Hamburg. Experten und Bezirk streiten bei öffentlicher Anhörung. Ist wirklich kein Bedarf da oder ist es schlichtweg eine Personalfrage?
Es herrscht geisterhafte Stille im Spielhaus am Kurt-Adams-Platz (KAP) in Lohbrügge. Während andere Treffpunkte für Kinder und Jugendliche gerade wieder öffnen dürfen – und sich vor Nachfrage kaum retten können – bleiben gleich neben dem belebten Grünen Zentrum von Lohbrügge-Nord alle Türen zu.
Und sie sollen sich auch nie mehr öffnen. „Wir haben die Schlösser ausgewechselt, damit alle Unbefugten draußen bleiben. Auch die ehemaligen Honorarkräfte“, sagte Detlef Trute, Leiter des zuständigen Fachamts für Sozialraummanagement im Bezirk, am Dienstag in der extra anberaumten öffentlichen Anhörung des Jugendhilfeausschusses.
Spielhaus Lohbrügge ist dringend sanierungsbedürftig
Das Haus aus den 1970er-Jahren sei dringend sanierungsbedürftig und ein auf sechs- bis 14-jährige Kinder zugeschnittenes Spiel- und Spaß-Angebot ohnehin verzichtbar. „Die Bevölkerung von Lohbrügge-Nord ist die mit Abstand älteste im Bezirk Bergedorf. Ein Spielhaus in diesem Quartier geht heute völlig am Bedarf vorbei, auch weil die Quote der Ganztagsbetreuung der Kinder etwa an der nahen Grundschule Max-Eichholz-Ring bei 91 Prozent liegt“, begründete Trute gegenüber den verdutzten Jugendhilfe-Experten im Ausschuss das vom Bezirksamt beschlossene Aus – und den Plan, das Spielhaus durch eine neue Kita zu ersetzen. Grundlage dieser Entscheidung sei die Auswertung von Zahlen des Statistikamtes Nord.
„Vielleicht sollten vorher die Erfahrungen der Fachleute in den Kinder- und Jugendeinrichtungen vor Ort eingeholt werden“, sagte der Ausschussvorsitzende Stefan Thomsen und erhielt viel Unterstützung von den im Quartier aktiven Institutionen wie dem Mobilo der Awo, dem Clippo von InVia und Kitas. Tenor: In Lohbrügge-Nord leben zahlreiche junge Familien mit wenig Geld, deren Kinder das Angebot eines offenen Spielhauses als Ergänzung zur oft kleinen Wohnung brauchen. Und durch die vielen Neubaugebiete sowie den Generationswechsel im Bestand werde die Nachfrage weiter steigen.
Wahrer Grund für das Aus: Zu wenig Personal für alle vier Spielhäuser im Bezirk
Für zusätzlichen Zündstoff sorgte ein Antrag der Bergedorfer Koalition aus SPD, Grünen und FDP für die Bezirksversammlung am heutigen Donnerstag, die ab 18 Uhr als Online-Sitzung läuft (YouTube: „Bezirksversammlung Bergedorf“). Darin wird die Schließung des Spielhauses am KAP akzeptiert und über Angebote nachgedacht, die es ersetzen könnten. Für Stefan Thomsen kommt dieser Vorstoß zum jetzigen Zeitpunkt einem Rechtsbruch gleich: „Laut Sozialgesetzbuch hat die Bezirksversammlung die Pflicht, vor einer solchen Entscheidung den Jugendhilfeausschuss anzuhören. Doch wir werden die Schließung erst in unserer Juni-Sitzung abschließend bewerten.“ Sein Antrag an die Bezirksversammlung, das Thema von der Tagesordnung zu nehmen, wurde ohne Gegenstimmen angenommen.
Ob das tatsächlich geschieht, bleibt abzuwarten. Denn Bezirksamtsleiter Arne Dornquast gab zum Abschluss der öffentlichen Anhörung im Jugendhilfeausschuss noch den offenbar wirklichen Grund für das Aus vom Spielhaus am KAP bekannt: Es gebe schlicht zu wenig Personal, um alle vier Spielhäuser des Bezirks weiter betreiben zu können. Die 1,4 Stellen vom KAP würden verlagert, „weil eine Schließung in Bergedorf-West, Neuallermöhe oder an der Lohbrügger Landstraße noch mehr Kinder treffen würde“.