Kirchwerder. Musiker-Familie ist aus der Ukraine geflohen und findet Halt in Kirchwerder. Am 13. November gibt sie ein Konzert.

Unzählige Male ist Petra Gladiator bereits den Curslacker Heerweg entlang gefahren. Als besonders schön hatte die Vierländerin den Abschnitt zwischen Curslack und A 25 nie wahrgenommen. Doch seit ein paar Monaten sieht sie die Straße mit anderen Augen: Es war Anfang Mai, als sie am Steuer ihres Autos saß und das erste Mal Yulia Ponomazova und deren Tochter Alisa (1) dabei hatte. Die beiden hatten gerade ihre Heimat verlassen und waren mit Yulias Eltern und Bruder vor dem Krieg in der Ukraine geflohen.

Beim Anblick der Bäume und Wiesen hinter der Autobahnabfahrt sagte die 31-Jährige plötzlich: „So schön. So grün.“ Auch im Garten der Familie Gladiator habe sie nach ihrer Ankunft häufig nur so dagestanden und voller Freude dem Zwitschern der Vögel gelauscht, erinnert sich Petra Gladiator.

Musiker-Familie aus der Ukraine gibt Konzert in St. Severini

Denn statt Vogelstimmen hatte Yulia zuvor das Donnern einschlagender Granaten ertragen müssen: 40 Tage harrten sie und ihre Angehörigen in Mariupol aus, bevor sie sich zu flüchten trauten Ein beschwerlicher Weg führte sie über Russland, Georgien und Istanbul nach Deutschland. „Hauptsache raus aus der Ukraine in ein Land, das nicht bombardiert wird und wir in Ruhe leben können“, erklärt Yulia.

Während ihre Eltern und ihr Bruder in einer Wohnung in Altona unterkamen, fand Yulia mit ihrer Tochter zunächst eine Bleibe im Zimmer der Tochter von Petra und Dirk Gladiator, die aus dem Elternhaus in Kirchwerder ausgezogen ist. Solche menschlichen Begegnungen sind der Grund, weshalb Yulia ihrer Flucht auch etwas Positives abgewinnen kann.

Denn obwohl die 31-Jährige sich natürlich wünscht, dass der Krieg aufhört und sie in Frieden wieder in ihrer Heimat leben kann, sei sie sehr dankbar: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es auch viele gute Menschen gibt. Die Hoffnung hatte ich schon fast verloren.“

Mittlerweile lebt Yulia mit ihrer kleinen Tochter in der City. Eine tiefe Verbindung zur Familie Gladiator und auch ihr Zimmer in Kirchwerder sind geblieben: „Sie soll hier weiterhin ein Zuhause haben“, sagt Petra Gladiator.

Musik liegt der ukrainischen Familie im Blut

Und so ist die Familie Skudar nun auch regelmäßig zu Gast in der Kirche St. Severini, um dort zu musizieren. Denn die Musik liegt den Skudars im Blut: Vater Yuri (54) spielt das Bajan, eine eine osteuropäische Form des Knopfakkordeons. Er arbeitete als künstlerischer Leiter, unterrichtete Musik und trat bei privaten Feiern wie Hochzeiten oder Geburtstagen auf.

Yulia hat sich dem Gesang verschrieben und trat schon früh mit ihrem Vater in der gesamten Region Donezk auf. Sie unterrichtete an einer Musikschule in Mariupol, machte eine höhere musikalische Ausbildung in Charkiw und wurde Sängerin in einer Band, mit der sie durch die ganze Ukraine, durch Russland, die Türkei und Georgien tourte. Bruder Lazarus (20) brachte sich selbst Klavier und Gitarre bei.

Konzert in der Kirchwerder Kirche beginnt um 16 Uhr

In St. Severini möchte die Familie nun Zuhörer mit auf eine musikalische Reise nehmen: Am Sonntag, 13. November, beginnt um 16 Uhr in der Kirche am Kirchenheerweg ein Abend mit ukrainischer Volksmusik und englischer Popmusik bis hin zu deutschen Kirchenliedern.

Fleißig übt Yulia das Lied „Ich wünsch dir Gottes Segen“, das Lieblingslied von Petra Gladiator. „Das haben wir häufig gesungen, als Yulia bei uns wohnte“, erklärt sie. Und dabei wurde von der jungen Ukrainerin mit ihrem Töchterchen auf dem Arm nicht nur durch den Raum getanzt, sondern häufig auch geweint, erinnert sich Petra Gladiator.

Pastor Nils Kiesbye wird durch das Konzert führen, bei dem auch ein Übersetzer dabei sein wird. Der Eintritt ist frei. Im Anschluss soll es Zeit zum Austausch geben, erklärt Petra Gladiator.