Moorfleet. Michael Ostendorf ist für Buchprojekt auf Spuren von Heinrich Sengelmann und Johann Rautenberg. Beide sind mit Moorfleet verbunden.

Pastor Michael Ostendorf (58) recherchiert derzeit sehr viel – so viel, dass er auf Basis der gesammelten Informationen ein Buch schreiben will. Darin soll es um zwei Amtskollegen von ihm gehen, deren Wege sich im 19. Jahrhundert kreuzten, die beide mit Moorfleet verbunden und in der Kirchengeschichte bedeutende Persönlichkeiten waren: Die Pastoren Johann Wilhelm Rautenberg (1791-1865) und Heinrich Matthias Sengelmann (1821-1899).

Rautenberg wurde am 1. März vor 230 Jahren an der Sandwisch 21 in Moorfleet, in der Bäckerei seines Vaters, geboren. Das Haus wurde von den Franzosen während der Besatzung Hamburgs zerstört und am Moorfleeter Deich 97 wieder aufgebaut, berichtet Ostendorf. Rautenberg war allerdings – im Gegensatz zu Sengelmann – nie in seinem Heimatdorf Pastor, sondern 45 Jahre lang in St. Georg, damals Hamburger Vorstadt. Dort ist er auch begraben. „Er gilt als einer der wichtigsten Gestalter der Hamburger Erweckungsbewegung.“

Rautenberg gehörte zu Gründern der Hamburger Sonntagsschule

Der Moorfleeter gehörte 1825 zu den Gründern der Sonntagsschule. In ihr wurden 60 Kinder unterrichtet, die in der Woche arbeiten mussten. „Das war damals in Hamburg eine neue Idee“, sagt Ostendorf. An der Schule unterrichteten Persönlichkeiten wie Johann Hinrich Wichern, dem Gründer des Rauhen Hauses, der Gründerin des Bethesda-Krankenhauses Elise Averdieck und Amalie Sieveking, Gründerin des Amalien-Stifts in St. Georg. Auch Sengelmann arbeitete dort als Lehrer, bevor er Pastor wurde.

„Rautenberg hat Sengelmann in St. Georg konfirmiert“, sagt Ostendorf. Sengelmanns Mutter habe gern Rautenbergs Predigten in der Dreieinigkeitskirche in St. Georg gehört, engagierte sich in St. Georg auch in der Armenfürsorge.

Mit russischer Adliger verheiratet

Heinrich Sengelmann wurde ganz in der Nähe des Gotteshauses, am Schweinemarkt Nummer 10, nahe dem heutigen Hauptbahnhof, geboren, wuchs dort als Sohn eines Viehhändlers auf. Er war mit einer russischen Adligen verheiratet, berichtet Ostendorf. „Als Pastorenanwärter hat Sengelmann sich um viele Predigten bemüht und sie auch gehalten. Er hatte eine mitreisende Predigtgemeinde.“ Oft habe Sengelmann in der Kirche St. Nikolai zu Billwerder gesprochen. Mit dem dortigen Pastor, Johann Friedrich Karl Gurlitt, sei er freundschaftlich verbunden gewesen. „Als Sengelmanns Stimme versagte, schickte ihn sein Arzt zu einer Kur nach Bad Ems. Dort lernte er seine spätere Frau kennen, die ihre kranke Mutter begleitete.“

Über Billwerder kam Sengelmann nach Moorfleet, wo er von 1846 bis 1853 Pastor war. Im heutigen Pastorat gründete er eine christliche Abendschule, in der Jungen (und später auch Mädchen) aus armen Familien christliche Lieder sangen, lesen und schreiben, aber auch die Arbeit auf dem Felde lernten. Finanziert wurde sie durch Spenden der Gemeinde. Die Schule wuchs stetig, weshalb sie in eine Kate auf dem Kirchengelände und später an die Sandwisch 25 umzog. „Das Haus hatte Sengelmann gekauft“, sagt Ostendorf. „Das Geld dafür hatte er sich etwa von Hamburger Senatoren geliehen.“

Der Ursprung der Evangelischen Stiftung Alsterdorf

Sengelmann verabschiedete sich aus Moorfleet, nachdem er als dritter Diakon an den Michel, eine der Hamburger Hauptkirchen, berufen worden war. Die Schule existierte zwei, drei weitere Jahre in dem Dorf – unter dem Namen „St. Nikolai-Stift“, wurde dann nach Alsterdorf verlegt – der Ursprung der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, ehemals Alsterdorfer Anstalten. Dort hatte der Pastor ein Anwesen gekauft. Die Einrichtung wurde stetig erweitert, kümmerte sich auch um geistig Behinderte. „Sie hatten bis dato den Status von ‘Idioten’, standen am Rand der Gesellschaft.“

Sengelmann habe dafür gesorgt, dass auch diese Menschen anerkannt werden und – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – Bildung erhalten. „Das war Pionierarbeit“, sagt Ostendorf. „Dazu schrieb Sengelmann auch ein Buch, das international Beachtung fand.“ Seinem Kollegen sei es darum gegangen, Menschen, die durch alle Raster gefallen sind, Asyl zu gewähren – „nicht um Almosen, sondern um das Recht auf Asyl“. Sengelmann ist Namensgeber für eine Klinik, Altenheime und Wohnstifte.

Kranzniederlegung zum 200. Geburtstag

In seiner Zeit als Pastor in Moorfleet starben Sengelmanns Frau und der gemeinsame, erst acht Monate alte Sohn Gustav. Sengelmann ließ sie auf dem Moorfleeter Friedhof begraben und wählte das Familiengrab später auch für sich selbst als letzte Ruhestätte. Wenn der Geburtstag des bedeutenden Pastors sich am 25. Mai zum 200. Mal jährt, soll dort in Kooperation mit Moorfleeter Institutionen und der Stiftung ein Kranz niedergelegt werden.

Sengelmann schrieb mehrere Bücher. Von einem Buch besitzt die Kirchengemeinde Moorfleet eine Schreibmaschinenabschrift des Originals, das damals nur in kleiner Auflage erschienen war. „Das war in den 50er-Jahren ein Geschenk von Oberin Alwine aus Alsterdorf.“ Sengelmann beschreibe darin anonym – als „Pastor Meinold“ in Reichenau – seine Moorfleeter Zeit. „Es handelt sich um eine kritisch-liebevolle Analyse des Dorfes.“

Neue Internetseite zur Geschichte der Pastoren

Ostendorf hat zur Geschichte der beiden bedeutenden Kirchenmenschen eine Internetseite erstellt: www.ausgangspunkt-moorfleet.de. Sie soll „Stück für Stück wachsen“. Wann das Buch fertig ist, steht noch nicht fest. Ostendorf will es im Eigenverlag veröffentlichen.