Lohbrügge. Russland, Ukraine oder Kasachstan: Beim Theater ohne Grenzen ist die Herkunft zweitrangig. Wie die jungen Mimen zurechtkommen.

Das Bühnenbild wird gerade aufgebaut, einige Kinder essen Zitronenkuchen, mitten durch den Raum wackelt ein kleiner Hund: In schillernd bunten Kostümen rennen die Schauspielenden des Ensembles Theater ohne Grenzen durchs Haus Brügge. Alle zwei Wochen probt die 32-köpfige Theatergruppe in dem Kulturzentrum – momentan für ihr neues Stück „Einfach nur Märchen“. Als internationales Projekt hat das Team eine Besonderheit: Hier spielen vor allem Menschen mit Wurzeln in osteuropäischen Ländern, insbesondere aus Russland, aber auch aus der Ukraine, Kasachstan, Lettland und Moldawien. Als die Gruppe vor mehr als 15 Jahren zusammengefunden hat, konnte niemand wissen, dass heute ein russischer Angriffskrieg in der Ukraine wüten würde.

Beim Theater ohne Grenzen wird über den Krieg in der Ukraine bewusst geschwiegen

Wie hat sich die Zusammenarbeit verändert – jetzt, wo die Heimatländer einiger Teilnehmenden sich bekriegen? Wo die Meinungen zur dortigen Politik sicherlich auseinandergehen? Man könnte meinen, die Gruppe habe sich dadurch entzweit oder sei noch mehr zusammengewachsen. Doch sowohl die leitende Regisseurin Rimma Chibaeva als auch die Schauspielenden betonen. „Die Atmosphäre ist genau wie vor dem Krieg. Das hat für unsere Gruppendynamik nicht verändert.“ Denn trotz des russischen Angriffs werden Krieg und Politik hier nicht thematisiert. Das sei eine der grundlegenden Regeln in ihren Theaterprojekten, so Chibaeva.

Projektleiterin will Kommunizieren und Respekt vermitteln

Vor fast 25 Jahren ist die 62-Jährige aus Russland nach Deutschland gekommen. Ihr Mann ist in der Ukraine aufgewachsen. Die Projektleiterin ist der Meinung: „Über Politik kann man an so vielen anderen Orten diskutieren und streiten. Wir wollen uns hier aufs Schauspiel konzentrieren und wie wir daran wachsen können“, so die Projektleiterin. Sie versuche den Menschen durch ihre Projekte Geduld, richtiges Kommunizieren und Respekt beizubringen. Dabei sei es egal, welche Herkunft, Religion oder politische Meinung jemand habe. „Hier sind wir alle einfach nur Schauspieler.“ Wenn alles nach Plan verlaufe, könnten bald auch einige Geflüchtete aus der Ukraine bei den Projekten mitmachen.

Olga Hermann (44) aus Russland spielt schon seit vielen Jahren in dem Freizeitensemble. Genau wie die anderen Schauspielenden äußert sie sich zu diesem Thema sehr bedacht. „Natürlich waren wir alle geschockt, als der Krieg begonnen hat“, sagt sie. Aber es habe keine Spannungen gegeben. „Wir kennen uns auch alle schon so lange und können politisches Geschehen von den Menschen trennen“, sagt sie. Auch vor den Kindern würden viele ungern über diese Themen sprechen – und von vier bis 77 Jahren sei bei diesem Theater alles dabei.

Das Theaterstück „Einfach nur Märchen“ ist einiges mehr

In ihrem gesellschaftskritischen Stück „Einfach nur Märchen“ thematisiert die Gruppe jedoch Problematiken wie Umweltverschmutzung und das Streben nach Schönheitsidealen – als Basis dient dafür die Geschichte von Schneewittchen und den sieben Zwergen. „Es wird lustig und auf jeden Fall sehr bunt“, versichert Rimma Chibaeva. Finanziert wird das Projekt von der Bürgerstiftung Hamburg. Die Gruppe führt das Stück am Donnerstag, 9. Juni, um 19 Uhr in der Lola (Lohbrügger Landstraße 8) und bei den Bergedorfer Jugendtheatertagen am Sonnabend, 18. Juni, um 17 Uhr im Haus im Park (Gräpelweg 8) auf. Karten kosten je 5 beziehungsweise 6 Euro (ermäßigt 3 Euro). Sie können an der Abendkasse, per E-Mail an bruegge@sprungbrett-bergedorf.de oder per Telefon unter 040/735 92 77 00 gekauft werden.