Hamburg. Am Gleisdreieck schreitet Umwandlung von einer Unterkunft in ein Wohngebiet voran. Die Folge: Soziale Angebote werden gestrichen.

Das neugebaute Quartier Am Gleisdreieck war 2016 Deutschlands größte „Unterkunft mit Perspektive Wohnen“. Nun wird die Einrichtung am Mittleren Landweg zu einer der kleinsten Flüchtlingsunterkünfte im Bezirk Bergedorf, wie Jan Smith Leiter der Abteilung für integrierte Sozialplanung im Bergedorfer Bezirksamt im Jugendhilfeausschuss feststellte.

Gemäß dem Bürgervertrag, auf den sich im Sommer 2016 die Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ und viele lokale Bürgerinitiativen nach intensiven Verhandlungen mit der Stadt geeinigt hatten, schmilzt die Zahl der Bewohner der Unterkunft schrittweise weiter ab. Demnach sollen Ende 2022 noch 300 Flüchtlinge dort leben.

Jugenclub "Gleis 1" in Billwerder muss schließen

Anders als von vielen zuvor befürchtet, sei die Unterkunft „völlig unauffällig“ gewesen, hätten die Bewohner das „dichte Netz aus sozialintegrativen Angeboten sehr geschätzt“, berichtete Jan Smith. Dennoch bleibe der Sozialplanung im Bezirksamt nichts anderes übrig, als Angebote und finanzielle Mittel umzusteuern, schließlich waren diese für 2600 Bewohner ausgelegt und nicht für die verbleibenden 300 Flüchtlingen.

Den deutlichsten Einschnitt wird es beim Jugendclub „Gleis 1“ geben: Der Ende 2017 eröffnete Jugendtreff im Eingang zum Quartier, der seit Mitte 2018 in Trägerschaft der TSG Bergedorf ist, wird geschlossen. Voraussichtlich nach den Sommerferien 2021 ist dort Schluss. Das gemeinsam aufgebaute Projekt des Stadtteilgartens wird in diesem Jahr noch von der TSG Bergedorf weitergeführt und soll 2022 möglichst in eine Selbstverwaltung der Bewohner oder einen Verein überführt werden.

Im Gleisdreieck ab 2023 nur noch mobile Angebote

Für die etwa 140 Kinder und Jugendlichen, die Ende 2022 noch in der Unterkunft leben werden, möchte der Bezirk „Brücken schlagen“ in die Zivilgesellschaft und andere Einrichtungen in Nachbarquartieren wie Neuallermöhe. „Das ist es ja auch, was Integration bedeutet“, sagte Jan Smith. Im Gleisdreieck selbst werde es ab 2023 höchstens noch mobile Angebote geben können, so der Sozialplaner.

Auf „Brücken schlagen“ setzt der Bezirk auch bei den Erwachsenen: So soll die Sozialberatung aus dem Haus 23 künftig ins Kifaz nach Neuallermöhe verlagert werden, ebenso werden die Elternschulangebote umgesiedelt in andere Einrichtungen. Das Angebot der Familienhilfe wird reduziert, die Dolmetscherbudgets um die Hälfte gekürzt. Erhalten bleiben vorerst die Kulturmittler und auch die Straßensozialarbeiter, die die Bewohner gezielt an Einrichtungen und Vereine in Bergedorf-West oder Neuallermöhe anbinden sollen.

Geld soll an anderer Stelle im Bezirk eingesetzt werden

Petra Petersen-Griem (SPD) kann das Vorgehen des Bezirksamts nachvollziehen: „Es ist klar, dass wenn die Zielgruppe deutlich kleiner wird, auch die Angebote zurückgehen müssen.“ Als positiv bewertet die Sozialdemokratin, dass die finanziellen Mittel durch diese Umsteuerung weiterhin im Bezirk verbleiben. Insgesamt standen 2020 durch einen Finanzierungsmix unter anderem aus Mitteln der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Familienförderung und des Quartiersfonds 970.000 Euro für das Gleisdreieck zur Verfügung.

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Davon soll nun vor allem das Geld für die Jugendarbeit und Familienförderung am Mittleren Landweg eingespart und mit ihm an anderer Stelle im Bezirk entsprechende Einrichtungen gestärkt werden. In diesem Jahr könne die bezirkliche Angebotslandschaft so mit 233.600 Euro gestärkt werden, obwohl die Gesamtmittel um 92.000 Euro gesunken sind, berichtete Jan Smith.

Im Gleisdreieck leben noch rund 1400 Flüchtlinge

Auch die Nachnutzung der freiwerdenden Gebäude wie dem Jugendclub würden nun in die Überlegungen der Sozialplanung und in Gespräche mit den dort tätigen Trägern einbezogen, so Smith. Auch für Vereine oder andere Gruppen aus der Nachbarschaft in Billwerder sei eine Nutzung denkbar, so Smith. Dies müssten dann allerdings auch Miete für die Räume bezahlen. Heribert Krönker (Grüne) verwies darauf, bei der Bedarfsplanung auch unbedingt junge Auszubildende einzubeziehen, die dort bevorzugt eine Chance auf bezahlbaren Wohnraum bekommen sollen.

Derzeit leben im Gleisdreieck noch gut 1400 Flüchtlinge, Ende des Jahres sollen es noch etwa 850 sein. Ende 2022 werden in dem Neubaugebiet nach Prognosen dann insgesamt 1500 Menschen wohnen, darunter etwa 300 Kinder und Jugendliche. Ein Großteil lebt dann in renovierten Wohnungen, die auf dem freien Markt angeboten werden. Die Wohnungen sind mittlerweile in Besitz der städtischen Saga-Unternehmensgruppe. Die ersten Mieter ohne Flüchtlingshintergrund sind im vergangenen Sommer eingezogen. Die Saga-Tochter Hamburger Immobilien-Entwicklungsgesellschaft hat die Bewirtschaftung aller 780 Wohnungen bereits im März 2019 übernommen.