkräuterwuchs hin.
„Ende Januar und Anfang Februar hatten wir in der Elbe höheres Wasser, aber keine Sturmfluten. Es war nicht einmal Treibgut an die Ufer geschwemmt worden“, sagt Sulz. Das Gras auf dem Flutschutzwall sei nun „kräftig am Wachsen“. Ein dauerhafter Streitpunkt sei allerdings weiterhin Treibgut, das im Deichvorland liegen bleibt. „Es ist nicht eindeutig geklärt, wer für das Entfernen von Totholz in der Außenböschung zuständig ist“, sagt Sulz. Und: Während größeres Totholz den Deich schädigen kann, hat das Naturschutzamt in der Umweltbehörde ein Interesse daran, dass es liegen bleibt, weil Vögel und andere Tiere davon profitieren.
Bei Deichschau nur kleinere Mängel bemerkt
Kleinere Maßnahmen werden im Rahmen der üblichen Unterhaltung immer wieder an der der 35 Kilometer langen Deichlinie von Altengamme bis Kaltehofe durchgeführt, etwa Mäuselöcher verpresst und das Gras gezielt gedüngt, damit die Grasnarbe (die oberste Bodenschicht über- und durchziehende Pflanzendecke) sich dicht entwickelt. Doch diese Maßnahmen schützen nicht vor dem Klimawandel, der den Meeresspiegel und damit auch das Wasser in der Elbe steigen lässt.
Deshalb hat die Stadt Hamburg vor sechs Jahren ein Großprojekt gestartet: Bis 2050 soll die etwa 103 Kilometer lange Hauptdeichlinie – 78 Kilometer Deiche und 25 Kilometer Hochwasserschutzwände – durchschnittlich um 80 Zentimeter erhöht werden. Die Kosten waren 2012 noch mit 550 Millionen Euro beziffert worden. Doch das war vor Corona, Krieg und den daraus resultierenden Preisexplosionen. Der Landesrechnungshof, unabhängige Wächter über Hamburgs Finanzen, berichtet in seinem aktuellen Jahresbericht von einer aktuellen Kostenprognose in Höhe von 1,318 Milliarden Euro. Damit haben sich die voraussichtlichen Kosten mehr als verdoppelt, eine Steigerung um 140 Prozent.
Für die Deicherhöhung wird in der Breite Platz benötigt: Soll der Deich um beispielsweise einen Meter höher werden, geht er insgesamt sechs Meter in die Breite. Deswegen nutzt die Stadt bereits seit vielen Jahren ihr Vorkaufsrecht und erwirbt Häuser, die nah am Deich stehen, um sie abzureißen und Platz für die Deicherhöhung zu haben. Enteignungen gebe es aber nicht, betont Sulz. Für Häuser, die nicht verkauft werden, müsse man deshalb „technische Lösungen“ finden. Falls der Deich nur auf der zum Wasser gelegenen Seite verbreitert werden kann, müsse das naturschutzfachlich ausgeglichen werden, betont Clais von Mirbach, beim LSBG für Sturmflutschutz zuständig. Bei der Anpassung der Böschung nach dem Abriss von Häusern werde der Deich auf die bisherige alte Höhe gebracht. Eine Erhöhung mache bei kurzen Strecken kaum Sinn.
Arbeiten beginnen voraussichtlich 2035
Von Mirbach hat bezüglich der Planung des Großprojekts die Übersicht: In den Vier- und Marschlanden werden die Arbeiten am Deich voraussichtlich 2035 beginnen. 15 Jahre sind für die Arbeiten veranschlagt. Die Vier- und Marschlande sind bei der Deicherhöhung das Schlusslicht, weil die Deiche dort „vergleichbar hoch“ seien. „Dort herrscht der geringste Erhöhungsbedarf“, sagt von Mirbach. „Beispielsweise muss der Altengammer Hauptdeich nur um 15 bis 20 Zentimeter erhöht werden, um dem vor zehn Jahren festgelegten Bemessungswasserstand für 2050 gerecht zu werden.“
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Gestartet werde im Landgebiet, laut von Mirbach „dort, wo die größten Differenzen zwischen Ist- und künftiger Soll-Höhe sind“. Doch der Deich sei „nicht kontinuierlich ansteigend“. Von Mirbach: „Es gibt Setzungen aufgrund des unterschiedlichen Untergrunds aus Torf, Klei und Sand.“ Deshalb werde nicht zwangsläufig von einem Ende bis zum anderen gearbeitet, sondern „auch mittendrin – hier mal zwei Kilometer und da mal zwei Kilometer“. Es gehe darum, das schwächste Glied der Kette zuerst zu schützen, betont der LSBG-Mann. Ein weiteres Kriterium für eine vorrangige Erhöhung seien „andere Notwendigkeiten“. Von Mirbach: „Wenn etwa eine Deichstraße sanierungsbedürftig ist und dort sowieso am Deich gearbeitet werden muss, ziehen wir diesen Abschnitt bei der Erhöhung vor.“
20 Planer im LSBG seien schwerpunktmäßig mit dem laufenden Bauprogramm Hochwasserschutz, also der Deicherhöhung, beschäftigt, beauftragen auch Ingenieurbüros mit Berechnungen.
Auf der Veddel sind die Deiche bereits erhöht worden
Auf der Veddel wurde 2017 mit dem Bauprogramm begonnen. „Dort sind wir mit den Deichen durch“, sagt von Mirbach. An den dortigen Hochwasserschutzwänden werde später gearbeitet. Die Arbeiten am Klütjenfelder Hauptdeich im nördlichen Wilhelmsburg sind gerade abgeschlossen worden. „Am 1. April beginnen die Arbeiten am Kreetsander Hauptdeich in Ost-Wilhelmsburg, die drei Jahre andauern werden“, sagt der Fachbereichsleiter Sturmflutschutz.