Curslack/Hamburg. Die Staatsanwältin tat sich damit schwer, die Entscheidung zu akzeptieren. Warum die Richterin das Verfahren eingestellt hat.

Kurzer Prozess bei der Berufungsverhandlung gegen Ingo Werth vor dem Land­gericht Hamburg: Dort musste sich der 62 Jahre alte Lohbrügger am Freitag wegen Widerstands gegen Polizeibeamte, Körperverletzung und Beleidigung verantworten (wir berichteten). Doch schon nach einer halben Stunde konnten alle Prozessbeteiligten nach Hause gehen. Ohne weitere Auflagen für den Angeklagten wurde das Verfahren auf Kosten der Staatskasse eingestellt. Ingo Werth muss damit auch nicht seinen Anwalt Matthias Wisbar bezahlen.

Kurzer Prozess im Landgericht Hamburg

Gleich zu Beginn der Verhandlung hatte die Vorsitzende Richterin Jenssen-Görke den „sehr unübersichtlichen“ Sachverhalt betont, über den das Gericht verhandeln sollte. Es ging um eine tätliche Auseinandersetzung mit der Polizei nach einem Unfall in Curslack im Mai 2019, bei der Ingo Werth als Ersthelfer von der Polizei gewaltsam von der Unfallstelle entfernt wurde und einen Polizisten beleidigt und angegriffen haben soll.

Nachdem ein VW Passat auf seiner Fahrt Richtung Bergedorf kurz nach der Schiefen Brücke gegen die Hauswand der Vierländer Volksbank gekracht war, eilte Ingo Werth herbei und versuchte als Ersthelfer den bewusstlosen Fahrer zu stabilisieren, um so einer Wirbelsäulen-Verletzung vorzubeugen. So hockte er an der offenen Fahrertür, als die Polizei eintraf und ihn aufforderte, seinen Platz zu räumen.

m Mai 2019 wird Ingo Werth von zwei Polizisten zu Boden gebracht, nachdem er nach einem Unfall an der Schiefen Brücke in Curslack als Ersthelfer in eine Auseinandersetzung mit den Beamten geraten war.
m Mai 2019 wird Ingo Werth von zwei Polizisten zu Boden gebracht, nachdem er nach einem Unfall an der Schiefen Brücke in Curslack als Ersthelfer in eine Auseinandersetzung mit den Beamten geraten war. © Christoph Leimig | christoph leimig

Verschiedene Aussagen zum Geschehen am Unfallort

Über das Geschehen danach hatte es in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Bergedorf sehr unterschiedliche Aussagen gegeben: Ingo Werth habe als Ersthelfer die Stabilisation der Halswirbelsäule nicht aufgeben wollen, bevor Notarzt oder Rettungssanitäter am Unfallort eingetroffen waren.

Es kam zum Handgemenge: Laut Werth habe der Beamte mehrfach geschrien, dass alle den Unfallort verlassen sollten. Als er dem nicht nachkam, sei er vom Auto weggezogen worden, dadurch gekippt und ins Straucheln gekommen. Er habe sich an dem Beamten wieder hochgezogen.

Polizist habe Werth mit der Faust ins Gesicht geschlagen

Der Polizist habe ihn dann wüst an der Kleidung am Oberkörper gepackt und mit der Faust volle Wucht ins Gesicht geschlagen. Er sei dann auf einem kleinen Rasenstück zu Boden gebracht worden.

Dort sei ihm erneut mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden sein, berichtete Werth vor der Verhandlung am Bergedorfer Amtsgericht. Anschließend wurden ihm Handschellen angelegt. Aus Sicht der Polizei habe sich Ingo Werth dagegen geweigert, sich vom Fahrzeug zu entfernen.

Weil er nach einem Beamten geschlagen haben soll und versucht habe, einen Polizisten wegzudrücken, um dem Verletzten weiter zu helfen, wurde er „zu Boden gebracht“ und abgeführt.

Alle Beteiligten hätten die Situation falsch eingeschätzt

Das Amtsgericht Bergedorf hatte Ingo Werth im März nach vier Verhandlungstagen mit mehreren Zeugen und einem medizinischen Sachverständigen freigesprochen, die Staatsanwältin hatte jedoch Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Ein schuldhaftes Verhalten des Angeklagten sei nicht völlig auszuschließen, meinte auch die Vorsitzende Richterin in der Verhandlung am Freitag. Nach ihrem Eindruck hätten aber alle Beteiligten die ­Situation nach dem Unfall an der Schiefen Brücke in Curslack falsch eingeschätzt, also auch die Polizei. Ein Ende des Verfahrens ohne Urteil sei daher eine vernünftige ­Lösung.

Staatsanwältin wollte Entscheidung der Richterin nicht akzeptieren

Die Staatsanwältin tat sich ­zunächst schwer mit der Rück­nahme des Einspruchs und stimmte schließlich doch zu. Der Verteidiger war ohnehin einverstanden, etwas Besseres als die Einstellung des ­Verfahrens konnte seinem Mandanten kaum passieren. Also verkündete die Richterin den Beschluss und wünschte den Beteiligten noch alles Gute und ein schönes Wochenende.