Hamburg. Auf kleinen Grundstücken musste bislang keine Papiertonne aufgestellt werden. Nun überprüft die Stadtreinigung alle 21.000 Befreiungen.
Anfang März flatterte der „Stellbescheid“ der Stadtreinigung Hamburg (SRH) in den Briefkasten von Barbara und Dieter Grenzing in Neuallermöhe. Mehr als zehn Jahre lang waren sie von der Pflicht befreit, auf ihrem kleinen Reihenhausgrundstück eine Blaue Tonne für Altpapier aufzustellen. Doch nun soll das plötzlich nicht mehr gelten, das Hamburger Entsorgungsunternehmen ordnete die gesetzmäßige Aufstellung der gebührenfreien Altpapiertonne an.
Gleich im Jahr 2011, bei der Einführung der Blauen Tonne, hatte das Ehepaar wegen Platzmangels einen Antrag auf Befreiung gestellt. Der wurde damals anstandslos genehmigt. „Seitdem ist unser Grundstück aber keinen Quadratmeter größer geworden“ sagt Barbara Grenzing. „Wieso soll hier plötzlich mehr Platz sein?“
Stadtreinigung Hamburg überprüft alle Befreiungen von der Blauen Tonne
Die Grenzings sind nicht die einzigen in der Hausreihe. Nicht weniger als sechs Nachbarn stellten 2011 erfolgreich den Befreiungsantrag und erhielten jetzt doch den Stellbescheid. Wenige andere nutzen schon längst die Blaue Tonne. „Die haben aber kein Auto und können den Behälter auf ihrem Stellplatz unterbringen“, erklärt Dieter Grenzing. „Wir aber brauchen den Stellplatz zum Parken.“
Nachbar Klaus Bruhn hat Widerspruch gegen den Stellbescheid der SRH eingelegt. „Zwingen können Sie uns ja wohl nicht, die Blaue Tonne zu benutzen, auch wenn wir verpflichtet werden, sie aufzustellen, hat meiner Frau denen geschrieben“, schildert er. Auch Barbara und Dieter Grenzing legten Widerspruch ein – mit dem Hinweis, dass sie ihr Altpapier seit Jahrzehnten verlässlich in den keine 100 Meter entfernten Sammelcontainer werfen.
Alle Befreiungsanträge wurden 2011 ungeprüft genehmigt
Die SRH-Verwaltungsmitarbeiter beeindruckte das eher wenig. Sie erwiderten, die öffentlichen Depotcontainer und die Recyclinghöfe seien nicht für die regelhafte private Entsorgung von Altpapier vorgesehen, sondern sollten der Entsorgung von „Spitzenanfällen“ und großen Mengen Altpapier dienen. Beiden Haushalten kündigte das Hamburger Unternehmen Justiziar-Kosten an, sofern sie ihren Widerspruch aufrechterhalten.
„Wir haben damals im Jahr 2011 alle Befreiungsanträge ungeprüft genehmigt“, erklärt SRH-Sprecher Andrée Möller auf Anfrage. „Das holen wir jetzt sukzessive, aber vollständig nach und schauen uns jedes Hausgrundstück in Hamburg an.“ Für rund 21.000 Grundstücke in der Hansestadt seien Befreiungen erteilt worden, im südlichen Bezirk Bergedorf starteten die Prüfer im Februar mit ihren Kontrollen.
Bislang 430 Stellbescheide erteilt, zahlreiche weitere könnten folgen
„Bisher haben wir in etwa 430 Fällen einen Stellbescheid erteilt, die Befreiung also aufgehoben. Aber wir sind im Bezirk Bergedorf noch längst nicht durch, haben dort jetzt 2300 Grundstücke kontrolliert.“ Will sagen: Weiteren Hausbesitzern im Bezirk könnte die Blaue Tonne in den nächsten Wochen aufgedrückt werden.
Was Barbara Grenzing besonders ärgert: „Die Leute von der Stadtreinigung reden nicht mit uns, machen alles nur schriftlich. Von der Kontrolle haben wir nichts gemerkt, niemand hat sich bei uns angemeldet. Wir könnten die Sache doch besprechen. Aber als ich dort anrief, hat die Mitarbeiterin einfach aufgelegt.“
Um Kosten zu vermeiden, werden beide Haushalt ihren Widerspruch nun wohl zurücknehmen. Dieter Grenzing: „Das bedeutet aber nicht, dass wir die Blaue Tonne dann auch benutzen. Wir können sie doch auf unseren Dachboden packen und unser Altpapier weiter zum Container fahren. Das kann uns niemand verbieten.“