Hamburg. Der schwere Unfall auf dem Billwerder Billdeich ereignete sich bereits am Freitag. Anwohner fordern Maßnahmen zur Temporeduzierung.
In der Küche ihres Einfamilienhauses am Billwerder Billdeich wollte Corinna Humbert am Freitagabend um kurz nach 21 Uhr gerade ein paar Teller aus dem Schrank holen, als sie plötzlich dachte, in ihrem Vorgarten sei eine Bombe explodiert: „Ich habe nur einen roten Blitz gesehen, dann hat es fürchterlich geknallt und gestaubt“, erinnert sie sich.
Tatsächlich war es ein roter Polo, der die Abendruhe jäh durchbrochen hatte: Bei seiner Fahrt in Richtung Bergedorf hatte der Fahrer die Kontrolle über den Kleinwagen verloren und war nach rechts von der Straße abgekommen. Dort schoss der Polo über Kantstein und Gehweg, fuhr den Briefkasten, die Rotbuchen-Hecke und den Holzzaun zum Nachbargrundstück platt, überschlug sich und kam auf der benachbarten Grundstückseinfahrt auf dem Dach zum Liegen.
Schwerer Unfall in Billwerder: Autofahrer fliegt aus der Kurve
André Humbert hatte zu diesem Zeitpunkt gemütlich vor dem Fernseher gesessen, um den Saisonauftakt der Zweiten Fußball-Bundesliga zu verfolgen. Doch als er seine Frau aus der Küche schreien hörte, es sei ein schwerer Unfall passiert, war das Aufeinandertreffen von Schalke und dem HSV vergessen. Barfuß und mit einem mulmigen Gefühl im Bauch rannte er vor die Tür. „Schließlich weiß man nach so einem Unfall ja nicht, was man in dem Auto vorfindet“, sagt er.
Neben vielen leeren Flaschen und Müll war im Inneren des Wagens allerdings nicht mehr viel zu finden. Denn der Fahrer war bereits aus dem Wrack geklettert und versuchte, vom Unfallort zu flüchten. André Humbert nahm gemeinsam mit einem Nachbarn die Verfolgung des jungen Mannes auf, der dann beim Parkplatz Billwerder in den Brombeerbüschen hängen blieb. Gemeinsam gelang es den beiden Anwohnern, den Fahrer zum Unfallort zurückzubegleiten und dort der Polizei zu übergeben.
Autofahrer hatte mehr als zwei Promille und keine gültige Fahrerlaubnis
Der 20-Jährige pustete einen Atemalkoholwert von mehr als zwei Promille und wurde mit dem Rettungswagen in ein Krankenhaus eingeliefert. Bei der Überprüfung seiner Personalien stellte die Polizei fest, dass bereits eine Sperre der Fahrerlaubnis vorlag. Ihn erwartet nun ein Verfahren.
Laut Zeugen soll der 20-Jährige nicht nur stark alkoholisiert, sondern auch viel zu schnell unterwegs gewesen sein. „Nachbarn haben die quietschenden Reifen bereits gehört, als er um die Kurve kam“, berichtet André Humbert. Ehefrau Corinna hätten noch Stunden nach dem Unfall die Knie gezittert: „Es ist ein Wunder, dass keine Menschen zu Schaden gekommen sind“, sagt die sportliche Frau, die seit elf Jahren mit ihrer Familie am Billwerder Billdeich lebt. Wäre jemand im Vorgarten gewesen oder gerade auf dem Gehweg vorbeigegangen, hätte des Tote gegeben, vermutet Corinna Humbert.
Wunsch: Bauliche Veränderungen mit Pollern oder Bodenschwellen
Genauso tragisch endete ein ähnlicher Unfall im März 2008, als ein 18-Jähriger auf dem Billwerder Billdeich die Kontrolle über seinen Opel Corsa verlor, einen Zaun und eine Hecke durchbrach, gegen einen Baum knallte und dabei eine 26-Jährige auf dem Gehweg überfuhr. Die junge Frau war auf der Stelle tot.
Für André Humbert ist der jüngste Unfall direkt vor seinem Haus ein Warnschuss: „Hier muss etwas passieren“, sagt er. Denn viele Anwohner hätten die Erfahrung gemacht, dass das Tempo, mit dem Autos und vor allem auch Motorradfahrer über die schmale, kurvige Straße brettern würden, vielfach über den zugelassenen 50 Stundenkilometern liegt, so Humbert. Er würde sich wünschen, dass auch bauliche Veränderungen, sei es mit Pollern oder Bodenschwellen, geprüft werde, um das Tempo zu drosseln.
Polizei hat Verkehr auf dem Billwerder Billdeich mehrfach überwacht
Vor gut 15 Jahren wurden an einigen Stellen bereits Kopfsteinpflaster zur Verkehrsberuhigung eingebaut. Das brachte allerdings nicht den gewünschten Erfolg. Viel mehr klagten direkte Anwohner danach über Lärmbelästigung.
Auch nach intensiven Gesprächen mit der Dorfgemeinschaft Billwärder habe die Polizei bereits mehrmals die Geschwindigkeit auf dem Billwerder Billdeich an unterschiedlichen Tagen und Zeiten überwacht, berichtet Axel Kleeberg, Chef der Bergedorfer Verkehrspolizei. Dabei konnten jedoch keine Auffälligkeiten festgestellt werden, so Kleeberg. Er vermutet, dass die gefühlte Geschwindigkeit an der schmalen Straße höher ist als die real gefahrene, weil die Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe zum Gehweg an den Fußgängern vorbeifahren. Eine rechtliche Grundlage, um Tempo 30 auf der gesamten Strecke anzuordnen, gebe es aber nicht, so Kleeberg.