Hamburg. Ihre Geschichte ist spannend, geht auf eine Bürgerwehr zurück. Drei Tage will die Schützengesellschaft ihr Jubiläum feiern.
Man muss sich auf den Atem konzentrieren, die Luft anhalten und gut anvisieren. „Manchmal merkt man sogar seinen angestrengten Herzschlag im Arm“, sagt Guido Schöpfer. Der 60-Jährige, der als Bergedorfer Feuerwehrmann gerade in Rente gegangen ist, weiß die Ruhe am Schießstand zu schätzen. Kein Wunder bei fünf eigenen und zwei Pflegekindern. Ebenso aber liebt er lautes Gelächter und fröhliche Feiern. Deshalb ist Schöpfer nun der organisatorische Leiter für das große Schützenfest im September zum 175-jährigen Bestehen der Bergedorfer Schützengesellschaft
Ob es April war oder vielleicht Februar, sei nicht mehr so leicht rauszufinden, meint Vize-Vorsitzender Stefan Nebel: „Auf jeden Fall war die Gründung im Jahr 1848 und ging aus einer Bürgerwehr an der Chrysanderstraße hervor, die wiederum einer nunmehr 434 Jahre alten Schützengilde entsprang“, sagt Nebel. Er blättert in längst vergilbten Papieren, die nach der NS-Zeit eine Umbenennung in „Bergedorfer Sport- und Wanderverein“ belegen. Als Relikte der ersten Vogelschießen gelten der silberne Becher von 1591 und die Papagoienkette, die heute im Bergedorfer Schloss ausgestellt werden.
Bergedorfer Schützengesellschaft feiert ihr 175. Bestehen
„Heute schießen wir Sportschützen auf nichts, was Augen hat. Da gibt es auch keine Luftballons mit Gesichtern drauf. Selbst das Keiler-Symbol auf der Zielscheibe wurde ausgetauscht“, betont Nebel, der seit 36 Jahren Mitglied ist und weder rechtsgesinnte Tattoos noch Camouflage-Kleidung im Verein duldet: „Selbst wenn sie rosa-weiß ist, das gehört hier nicht hin“, bedeutet er den heute 180 Mitgliedern, die zwischen zwölf und 87 Jahre alt sind. Die Ältesten werden Hocker-Schützen genannt und dürfen Armauflagen nutzen. „Weltoffen und politisch neutral“ steht in der Satzung. Daran halten sich die Bogenschützen ebenso wie jene, die mit Kurz- und Langwaffen verschiedener Kaliber hantieren.
Von seinem Vater, einem Jäger, habe er Waffen geerbt, erzählt Guido Schöpfer. Die liegen aber nicht mehr im Stahlschrank des Schützenheims am Reinbeker Weg, mitten im Bergedorfer Gehölz. „Eine Anschütz aus Nussbaumholz ist das Älteste, wohl aus dem 19. Jahrhundert“, erklären Schöpfer und Nebel und zeigen den traditionellen Homburger-Hut, die Chronologie der Schützenkönige und die Auszeichnung als „immaterielles Kulturerbe“: Die gelte allgemein dem deutschen Schützenwesen als gemeinnützigen Sport.
Und da gibt es viele Anhänger: Immerhin etwa 1,35 Millionen Schützen sind Mitglieder in über 14.200 Vereinen. So jedenfalls schätzt der 1861 gegründete Deutsche Schützenbund e.V. (DSB), der sich in 20 Landesverbänden organisiert.
Feinster Schützenball im „Portici“
Feiern konnten sie offenbar schon immer gut: Vom 6. Oktober 1907 belegt eine Speisekarte, dass die Flasche Champagner mit 14 Mark berechnet wurde. Dazu gab es Karpfen in Butter und Zungenragout. Damals feierten die Schützen einen großen Ball im „Portici“, am heutigen Frascatiplatz. Und genau dort soll auch jetzt das Jubiläum begangen werden – begleitend zum Bergedorfer Oktoberfest vom 14. bis 17. September. Der Kommersabend am Donnerstag ist (ohne Zapfenstreich) zunächst den geladenen Gästen im Zelt vorbehalten.
Immerhin ist der Schützenkreis Sachsenwald mit gut zehn Vereinen dabei. Der König des Kreisschützenfestes, das auch im Rahmen des Jubiläums gefeiert wird, wird am Sonntag im Bergedorfer Rathauspark proklamiert und darf – samt Spielmannszügen – den „Ummarsch“ anführen, der bis zum Frascatiplatz führt. Dass ein solcher Umzug durch den ganzen Ort früher von einem bekränzten Ochsen angeführt wurde, wird man übrigens auch in der neuen Jubiläumschronik lesen können.
Sodann wird aus alten Zeiten erzählt, etwa von den „Schallemissionsschwierigkeiten“ von 1977 bis 1983 durch den 25-Meter-Pistolenstand, der zugezogene Nachbarn am Möörkenweg ärgerte. Die Lösung schließlich war ein neuer, geschlossener Kurzwaffenstand. Einen Glanzpunkt brachte das Jahr 1980, als Beate Behnke bei den Deutschen Schießsportmeisterschaften in München den ersten DM-Titel nach Bergedorf holte.
Und viele mögen sich noch daran erinnern, als am 19. März 2011 das Vereinsheim niederbrannte. „Mit 650.000 Euro und viel Eigenarbeit haben wir alles modern aufgebaut“, erinnert sich Matthias Opitz, der seit Oktober 2022 dem Verein vorsitzt. Nicht nur Jugendliche haben seither den Schießsport für sich entdeckt, auch einige Polizisten sind beim Training dabei, sogar der Vize-Leiter des nationalen Waffenregisters.
Schon bald jedenfalls beginnen unter den Schützen die Vorkämpfe zum Preis- und Finalschießen. Im September werden dann die Besten feststehen.