Hamburg. Bedeutende Bergedorfer sind in Lohbrügge begraben. Friedhofsgärtner aus Ohlsdorf: “Dieser Ort ist ein geschichtsträchtiges Juwel.“
Stefan Polke aus Börnsen ist Friedhofsgärtner mit Leib und Seele. Sein Arbeitsleben verbringt der 53-Jährige auf Europas größtem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf. Aber das reicht ihm nicht: Einmal im Monat schwingt er auch sonntags für ein paar Stunden Harke und Heckenschere – in der ehrenamtlichen Gärtnergruppe für den Landschaftspark. Zu einem solchen wurde der alte Lohbrügger Friedhof vor genau 25 Jahren umgewandelt. Denn 75 Jahre nach seiner Entstehung wurde der 2,1 Hektar große Friedhof nicht mehr belegt und kann heute als öffentliche Grünanlage besucht werden.
„Aus diesem lokalhistorischen Kleinod müsste man viel mehr machen“, meint Polke, der auf vielen, meist verwitterten Gräbern Namen gefunden hat, die auf umliegenden Straßenschildern stehen – dazu zählen etwa Maikstraße und Brüdtweg, Harders Kamp, Soltaustraße oder Suhrhof: „Es haben eine Reihe bedeutender Persönlichkeiten hier ihre letzte Ruhe gefunden.“
Ludwig Marnitz predigte zunächst im Saal des Gasthauses „Schwarzer Walfisch“
Kaum noch lesbar sind die Inschriften auf den Grabsteinen der Familie Marnitz. Dabei haben der alte Friedhof und auch die neogotische Erlöserkirche, deren Grundstein vor genau 125 Jahren gelegt wurde, dem engagierten Pastor Ludwig Marnitz ihre Existenz zu verdanken.
Zur Historie: 1894 wurde das Dorf Sande, das zuvor wie Lohbrügge und Boberg über 600 Jahre zur Pfarrkirche in Steinbek gehört hatte, eine selbstständige Kirchengemeinde. Bereits 1892 hatte Marnitz als Hilfsgeistlicher die kirchliche Betreuung Sande-Lohbrügges übernommen, 1895 wurde er Pastor in der Kirchengemeinde Sande. Bloß eine Kirche gab es nicht, daher predigte Ludwig Marnitz zunächst im Saal des Gasthauses „Schwarzer Walfisch“.
Kirchenbaumeister Hugo Groothoff (1851–1918) wurde mit den Arbeiten betraut
Als am Himmelfahrtstag 1892 ein großer Teil der Tannen abbrannten und damit ein großes Terrain freimachten, setzte der Pastor hier den Bau von Gotteshaus und Friedhof durch. Zwischen 1893 und 1897 unterstützte die Bevölkerung und vor allem der Fabrikbesitzer Wilhelm Bergner das Bauvorhaben großzügig. Es kamen über 80.000 Mark an Spenden zusammen. Die örtlichen Ziegeleibetriebe steuerten 130.000 Ziegel bei. Der aus Hamburg stammende Kirchenbaumeister Hugo Groothoff (1851–1918) wurde mit den Arbeiten betraut.
Schließlich konnte die Saalkirche mit ihrem 52 Meter hohen Glockenturm am 19. März 1899 geweiht werden. Mit dabei: Agnes Bergner, die die eindrucksvollen Fenster gestiftet hat, angefertigt vom Münchner Königlich Bayerischen Hofglasmaler Carl de Bouché (1845–1920).
Wilhelm Bergner gründete für seine Arbeiter eine eigene Krankenkasse
Und so steht im Zentrum des alten Friedhofs ein prächtiges Mausoleum, das der Mäzen und Eisenwerksfabrikant Wilhelm Bergner für sich errichten ließ. Bereits im Jahr 1900 wurde es fertiggestellt, fünf Jahre vor Bergners Tod. Und zweifellos hat er ein solches Gedenken verdient – nicht nur, weil er für Kirchenbau, Pastorat und Friedhof spendete. Für die Arbeiter seines Eisenwerks gründete er eine eigene Krankenkasse, eine betriebliche Sparkasse und ließ ihnen Wohnungen errichten – der Beginn der heutigen Baugenossenschaft Bergedorf-Bille.
All das aber lässt sich nicht mehr auf den Infotafeln beim Mausoleum lesen. „Der Text ist verwittert und verwaschen, also absolut unleserlich geworden. Warum lässt der Bezirk diese Anlage einfach so verrotten?“, ärgert sich Gärtner Stefan Polke, der sich auch zu weiteren Persönlichkeiten Info-Tafeln wünschen würde. Zudem: „Dieser Ort ist ein geschichtsträchtiges Juwel – und bitte kein Hundeklo.“
Einige zerstörte Grabsteine wurden entfernt und andere gesichert
Vor zwei Jahren gründete Anwohnerin Annette Grizivatz die Gärtner-Initiative, die zumindest die gröbsten gärtnerischen Versäumnisse aufholt: „Wir sammeln Müll, jäten Unkraut, schneiden Grabsteine von Efeu frei“, sagt sie – und freut sich: „Inzwischen hat auch das Bezirksamt den Wert des kleinen Parks anerkannt und Mittel zur Verfügung gestellt. So wurden einige zerstörte Grabsteine entfernt und andere gesichert. Und die Dornenwüste hinter dem Mausoleum soll nun endlich im Herbst dieses Jahres verschwinden.“