Hamburg. Dagmar Hirche freut sich über 1000 Euro. Wie die Bestseller-Autorin mithilfe des Internets Senioren aus der Isolation holt.
März 2020, alle tragen Maske, keiner geht mehr raus. Auf der Online-Plattform Zoom treffen sich die Hamburger Landfrauen mit Dagmar Hirche. Auf dem Programm steht eine Digital-Schulung für Smartphone und Tablet. Also das, womit die Gründerin des Vereins Wege aus der Einsamkeit bundesweit bekannt geworden ist. In verständlichen Worten erklärt die Hamburgerin per Video, was mit dem Handy machbar ist. Und dass so ein Smartphone bei einem Tippfehler nicht gleich explodiert. Das passende Mutmach-Buch heißt „Wir versilbern das Netz“. Es wird ein Bestseller.
Wer, wie die Hamburger Landfrauen, das Glück hat, Dagmar Hirche live zu erleben, der kann genießen, wie sie das Internet feiert. Dafür, dass es ältere und isolierte Menschen aus der Einsamkeit holt. „Wir waren alle sehr angetan. Vor allem von der Lebendigkeit, mit der Frau Hirche ihr Wissen weitergibt“, erinnert sich Bärbel Roloff an Hirches zweiten Besuch 2023 anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Förderkreises der Hamburger Landfrauen.
Läuft! Landfrauen übergeben Spende aus Schrittzähleraktion
Die Vorsitzende des Förderkreises ist froh, jetzt etwas zurückgeben zu können: 126 Teilnehmer waren bei einer Schrittzähleraktion der Hamburger Landfrauen in diesem Jahr dabei. Die generierten Startgebühren hat der am Brennerhof in Moorfleet ansässige Förderkreis auf 1000 Euro aufgerundet und an Dagmar Hirche und ihren Verein Wege aus der Einsamkeit weitergegeben.
„Wir machen das jetzt seit elf Jahren“, sagt die 67-jährige Vereinsgründerin. Angefangen mit Präsenzkursen in Hamburg, explodierte das Interesse am kostenlosen Schulungsangebot für die Generation Ü-65 während der Lockdowns. Damals bot der Verein jeden Tag Online-Kurse an, um älteren Menschen aus der Isolation zu helfen. „Ich habe mittlerweile ungefähr 34.000 Menschen geschult“, lautet Hirches Bilanz. Statistisch erfasst ist auch, dass die digitalen Runden für bewegungseingeschränkte oder pflegebedürftige Menschen wichtig sind. Genutzt werden sie vor allem von Frauen im Alter zwischen 74 und 88 Jahren.
Digital geschulte Senioren besuchen sich nicht nur im eigenen Stadtteil
Wer mobil ist und sich über eine Schulung im Netz kennenlernt, der kann sich bald auch in der analogen Welt begegnen. Nicht nur zum Spaziergang an der Alster oder im eigenen Stadtteil. „Was glauben sie, wer sich da inzwischen alles besucht?“, sagt Hirche und lacht. „Da fahren Menschen von Lübeck nach Friedrichshafen, um die Ingrid am Bodensee zu begrüßen.“ Die Älteren machen also das, was die Jungen auch machen. Sie besuchen einander, gründen WhatsApp-Gruppen und kommen wieder in Bewegung. Ideengeberin Dagmar Hirche freut sich, sobald eine Gruppe auf eigenen Füßen steht.
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Die Ideen gehen ihr nicht aus. Gerade bereitet sie Stadtteil-Spiele für den Welt-Seniorentag am 1. Oktober im Hamburger Musikclub Knust vor. Mehr als 300 Anmeldungen kamen für die jüngsten gemeinsamen Hagenbeck-Besuche zusammen. Bis heute staunt sie über Menschen, die bei solchen Gelegenheiten das einzige Essen außerhalb ihrer eigenen vier Wände genießen. Ja, sagt Dagmar Hirche, man muss mehr gegen Altersarmut tun.
Viele können sich die digitale Ausstattung nicht leisten und immer noch gibt es in manchen Altenheimen kein WLAN. Also keine Zeitung auf dem Tablet und erst recht kein Online-Banking. Auch wenn man dank dem Digital-Coaching des Vereins die Angst davor verloren hat. Hirche, die seit Jahren gegen die Altersdiskriminierung anrennt, hält das für einen Skandal. Der Hamburger Senat könne da noch viel dazulernen, so Hirche, die für ihr Engagement bereits auch mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden ist. .