Neuengamme. In Neuengamme werden die Sommerferien zum Abenteuer, geht es fast 900 Jahre zurück in die Vergangenheit. Was Kinder dabei lernen.

Fast 900 Jahre in die Vergangenheit reisen 25 Kinder in dieser Woche hinter dem Neuengammer Gemeindehaus an der Feldstegel. Denn das Gelände zwischen Abenteuerspielplatz, Fußballwiese und Bahndamm ist nun wieder Schauplatz des beliebten Historischen Spiels, das schon seit 1997 fester Bestandteil der Sommerferien in Neuengamme ist.

So ging es schon zu den Römern, Wikingern oder in die Steinzeit. Dieses Mal ist das Mittelalter das Ziel: Im Jahr 1160 haben die Sachsen unter Führung des „Löwen“ Herzog Heinrich die Burg Werle belagert. Sie ist eines der letzten Bollwerke der Slawen. Doch der Widerstand beginnt zu bröckeln, als Heinrich der Löwe vor den Toren steht und den Slawen ein besonderes Mitbringsel übergibt: Einen Sack mit dem Kopf ihres Anführers Niklot, berichtet Diakon Martin Tonne, der in diesem Jahr die Rolle des „Löwen“ übernimmt.

Historisches Spiel hat in Neuengamme eine lange Tradition

Sorgen für das gemeinsame Mittagessen: Teamer David Burkhardt und Amelie schneiden Zwiebeln.
Sorgen für das gemeinsame Mittagessen: Teamer David Burkhardt und Amelie schneiden Zwiebeln. © BGZ/Diekmann | Lena Diekmann

Der Kopf habe sich zwar letztlich als Kohlkopf entpuppt, doch das Tor geöffnet haben die Slawen trotzdem – und somit den Weg für erste Gespräche mit den Sachsen frei gemacht. Das konnten die Kinder entscheiden und den Verlauf der Geschichte, die sich in dieser Woche entspinnt, mitbestimmen. Im Mittelpunkt stehen aber vor allem die Gewerke, die jedes Kind je nach Interesse frei wählen kann.

Im Lager der Sachsen wird in der Holzwerkstatt unter Anleitung von Burggraf Weinhardt von Zerbst alias Teamer Alexander Gorth fleißig geschnitzt und gefeilt, entstehen so Schwerter, Äxte und Schilde. Mit den eigenen Händen zu arbeiten („schleifen und so“), mache ihm besonders viel Spaß, berichtet der Zehnjährige Lasse.

Das gibt Tränen: Auf dem Speiseplan steht Zwiebelsuppe

Leif (11) schmiedet mit Pawel Ivanovic (alias Teamer Joscha) einen Feuerstahl.
Leif (11) schmiedet mit Pawel Ivanovic (alias Teamer Joscha) einen Feuerstahl. © BGZ/Diekmann | Lena Diekmann

Und während andere Kinder in der Zinngießerei Amulette und Münzen prägen oder mit dem Bischof Papier schöpfen, werden innerhalb der Burg in der Weberei Stirnbänder und Gürtel geknüpft oder heiße Eisen in der Schmiede bearbeitet. Eine alte Holzraspel wird so zu einem Feuerstahl umgeformt, erklärt Leif. Genau die richtige Aufgabe für den Elfjährigen, der sich vorstellen kann, einmal Hufschmied zu werden.

In der Küche fährt das Messer derweil unermüdlich durch Zwiebeln. Denn es steht Zwiebelsuppe auf dem Speiseplan. Und dafür müssen insgesamt sechs Kilogramm geschält und geschnitten werden. „Meine Augen tränen schon ein bisschen, aber es geht“, sagt Amelie. Die Elfjährige freut sich, dass in diesem Jahr wieder gekocht und gebacken werden darf – im vergangenen Jahr musste das aufgrund der Pandemie-Bestimmung noch ausfallen.

Auch die Teamer gehen beim Historischen Spiel in ihren Rollen auf

Johanna möchte einen Gürtel weben, Teamerin Merret hilft dabei.
Johanna möchte einen Gürtel weben, Teamerin Merret hilft dabei. © BGZ/Diekmann | Lena Diekmann

Dass die Kinder nicht nur in eine ganz andere Welt eintauchen, sondern verschiedenes Handwerk ausprobieren und am Ende etwas mit nach Hause nehmen, was sie selbst hergestellt haben, mache das Historische Spiel besonders und so beliebt, ist Andreas Dwenger überzeugt, der das Ferienangebot von Beginn an kennt. Damals absolvierte er seinen Zivildienst in der Neuengammer Gemeinde, heute sind seine Kinder Gesa (8) und Henri (12) Teilnehmer vom „Histo“.

Und auch die Teamer gehen voll und ganz in ihren Rollen auf: Lucas Ahrens, der in diesem Jahr zum Bischof wird, hat sich in den vergangenen fünf Monaten die Haare wachsen lassen, um sich für das Historische Spiel eine passende Mönchsfrisur schneiden zu können – ein Haarkranz inklusive kahlem Fleck am Hinterkopf. „Solange die Haare noch wachsen, kann man das einfach mal machen“, sagt der Bischof.