Hamburg. Der Roman von Autorin Nora Luttmer spielt in Tatenberg und Ochsenwerder. Auch ein bekannter Gastwirt taucht darin auf.
Eine junge Frau rennt vom Tatenberger Deich ein steiles Stück den Deich hinunter und über die Wiese zum Wasser. Das hohe Gras kitzelt an ihren nackten Knöcheln. Die Dove-Elbe sah hier mehr wie ein See aus als wie ein Fluss, breit und glatt, mit drei kleinen bewaldeten Inseln in der Mitte. Auf der Wasseroberfläche spiegelten sich die Bäume der Uferböschung. Es kam der jungen Frau so vor, als sei sie meilenweit von der Zivilisation entfernt. Sie liebte diese Einsamkeit. Und sie liebte es, zu schwimmen. Was sie aber nicht wusste, war, dass ein Augenpaar sie bereits dabei beobachtete.
„Im Dunkeln kann es hier ganz schön gruselig sein“
Schon der Einstieg in Nora Luttmers Kriminalroman „Hinterland“ verspricht Spannung. Denn eines wird schnell klar: Die Idylle an der Dove-Elbe kann auch ganz schön mörderisch sein. „Wenn man hier im Dunkeln unterwegs ist, keine Menschenseele weit und breit, dann kann es ganz schön gruselig sein“, sagt die Autorin, die mit ihrer Familie in der Hamburger Neustadt lebt und seit einigen Jahren einen Kleingarten in Tatenberg besitzt.
Das inspirierte sie dazu, ihren neuen Krimi „Hinterland“ dort spielen zu lassen. Der Roman ist nun im Rowohlt Verlag erschienen und auch als Hörbuch vertont worden. „Ich bin sehr begeistert, denn die tiefe Stimme der Sprecherin passt total gut dazu, wie ich mir meine Protagonistin vorstelle“, sagt Nora Luttmer.
Protagonistin Bette Hansen kehrt in ihre Heimat Ochsenwerder zurück
Das ist Bette Hansen, eine etwas burschikose, ziemlich sture Ermittlerin, die aus gesundheitlichen Gründen kürzlich den Polizeidienst quittieren musste. Die 53-Jährige stammt aus Ochsenwerder und kehrte nun nach vielen Jahren in der Stadt zurück in ihr Heimatdorf in das Haus ihrer verstorbenen Eltern.
In einer alten Reetkate an einer kleinen Kopfsteinpflasterstraße genießt sie das ruhige Landleben in ihrem verwilderten Garten mit alten Obstbäumen, bis sie dort plötzlich ein Holzscheit findet. Eingeritzt ist ein Zeichen, das eine eindeutige Verbindung zu ihrem letzten Fall herstellt – und der ist noch immer ungelöst.
Fantasie-Dorf fühlt sich fast real an
Um Ideen für ihren Roman zu finden, spazierte Nora Luttmer durch Ochsenwerder, sprach mit Menschen und ließ sich davon inspirieren. „Dabei habe ich viel über die Gegend gelernt, das war echt toll“, sagt die 47-Jährige. So erschuf sie ein eigenes Ochsenwerder, denn so gut wie alle Gebäude sind erfunden. In Nora Luttmers Vorstellung wurden sie aber so real, dass sich die Autorin sogar kürzlich selbst erschrak, als sie mit dem Fahrrad an der Stelle vorbei radelte, wo sie sich das Haus von Bette Hansen vorgestellt hatte. „Plötzlich war es nicht mehr da“, berichtet Nora Luttmer. Einen kurzen Moment habe sie schon gebraucht, um zu realisieren, dass das Haus ja nur ihrer Fantasie entstammte und dort noch nie gestanden hatte.
Otto Garbs und sein Gasthof tauchen im Roman auf
Auch alle Personen im Roman entstammen ihrer Fantasie – bis auf eine: Otto Garbs. Der Wirt vom Dorferbogen taucht ebenso in der Geschichte auf wie sein Gasthof Neudorf. „Er ist so ein Original. Das kann man sich nicht ausdenken. Da wäre es eine Beleidigung gewesen, ihn nicht zu nennen“, findet Nora Luttmer. Also fragte sie den 83-Jährigen nach seinem Einverständnis – und er gab sein Okay. Auch wenn er mit dem Titel des Romans erst nicht so ganz einverstanden gewesen sei: „Du hältst uns also für Hinterländer“, lautete sein trockener Kommentar, berichtet Nora Luttmer. Das wolle sie aber keineswegs zum Ausdruck bringen, sondern viel mehr verdeutlichen, dass die Geschichte in einem ländlichen Gebiet spielt, das sozusagen „hinter“ der großen Stadt liegt.
Ein zweiter Teil ist bereits in der Entstehung
„Hinterland“ ist der fünfte Krimi der Autorin. In den ersten drei Büchern ermittelte Kommissar Ly in Hanoi, wo auch Nora Luttmer nach ihrem Studium der Südostasienkunde mit Schwerpunkt Vietnam viel Zeit verbrachte. Ihr vierter Thriller spielte bereits in Hamburg, wo die gebürtige Kölnerin seit gut 20 Jahren lebt. Auch in diesem Fall spielte Vietnam noch eine Rolle. Die Geschichte war jedoch nach einem Teil abgeschlossen. Bette Hansens Geschichte in Ochsenwerder wird weitergehen: „Ich schreibe gerade am zweiten Teil“, verrät Nora Luttmer.