Neuengamme. Der Neuengammer stirbt im Alter von 69 Jahren. Vereine und Stammgäste fürchten um die Zukunft der Gaststätte Kücken’s Gasthof.

Hans-Dirk Hahn war leidenschaftlicher Landwirt. „Treckerfahren empfand er als Urlaub“, sagt seine Tochter Cornelia Hansen (46). Auch in seiner Kneipe, Kücken’s Gasthof am Neuengammer Hinterdeich 54, arbeitete der Neuengammer gern. „Er war gesellig und sehr beliebt. Viele der Gäste waren seit Jahrzehnten mit ihm befreundet“, sagt Angestellte Kerstin von Deyn (55) und fügt hinzu: „Auch ehemalige Mitarbeiter kamen gern zu Besuch, um sich zu unterhalten oder ,Hahni’ um Rat zu fragen. Er war immer für einen da.“ „Hahni“ war schon zur Schulzeit Hans-Dirk Hahns Spitzname. Nun ist der beliebte Bauer und Kneipenwirt tot. Er starb am 9. Juni mit 69 Jahren an Herzversagen. Hahn hatte schon lange Herzprobleme, schien sie aber im Griff zu haben, verrät Cornelia Hansen. „Sein Tod kam überraschend.“

Wie es nun mit dem Gasthaus weitergeht, ist unklar. Vorerst ist es geschlossen. Das stellt sechs Vereine und Institutionen vor ein Problem, denn Kücken’s Gasthof – seit Jahrzehnten die einzige Kneipe in Neuengamme – ist seit langer Zeit ihr Stammlokal. Dort treffen sich sonst wöchentlich oder monatlich der Geflügelzuchtverein Vierlandria, der Sparclub Emsig, die Freiwillige Feuerwehr Neuengamme und deren Musikzug, der Gesangverein Cantus-Eintracht und der Pfeifenclub Gemütlichkeit. Letzterer versammelt sich seit seiner Gründung vor 130 Jahren in dem Gasthaus, das Hahns Familie bereits im 19. Jahrhundert eröffnete.

Zukunft von Kücken’s Gasthof ist „völlig offen“

Doch ob die Kultkneipe jemals wieder öffnen wird, ist fraglich: „Der Nachlass meines Vaters muss erst noch geregelt werden. Es gibt Ideen, aber noch ist alles völlig offen“, sagt Cornelia Hansen. Wie es weitergeht, werde sich „in den kommenden Monaten klären“.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entstand nur einige Meter von der kleinen Gaststätte entfernt das Club- und Ballhaus oder auch „die Baracke“, wie das Holzhaus manchmal scherzhaft genannt wird. Dort trafen sich die Vereine, wurden etliche große Familientreffen, runde Geburtstage und Polterabende gefeiert. „Vor 20, 30 Jahren gab es dort mehrere große Feiern pro Woche“, erinnert sich Kerstin von Deyn. Die Gebäude gehören Hahns Familie, das Grundstück und auch die Felder sind gepachtet.

Über fast jeden Gast bestens Bescheid gewusst

Neben den Vereinen lockte Kücken’s Gasthof auch zahlreiche andere Gäste, die sich fast alle kannten: In der knapp 30 Sitzplätze zählenden Kneipe sei – zumindest vor Beginn der Pandemie – stets viel los gewesen, berichtet Kerstin von Deyn, die dort schon als junge Frau im Service arbeitete und später Hahns einzige Angestellte war. An sechs Tagen in der Woche amüsierten sich dort vor allem „Stammgäste aus dem Umland“, aber auch Radfahrer, die eine Pause einlegten.

Kücken's Gasthof am Neuengammer Hinterdeich 54 ist vorerst geschlossen. Ob die Gaststätte wieder öffnet, ist unklar.
Kücken's Gasthof am Neuengammer Hinterdeich 54 ist vorerst geschlossen. Ob die Gaststätte wieder öffnet, ist unklar. © BGZ/Diekmann | Lena Diekmann

„Hier herrschte eine sehr familiäre Atmosphäre. Viele hatten ihren Stammplatz“, sagt Kerstin von Deyn. Sie und „Hahni“ hätten stets gewusst, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit wer auftaucht, berichtet sie lächelnd. An manchen Feiertagen, etwa Vatertag 2019, „gab es kein Durchkommen“. Ihr Chef, der auch Plattdeutsch beherrschte, habe über fast jeden Gast bestens Bescheid gewusst, kannte auch dessen Familie, betont die 55-Jährige.

Alles spielte sich am Neuengammer Hinterdeich ab, wo die Familie lebte und arbeitete

„Hahni“ sei gesellig und beliebt gewesen, mehr noch: „Er war ein Entertainer, er war wie ein Magnet, der stets Menschen um sich scharte“, sagt Kerstin von Deyn. „Um ihn herum war immer was los.“ Zu später Stunde habe er auch mal am Tisch seiner Gäste gesessen und selbst ein Bier getrunken.

„Hahni“ übernahm den Gasthof Anfang der 1980er-Jahre von seinen Eltern. Bereits einige Jahre zuvor war der gelernte Landwirt in den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern eingestiegen. Alles spielte sich am Neuengammer Hinterdeich ab, wo die Familie Hahn lebte und arbeitete. Seine Mutter starb 1992, vier Jahre darauf sein Vater. „Hahni“ war seit mehr als 40 Jahren geschieden. Neben Cornelia Hansen hinterlässt er auch Tochter Maike Rühle (43) und fünf Enkelkinder (vier bis 16).

Hans-Dirk Hahn wurde gelegentlich mit Horst Hrubesch verwechselt

„Sein Haupteinkommen bescherte ihm die Gastwirtschaft, aber sein Herz hing auch an der Landwirtschaft“, sagt Cornelia Hansen. Ihr Vater züchtete im Laufe der Jahrzehnte Hühner, Schweine und Kühe, baute Grünland, Getreide und Mais an, besaß stets zwei bis drei Traktoren, darunter seinen geliebten, 1983 gebauten Hanomag-Brillant-600-Oldtimer, den er bis zuletzt für die Arbeit nutzte.

„Die Arbeit war sein Hobby“, sagt Hahns Schwester Dörte Behncken (61) aus Curslack. Er habe selten Urlaub gemacht, höchstens Kurztrips mit Freunden. Als junger Mann war ihr Bruder in die FF Neuengamme eingetreten, im Spielverein Curslack-Neuengamme trat er gegen das runde Leder. „Später schaute er gern Fußball im Fernsehen“, sagt Dörte Behncken. Der HSV-Fan sei früher gelegentlich mit „Kopfballungeheuer“ Horst Hrubesch verwechselt worden, dem er ähnlich sah. „Dann musste er Autogramme geben“, sagt Hahns Schwester.

Hans-Dirk Hahn von Kücken’s Gasthof: Angehörigen rechnen bei Trauerfeier mit 300 Gästen

Die Trauerfeier ist am Donnerstag, 23. Juni, 13 Uhr, in der Kirche St. Johannis an der Feldstegel 18. Anschließend wird „Hahni“ auf dem Neuengammer Friedhof beigesetzt. Seine Angehörigen rechnen mit bis zu 300 Gästen. Denn zahlreiche Vereine und Institutionen werden vertreten sein, darunter vor allem die, deren Vereinslokal Kücken’s Gasthof war. Der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Neuengamme wird spielen und der Chor Cantus-Eintracht singen. Diverse Vereinsrepräsentanten, etwa vom Pfeifenclub Gemütlichkeit, werden in Reden an den Wirt erinnern.