Hamburg. Gisela Harder (87) floh 1945 aus dem damaligen Mohrungen. Bis heute engagiert sie sich für ihre damalige ostpreußische Heimat.
Gisela und Manfred Harder mit ihrem Harderhof in Moorfleet sind nicht nur den Vier- und Marschländern ein Begriff, sondern ihre Prominenz reicht über das ehemalige Ostpreußen im heutigen Polen bis in die USA. Gisela Harder (87) soll nun zur Ehrenbürgerin in ihrer ostpreußischen Heimat ernannt werden.
Gisela Harder wurde in Mohrungen, dem heutigen Morag, geboren und floh wie so viele andere auch mit ihrer Familie im Januar 1945 in Richtung Kiel. Mit Pferd und Wagen fuhr die Mutter mit Gisela Harder und ihren zwei Geschwistern sowie den Großeltern, die erst kurz zuvor aus dem ausgebombten Kiel nach Mohrungen zu Tochter und Schwiegersohn gezogen waren. Nun ging es wieder zurück. In Kappeln an der Schlei fand die Familie ein neues Zuhause, aber Gisela Harder hielt es nicht allzu lange in der neuen Heimat.
Gisela Harder hat in Amerika den ersten Ehemann kennengelernt
Bereits 1951 ging es auf eine Farm nach Oklahoma zu ihrem Onkel in Seattle/Washington, das hatte der in den USA lebende Onkel eingefädelt. Dort, in den Vereinigten Staaten, machte sie Abitur. „Danach habe ich bei der Lufthansa gearbeitet, schließlich sprach ich perfekt Englisch“, erinnert sich Gisela Harder.
In Amerika lernte sie ihren ersten Mann kennen, heiratete ihn und ging mit ihm 1963 zurück nach Deutschland, nach Bergedorf. „Ich hatte anfangs Heimweh, fühlte mich nicht wohl in Deutschland.“ Einige Jahre später lernte sie durch Zufall ihren jetzigen Mann Manfred Harder (82) kennen. Das Paar zog zusammen und heiratete 1998.
1991 gründete Gisela Harder den Mohrunger Herder-Verein
25 Jahre pendelte Gisela Harder zwischen Hamburg und Neumünster, arbeitete beim Trakehnerverband, besuchte weltweit Hengst- und Fohlenschauen. Zu dieser Zeit war sie schon seit vielen Jahren engagiert in der Landsmannschaft Ostpreußen. „Im Juni 1991 wurde der polnische Nachbarschaftsvertrag geschlossen und ich gründete 1991 den Mohrunger Herder-Verein.“ Johann Gottfried Herder wurde am 1744 in Mohrungen geboren und starb 1803 in Weimar. Im Dohna-Schloss wurde das Herder-Museum eingerichtet: „Dort gibt es noch immer Ausstellungen mit deutschen Künstlern“, sagt Gisela Harder.
Natürlich habe es in dem schönen Städtchen diverse Hinweisschilder auf das Leben des Dichters und Denkers Herder gegeben, berichtet die 87-Jährige, jedoch nur in polnischer Sprache. Die engagierte Ostpreußin nahm es in die Hand und ließ weitere Schilder aufstellen, in deutscher Sprache. Viele weitere Geschichten aus ihrer Heimat weiß die umtriebige Frau zu erzählen.
„Thorner Kathrinchen“ backt Gisela Harder und spendet den Verkaufserlös
Mindestens einmal im Jahr reist sie mit ihrem Mann nach Polen, meist mit Ideen für neue Projekte. Nachdem sie etwa bei einem Erdbeerfest auf dem Gelände des Rieck-Hauses den Kantapfelbaum eines Obstbauern aus Niebüll entdeckte, brachte sie drei Bäumchen in den Kreis Morag. Auch eine besondere Rose, die sie im Herdergarten in Weimar entdeckte, blüht nun vor dem Herdermuseum.
Gisela Harder kümmerte sich um eine Johanniter-Pflegestation und auch um die sogenannte Bruderhilfe, die der deutschen Minderheit im ehemaligen Ostpreußen jährlich einen Bonus als Unterstützung zahlte. Sie engagiert sich für die Pflege des ostpreußischen Brauchtums in Polen und Deutschland. Als Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen in Bergedorf sammelte sie Exponate für das Ostpreußen-Museum in Lüneburg und verkaufte dort auf dem Weihnachtsmarkt traditionelle Kekse.
Den Erlös aus dem Verkauf der „Thorner Kathrinchen“ spendete sie dem Herder-Verein. Dorthin gingen auch knapp 1300 Euro (1400 US-Dollar), die Gisela Herder mit einem Schreiben des amerikanischen Präsidenten Biden für ihre Verdienste um das Wohl amerikanischen Staatsbürger in Deutschland während der Corona-Zeit erhielt. „Ich habe dafür gesorgt, dass US-Amerikaner hier Impftermine bekamen, weil viele von denen kaum Deutsch sprechen.“
Wenn sie sich engagiert, lebt Gisela Harder auf
Als hamburgische und schleswig-holsteinische Landesvorsitzende der Gruppe „Frauen für Ostpreußen“ erhielt Gisela Harder eine Ehrenmedaille in Silber und Gold für ihre Verdienste. Nun soll sie während einer Feierstunde anlässlich des Geburtstages von Johann Gottfried Herder in Morag sowie dem 30-jährigen Bestehen des Vereins im August zur Ehrenbürgerin von Mohrungen/Morag ernannt werden. Natürlich ist die Seniorin stolz auf die verdiente Anerkennung ihrer jahrzehntelangen Bemühungen. Aber sie brauche diese Aktivitäten auch, fühle sich erst so richtig lebendig, wenn sie sich für etwas einsetzen kann. Sie liebe die alte Heimat Ostpreußen, deren Traditionen und Brauchtümer, auch wenn das einstige Familiengut in Mohrungen längst ein polnisches Staatsgut ist.
Gisela Harder erinnere sich noch gut an die Osterfeste in Ostpreußen: „Am Tag zuvor wurde immer der Park geharkt und eine Strohpuppe gebunden, die dann lichterloh verbrannt wurde. Damit wurde sinngemäß der Winter verbrannt.“
Inzwischen haben sich Gisela und Manfred Harder von der Führung des Hofes sowie der Zucht der überaus erfolgreichen und weltweit nachgefragten Trakehner zurückgezogen. Tochter Regina Petersen lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern ebenfalls auf dem Hof. Unter dem Motto „Pferde stärken Menschen“ organisiert die Tochter dort Kinderfeste, bietet sie Coaching und Erlebnispädagogik an.