Hamburg. Neue Forschung des Musikexperten Horst Zapf. Der junge Brahms weilte an manchen Sonntagen im Hotel Bellevue am Bergedorfer Gehölz.
Vorsichtig ausgedrückt, hatte der berühmte Komponist Johannes Brahms eine "undeutliche" Handschrift. Doch genau diesem Umstand ist es zu verdanken, dass der Lohbrügger Musikexperte Horst Zapf jetzt ein neues Kapitel der engen Beziehung des Genies (1833-1897) zu Bergedorf und seiner illustren Oberschicht aufschlagen konnte.
In einer Veröffentlichung in der jüngsten Ausgabe der Hamburger Beamtenzeitschrift HBZ weist Zapf nach, dass Brahms seit seinen ersten Auftritten als 13-jähriger Pianist an manchem Sonntag anno 1846 im Hotel Bellevue am Bergedorfer Gehölz regelmäßig in der damals noch eigenständigen Stadt weilte. Ausschlag für die Spurensuche war ein Brief von Brahms an die Pianistin Clara Schumann vom August 1859, der in einem Buch über seine Werke so zitiert wird: "Deinen lieben Brief bekam ich gestern früh, herzliebe Clara, musste aber erst Stunde geben und dann nach Bergedorf..."
Zapf stöberte das Original des Briefes auf und forschte weiter
Diese drei Punkte weckten Zapfs Forschergeist. Er stöberte das Original des Briefes auf und erkannte, dass die Auslassung im Buch aus der Klaue des Komponisten resultierte. Doch so leicht gab Horst Zapf nicht auf. Schließlich fand er einen Schriftexperten, der den Rest des Satzes entzifferte. Er lautet: "...ich hatte längst versprochen, dort Herrn von Lind (Du kennst die Frau, glaube ich) zu besuchen."
Zapf forschte weiter und stellte fest, dass die Kaufmannsfamilie von Lind Ende der 1850er-Jahre ins damals entstehende Bergedorfer Villengebiet gleich neben das Hotel Bellevue gezogen war. Familienoberhaupt Gustav engagierte sich für die Verwundeten der Kriege und war Vorsitzender eines Vorläufers vom Roten Kreuz. Und seine Frau Elisabeth, der Brahms' besonderes Interesse galt, war Tochter des wortgewaltigen Pastors Rautenberg, eines gebürtigen Moorfleeters, der in St. Georg zum Motor der evangelischen Erweckungsbewegung geworden war.
Moorfleet ist Pastor Rautenbergs Geburtsort
Rautenberg unterhielt enge Beziehungen unter anderem zu Johann Hinrich Wichern, Gründer des Rauen Hauses, Amalie Sieveking und Elise Averdieck, auf die Bergedorfs Bethesda Krankenhaus zurückgeht. Ob sie alle den jungen Johannes Brahms schon bei seinen Sonntagnachmittag-Auftritten in Bergedorf gehört hatten, ist bisher offen. Allerdings weist Horst Zapf nach, wie eng die Beziehungen der von Linds mit den Hamburger Musik- und Kirchenkreisen waren. So übernahmen unter anderem Komponist Robert Schumann, die Rautenbergs, der Hamburger Musikförderer Theodor Avé-Lallemant und sogar Brahms selbst Patenschaften für die die Kinder der von Linds - und umgekehrt.
Viel Prominenz, die Zapf übrigens gern in Pastor Rautenbergs Geburtsort Moorfleet geehrt sehen würde: "Er ist hier begraben - und in 2021 jährt sich sein Geburtstag zum 230. Mal."