Hamburg. Autorin Nora Luttmer lässt wieder Kommissarin Bette Hansen ermitteln. Ihr zweiter Roman erscheint am 22. März im Rowohlt Verlag-

Die Norder­elbe zieht wie ein dunkles Band vorbei. Alte Weiden und wilde Brombeeren wuchern an dem düsteren Uferabschnitt. Nur wenige Zentimeter trennen hier die Deichkuppe von der blauen Autobahnbrücke. Sprayer haben sich an der Stahlkonstruktion mit vielen Tags verewigt. Der Verkehr von Autos und schweren Lastwagen, die mit hohem Tempo über die A1 rauschen, hallt mit einem Donnern unter der Brücke wider, in deren Schatten Sandsäcke in einem Depot hinter einem Drahtzaun gestapelt liegen. „Ein unheimlicher Ort“, findet Nora Luttmer.

Auf dem Weg von ihrer Wohnung in der Hamburger Neustadt kommt die Autorin hier häufig mit dem Fahrrad vorbei, wenn sie über Kalte­hofe und Moorfleeter Hauptdeich in Richtung ihres Kleingartens in Tatenberg fährt. Dabei lässt sie stets die Umgebung auf sich wirken. Und dieser Ort hat dabei besonders viel Eindruck bei der 48-Jährigen hinterlassen. „Ich würde es nicht mögen, wenn meine Kinder sich hier rumtreiben würden“, sagt Nora Luttmer, selbst zweifache Mutter.

Autorin Nora Luttmer gibt dem „Tiefergrund“ eine zentrale Rolle

In ihrem neuen Roman, dem zweiten Fall für Ermittlerin Bette Hansen aus Ochsenwerder, spielt der „Tiefergrund“ eine zentrale Rolle. In der Geschichte haben Kinder und Jugendliche aus der Nachbarschaft dem „Tiefergrund“ seinen Namen gegeben. Für sie war es der „Ort der Mutproben“. Es hieß, der Nachtwächter des angrenzenden Betriebsgebäudes, ein Mann mit knautschigem Gesicht, steifem Bein und der mehrmals gebrochenen Nase eines Boxers, würde sich in ein kinderfressendes Ungeheuer verwandeln, sobald es dämmerte.

Der „Tiefergrund“: Am Übergang vom Moorfleeter zum Kaltehofe Hauptdeich führt die Norderelbbrücke der A1 unmittelbar über den Deich und den schmalen Weg, der vor allem von Radfahrern gern genutzt wird.
Der „Tiefergrund“: Am Übergang vom Moorfleeter zum Kaltehofe Hauptdeich führt die Norderelbbrücke der A1 unmittelbar über den Deich und den schmalen Weg, der vor allem von Radfahrern gern genutzt wird. © BGZ/Diekmann | Lena Diekmann

Nun wird eine junge Frau vermisst. Und ausgerechnet am „Tiefergrund“ wurde sie das letzte Mal gesehen. Die Vermisste ist aber nicht nur die Tochter einer alten Freundin. Der Fall reißt bei Bette Hansen auch alte Wunden auf. Denn es scheint eine Verbindung zu einem Mord im Jahr 1986 zu geben. Damals wurde ein Teenager getötet – Anna war eine Freundin von Bette. Ihre Leiche wurde am „Tiefergrund“ gefunden. Bette Hansen kann nicht anders und fängt an, unter der Hand zu ermitteln.

Krimi wird aus vier verschiedenen Perspektiven erzählt

Denn aus dem Polizeidienst musste die 53-Jährige unfreiwillig ausscheiden, nachdem Narkolepsie bei ihr diagnostiziert wurde. Immer wieder wird die ehemalige Kommissarin von Schlafattacken heimgesucht. Die etwas burschikose und ziemlich sture Frau zog zurück in ihr Heimatdorf Ochsenwerder, in das Haus ihrer verstorbenen Eltern. In der alten Reetkate an einer kleinen Kopfsteinpflasterstraße hat sie sich mittlerweile ganz gut eingelebt.

Nachdem Bette Hansen im ersten Fall „Hinterland“ im heißen Sommer auf die Spur des „Muschelmörders“ ging, spielt „Tiefergrund“ nun im sturmtiefgeplagten Herbst. Erzählt wird der Krimi aus vier verschiedenen Perspektiven. So erfährt der Leser nicht nur die Sicht von Ermittlerin Bette Hansen, sondern auch von zwei jungen Mädchen und Daniel, der auf einem Hausboot an der Dove-Elbe wohnt. Er wurde 1986 gemeinsam mit Anna entführt – im Gegensatz zu ihr überlebte er. „Viele Jahre später kommt es nun zu Zweifeln und falschen Verdächtigungen“, verrät Nora Luttmer, die der Veröffentlichung ihres neuen Romans nun gelassen entgegenblickt. Schließlich ist sie gedanklich schon wieder voll und ganz beim nächsten Projekt: dem dritten Fall für Bette Hansen.