Kirchwerder/Bargteheide. Mit dem 13-jährigen Wallach „Lancoon“ startet Elisa Marlene von Hacht beim Deutschen Spring-Derby. Warum ihr Pferd dafür perfekt ist.
Lammfromm lässt sich „Lancoon“ am Sonnabend am Zügel von seiner Reiterin Elisa Marlene von Hacht über die weitläufige Reitanlage am Tannengrund in Bargteheide führen. Gelassen erträgt der 13-jährige Wallach, der nur „Kunibert“ – oder kurz: „Berti“ – gerufen wird, sogar das Posieren für den Fotografen. „,Berti’ ist sehr, sehr lieb, lässt sich sogar von jedem Reitkind führen“, schwärmt die 20-Jährige von Hacht, die zum Hamburger U21-Kader im Springreiten gehört. „Aber wenn man draufsitzt, legt er innerlich einen Schalter um. Dann ist er voller Energie und will nur noch galoppieren.“
Nur wenige Stunden nach dem Fototermin ist es beim Grand Central Speed Derby in Bremen-Oberneuland wieder einmal Zeit für diesen Schalter. Der riesige Wallach mit seiner gewaltigen Galoppade tobt los. Doch Profi-Reiterin von Hacht kann damit umgehen. „Mit der nötigen Körperspannung bleibt man der Chef auf dem Pferd“, erläutert sie. Beim Zeitspringen der Klasse S** geht es über Hindernisse von bis zu 1,45 Metern Höhe. In dem internationalen Feld mit Startern aus Deutschland, Irland und Argentinien bleiben 13 Reiterinnen und Reiter mit ihren Pferden fehlerfrei. Doch niemand absolviert dabei den Parcours so schnell wie das Paar vom Reit- und Fahrverein Vierlanden. In 78,5 Sekunden trägt „Lancoon“ seine Reiterin zum Sieg. Für von Hacht bedeutet das nicht nur 600 Euro Siegprämie, sondern es ist vor allem auch eine gelungene Generalprobe für die sehr viel größeren Aufgaben, die in dieser Woche noch kommen.
Spring-Derby: 17 Hindernisse mit 24 Sprüngen, die bis zu 1,55 Meter hoch sind
Denn zum ersten Mal in ihrer Karriere ist die 20-Jährige für den Hauptwettbewerb beim Deutschen Spring- und Dressur-Derby 2022 zugelassen. In Nachwuchs-Wettbewerben war die Vierländerin schon mal auf der legendären Anlage in Klein-Flottbek am Start und hat 2018 dort sogar gewonnen, doch im Kreis der Weltelite ist es die Premiere. Am Mittwoch gibt es die 1. Qualifikation (13.30 Uhr/Sprunghöhe 1,45 Meter), am Freitag folgt dann mit dem Preis der Deutschen Kreditbank die 2. Qualifikation (13.15 Uhr/Sprunghöhe 1,50 Meter/Live im NDR-Fernsehen). Sollte Elisa Marlene von Hacht auf „Lancoon“ erfolgreich beide Wettbewerbe überstehen, dann wartet auf sie am Sonntag, die größte Herausforderung, die das internationale Springreiten zu bieten hat: das Deutsche Spring-Derby.
Denn der Parcours, der da am Sonntag ab 14 Uhr (Live im NDR und ZDF) geritten wird, gilt als der schwerste der Welt: Auf einer Streckenlänge von 1250 Metern warten 17 Hindernisse mit 24 Sprüngen, die bis zu 1,55 Meter hoch sind. „Nach der Runde werde ich ein Sauerstoffzelt brauchen“, schmunzelt von Hacht. Auf einer Anlage in Norddeutschland („Wo genau, das ist geheim“) hat sie einige der Hindernisse schon ausprobieren können, die dort originalgetreu nachgebaut sind. Darunter auch den Albtraum vieler Teilnehmer: den Wall. Oben auf dem Hügel ist zunächst ein 1,40-Meter-Sprung zu bewältigen. Dann geht es drei Meter bergab, bevor oft sofort ein weiterer Steilsprung folgt. Eine Mutprobe für Reiter und Pferd!
Doch wie bringt man seinem vierbeinigen Gefährten so etwas Verrücktes bei? „Man reitet bis an die Kante und lässt das Pferd erst einmal ganz entspannt hinunter gucken“, erläutert von Hacht. „Erst dann geht es los. Wenn das Pferd eine gute Einstellung und Vertrauen zu seinem Reiter hat, dann macht es das auch.“
Der Erbauer des Parcours hat ihn selbst nie geschafft
So wie „Lancoon“. Seit sechs Jahren reitet Elisa Marlene von Hacht ihren „Berti“ schon, weiß genau, wie sie ihn nehmen muss. Beide sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Und das ewig vorwärtsdrängende Temperament des großen Braunen sei gerade bei solchen Herausforderungen ein riesiger Vorteil. Sensibelchen seien in Klein-Flottbek nicht gefragt. Oder wie von Hacht es ausdrückt: „Das Derby ist perfekt für stumpfe Pferde, die sich keinen Kopf machen.“
Das zeigte sich im Training dann auch am Nachbau eines anderen berühmten Hindernisses: „Pulvermanns Grab“. Das ist eine 15 Meter lange Senke, die sich zudem noch verengt, was manche Pferde irritiert. Eingangs und ausgangs der Senke steht ein Rick, in der Mitte gibt es einen Wassergraben. Die Abstände sind schwierig. Nicht ein einziges Mal schaffte es der Erbauer und Derby-Initiator Eduard Pulvermann (1882-1944) fehlerfrei hier durch. „,Lancoon’ hingegen hatte es in zwei Minuten drauf“, schildert von Hacht stolz.
Trotzdem wäre schon das Erreichen des Final-Sonntags für das Newcomer-Paar ein riesiger Erfolg. „Die anderen haben halt sehr viel mehr Erfahrung“, ist sie sich bewusst. Für die 20-Jährige, die sich seit dem Abitur 2020 an der Stadtteilschule Kirchwerder ganz auf den Reitsport konzentriert, ist das Derby auch ein Gradmesser dafür, inwieweit eine Profi-Karriere für die Zukunft trägt. Ihre Mutter Manuela von Hacht, die sie sowohl tatkräftig als auch finanziell unterstützt, wird alles wie gewohnt von der Tribüne aus verfolgen. Und weiß dabei, dass sie sich auf „Lancoon“ verlassen kann, seien die Hindernisse auch noch so hoch und spektakulär. „Bei ihm mache ich mir nie Sorgen“, betont Manuela von Hacht. „Er bringt sie immer sicher nach Hause.“