Kirchwerder/La Palma. Der Bergedorfer Achim Sperber (71) flog für das perfekte Foto glühender Lava zum Vulkan auf La Palma – eine abenteuerliche Reise.

Als Abenteuerlust mag er es nicht sehen, „eher als berufliche Faszination“, sagt Achim Sperber. Der renommierte Fotograf ist kurz vor Weihnachten vom Trip zum Vulkanausbruch auf La Palma zurückgekehrt. Zehn Tage war er unterwegs, davon nach sehr komplizierter Anreise immerhin vier auf der Insel, die zur Gruppe der Kanaren im Atlantik gehört.

„Es ist ein Jagdinstinkt, den man über die Jahrzehnte als Profi an der Kamera entwickelt“, beschreibt der Bergedorfer mit Wohnsitz am Kirchwerder Elbdeich den Grund seiner Reise. Immerhin ist Achim Sperber schon 71 Jahre alt, dreifacher Opa und nicht mehr täglich in seinem Job aktiv. Aber das schaurig-schöne Naturspektakel konnte er sich nicht entgehen lassen. Und so bearbeitete er einen befreundeten Buchverlag fast zwei Monate, bis der ihn mit der Reise beauftragte.

Vulkane gehören neben Eisbergen und Walen zu Achim Sperbers Hobbys

Die 1300 Grad heiße Lava erreicht das Meer – und lässt die Insel La Palma nebenbei wachsen.
Die 1300 Grad heiße Lava erreicht das Meer – und lässt die Insel La Palma nebenbei wachsen. © Achim Sperber | Achim Sperber

So machte sich Sperber Wochen nach den Sensationsreportern und dem ersten Ansturm schaulustiger Touristen auf die gut 4300 Kilometer lange Reise. „Vulkane gehören neben Eisbergen und Walen zu meinen drei großen Hobbys als Profi-Fotograf. Und La Palma ist nach Feuerbergen in Japan, auf Island, in Südamerika sowie Neuseeland mein siebter Vulkan – und der erste, der zum Zeitpunkt meiner Anwesenheit gerade aktiv ist.“

Es sollte eine Reise ins Ungewisse werden, eine mit reichlich Hindernissen, vielen persönlichen Begegnungen – auch mit der Polizei – und etlichen Zufällen. Der Traum vom perfekten Foto glühender Lava begann allerdings wenig spektakulär im Touristen-Flieger nach Gran Canaria. „Das fühlte sich in Corona-Zeiten gefährlicher an, als der Vulkan“, sagt Achim Sperber bei der Erinnerung an mehr als 200 Menschen im Flugzeug. Er kennt La Palma schon von einer Foto-Reportage vor 15 Jahren und wollte wie damals direkt von Gran Canaria weiterfliegen. „Aber die Flüge wurden wegen der Vulkanasche immer wieder verschoben.“

Schnell geht nichts – erst per Fähre, dann in Leihauto

Nach vier Tagen entschied sich Sperber, den vergleichsweise winzigen Rest der Anreise nun doch mit der Fähre zurückzulegen. Schnell ging das allerdings nicht: Von Gran Canaria ging es zunächst gemächlich bis Teneriffa, dort folgte eine Insel-Querung per Bus, bevor die richtige Fähre endlich Kurs auf La Palma nahm. „Angekommen bin ich dort erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit, habe in alter Fotoreporter-Manier sofort den wohl letzten Leihwagen ergattert und bin losgefahren. Denn auch wenn der gut 2000 Meter hohe Vulkan La Palma dominiert – ausgebrochen ist ein 600 Meter kleiner Nebenkrater, der auf der anderen Seite der Insel liegt.“

Mitten in den Bananenplantagen: Verbotsschild der Polizei.
Mitten in den Bananenplantagen: Verbotsschild der Polizei. © Achim Sperber | Achim Sperber

Der Versuch, im 2000-Seelen-Örtchen Tazacorte schon auf dem Weg aus dem Auto per Handy ein Bett zu buchen, scheiterte. Die ganze Region schien unerreichbar. Ein Eindruck, der sich auf der Fahrt über die verschlungene Passstraße noch verstärkte: Dichter Nebel, Dunkelheit und Hunger ließen die gut 60 Kilometer endlos erscheinen. „Auf halber Strecke dann ein winziger Ort mit einem Namen wie im Wilden Westen: ,El Paso’ – und mittendrin ein winziges Restaurant“, erinnert sich Sperber. „Ich bin rein, habe mit meinen paar Brocken Spanisch ein paar Einheimische kennengelernt und sehr gut gegessen. Leider gab es auch hier kein Zimmer und man warnte mich: Die berüchtigte Bundespolizei Guardia Civil habe die Lavafelder weiträumig abgesperrt. Es gebe kein Durchkommen, selbst für Leute wie mich, die einen Presseausweis besitzen.“

Manchmal ist Sperber näher dran am Geschehen, als das spanische Fernsehen

Notgedrungen fuhr Achim Sperber noch die 30 Kilometer weiter bis Tazacorte. Den Rest der Nacht verbrachte er mit ein bisschen Schlaf im viel zu engen Kleinwagen. Am Morgen dann der Blick hinüber zum Vulkan: Zwei riesige, zu pechschwarzen Barrieren von sechs bis acht Metern Höhe erstarrte Lavaströme durchzogen die Bananenplantagen südlich von Tazacorte. Mittendrin Hunderte halb im Schwarz versunkene Landhäuser, sogar eine große Landmaschinen-Werkstatt. „Und dazwischen immer wieder rotglühende Lava auf ihrem Weg vom Vulkan bis hinunter ins Meer, wo sie unter einer mächtigen Rauchwolke versinkt – und sich auftürmt. La Palma ist durch den Ausbruch bereits um Tausende Quadratmeter gewachsen.“

Achim Sperber steuert den vom Vulkanstaub längst aschgrau gewordenen Citroën über die kleinen Wirtschaftswege durch die Plantagen, immer Richtung Lava. Doch selbst hier gibt es Straßensperren der

Das Team des spanischen Fernsehens hält Sicherheitsabstand: Die Lava-Bilder kommen aus rund vier Kilometer Entfernung von einem Hausdach.
Das Team des spanischen Fernsehens hält Sicherheitsabstand: Die Lava-Bilder kommen aus rund vier Kilometer Entfernung von einem Hausdach. © Achim Sperber | Achim Sperber

Guardia Civil. „Aber manchmal komme ich durch, bin viel dichter dran als die Kollegen vom spanischen Fernsehen, die sich gut vier Kilometer von der Lava entfernt seit Wochen auf dem Flachdach eines Bungalows eingerichtet haben.“

Aus gerade mal 600 bis 700 Metern Entfernung gelingen Sperber an diesem und den folgenden drei Tagen, vor allem den Nächten, die besten Fotos. „Von der Ausgangssperre wegen giftiger Dämpfe, über die im Deutschen Fernsehen immer wieder berichtet wird, merken wir hier nichts. Man ist manchmal nur leicht benommen, es gibt eigentlich nie einen klaren Himmel, und alles ist über und über mit Staub bedeckt. Aber sonst geht das Leben hier Wochen nach dem ersten Vulkanausbruch mittlerweile seinen halbwegs normalen Gang.“

Banger Blick auf den Vulkan: Bricht die Nordflanke, fließt Lava nach Tazacorte

Ohnehin wundert Achim Sperber, wie pragmatisch die Menschen auf der Insel mit der Katastrophe umgehen: „Natürlich gibt es eine große Sorge um die Ernte und vor allem die Häuser. Und alle wissen, dass Entschädigungen in Spanien alles andere als automatisch fließen. Aber eigentlich überwiegt die Hoffnung -- vor allem, dass die Nordflanke des Vulkankraters hält. Denn würde sie einbrechen, fließt die Lava direkt nach Tazacorte.“

Lava fließt glühend den Hang hinab.
Lava fließt glühend den Hang hinab. © Achim Sperber | Achim Sperber

Schaulustige nimmt Sperber im kleinen Ort und auch an den Straßen Richtung Vulkan kaum noch wahr. Offenbar hat die Guardia Civil viele vertrieben. „Und zudem gibt es in Tazacorte derzeit praktisch keine Übernachtungsmöglichkeit. Die Touristeninformation ist schon so lange geschlossen, dass sich vor ihrem Eingang eine dicke Schicht Vulkanasche gebildet hat.“

Kein Zimmer mehr frei – aber Charme und Ehrlichkeit helfen weiter

Sperber selbst hat dann aber doch Gastfreundschaft erfahren: An Tag zwei lernte er die Schottin Maria McAngus kennen. Die 75-Jährige besitzt mitten im Ort ein kleines Häuschen als Winterresidenz. „Als ich sie überzeugen konnte, keiner von diesen Sensationsreportern vom Schlag der Bild-Zeitung zu sein, durfte ich bei ihr wohnen.“

Ein großes Glück für den Bergedorfer, der kurz darauf mit seinem Auto in einer der Bananenplantagen steckenblieb: „Der Wagen hatte mitten im Nirgendwo auf einem Mauervorsprung aufgesetzt. Als es dunkel wurde, bin ich die fünf Kilometer zurück gelaufen, um einem Abschlepper zu organisieren. Und um in einem echten Bett zu schlafen. In dieser Nacht gab es zwei heftige Erdstöße, einer mit Stärke 4,5 auf der Richterskala. Das hätte ich in den Plantagen nicht erleben wollen, so ganz allein im liegengebliebenen Auto vor einem feuerspeienden Berg. Die Ursache des Bebens hätte ja auch das Einstürzen der für Tazacorte so wichtigen Nordflanke des Vulkans sein können.“

Skeptisch nach 90 Tagen Beben. Ist es wirklich vorbei?

Doch die hält. Zumindest bisher. Dass der Vulkan zu Weihnachten nun eine Pause eingelegt hat, hält Achim Sperber auch nach seiner Rückkehr ins sichere Bergedorf allerdings für trügerisch: „Wer direkt am Berg war oder sogar dauerhaft lebt, glaubt nach 90 Tagen Beben, Lava und Staub nicht daran, dass so ein Naturschauspiel plötzlich beendet sein kann.“