Hamburg. Der Bergedorfer Mediziner Fabian Pajonk bietet eine Sprechstunde speziell für Radamateure an. Die erleben dabei oft ihr blaues Wunder.
- Sitzposition ist der Schlüssel zu beschwerdefreiem Radsport
- Bewegen sich die Knie beim Treten wirklich nur nach oben?
- Selbsttest des Bergedorfer Orthopäden bringt erstaunliche Ergebnisse
Millionen fiebern mit, wenn die Radprofis bei der Tour de France die steilsten Anstiege bewältigen, in diesem Jahr den Col du Galibier, den Tourmalet und die Höhenstraße Cime de la Bonette. Wenn sie sich in steile Abfahrten stürzen, jeden Tag Stunden auf der Landstraße verbringen und sich heiße Sprintduelle liefern. Durchtrainierte Ausnahmeathleten sind sie allesamt. Doch sind sie auch gute Vorbilder?
„Nein“, betont der Bergedorfer Orthopäde Fabian Pajonk, selbst ein begeisterter Radsportler. Der 37-Jährige ist in der Bergedorfer Orthopädie-Praxis Dr. Stäcker/Dr. Kanbach am Mohnhof angestellt und bietet dort eine Sprechstunde speziell für Radsportler und ambitionierte Hobby-Radfahrer an. Er betont: „Wenn es um eine medizinisch sinnvolle Sitzposition auf dem Rad geht, würden die Tour-de-France-Profis bei uns alle durchfallen.“
Bergedorfer Orthopäde warnt: Radprofis sind keine guten Vorbilder
Denn eine gute Haltung auf dem Rad sieht anders aus. „Die Profis haben sich über Jahre dorthin trainiert, eine extreme, besonders aerodynamische Haltung über viele Stunden hinweg auszuhalten“, erläutert Pajonk. Er ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und kennt den Profisport aus eigener Anschauung. Der Hamburger war als Teamarzt von Red Bull-Bora-hansgrohe, einem der Top-Teams, auch schon selbst bei großen Wettbewerben wie dem Giro d‘Italia 2022 dabei. „Wenn dann einer deiner Fahrer eine Etappe gewinnt, erlebt man das schon sehr intensiv mit“, schwärmt er.
Viele Hobby-Radsportler nehmen sich die Profis zum Vorbild, versuchen beim Fahren dann auch selbst, eine besonders extreme, aerodynamische Position einzunehmen, und da beginnen dann oft die Probleme. „Viele gehen da einfach zu ambitioniert ran“, weiß Pajonk. „Wenn ich einen solchen Fahrer dann in den Vier- und Marschlanden auf dem Deich sehe, denke ich immer nur: Ich zähle jetzt bis drei, und er hat Nackenschmerzen.“
Die richtige Sitzposition auf dem Rad ist der Schlüssel zu einem dauerhaft beschwerdefreien Sport
Die Radsport-Sprechstunde dient dazu, derartige Probleme zu beheben oder ihnen vorzubeugen. Für 187 Euro gibt es eine intensive Beratung samt Videoanalyse, um möglichen Dysbalancen auf die Spur zu kommen, die häufig Ursache von Knie-, Hüft- oder Rückenproblemen sind. „Jeder, der zu uns kommt, muss dabei auch vorturnen“, ergänzt der 37-Jährige augenzwinkernd. „Einfache gymnastische Übungen dienen in einem komplexen funktionellen Screening dazu, die Stabilität der Muskulatur zu bewerten.“
Viele Radamateure kennen die Grundregeln, etwa dass der Po leicht über den Sattel hinausragen sollte, damit man wirklich nur auf seinen beiden Sitzhöckern sitzt und das Steißbein nicht belastet wird. Dass die Hüfte beim Radeln nicht nach links und rechts wackeln sollte.
Bewegen sich die Knie beim Treten wirklich nur nach oben und unten oder auch seitwärts?
Doch wenn es um die Feinheiten geht, ist eben das Screening gefragt: der Blick von außen, die Videoanalyse, das ärztliche Fachwissen. Geschaut wird zum Beispiel, ob die Knie beim Treten eine leichte seitliche Kreisbewegung vollführen. Ist das der Fall, kann es auf Dauer zu Kniebeschwerden führen. „Overuse“ nennen es die Mediziner, wenn durch falsches Training oder einen fehlerhaften Bewegungsablauf einzelne Gelenke oder Muskelgruppen übermäßig belastet werden.
Die Folge können Mikrotraumata sein, deren die Selbstheilungskräfte des Körpers dann irgendwann nicht mehr Herr werden. Das gilt insbesondere dann, wenn die Regenerationszeit zu knapp bemessen ist. Während Profis besonders häufig Probleme im unteren Rückenbereich bekommen, sind bei Radamateuren hingegen eher der Nacken und der obere Rücken betroffen.
85 Prozent aller Radamateure gaben bei Befragungen an, kürzlich verletzt gewesen zu sein
Gesundheitliche Schwierigkeiten unter Hobbysportlern sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel, wie Pajonk in seinem Vortrag „Überlastung im Radsport. Unterschiede im Profi- und Breitensport“ auf dem 2. Lübecker Sportmedizin-Symposium ausgeführt hat. In der Forschung gerät dieser Aspekt mehr und mehr in den Fokus. Bei Studien mit Radamateuren gaben rund 85 Prozent der Befragten an, im vorangegangenen Jahr eine Verletzung gehabt zu haben.
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Pajonk ist als begeisterter Radsportler auch schon selbst Rennen gefahren, beispielsweise die 100-Kilometer-Distanz bei den Cyclassics. „Das macht schon Spaß, so eine Strecke so schnell zu fahren, wie man kann, oder auch mal bei einer Ausreißergruppe mitzugehen“, schwärmt der Familienvater. „2023 habe ich bei den Cyclassics einen 41er-Schnitt geschafft.“ Das heißt, er bewältigte die 100 Kilometer in weniger als zweieinhalb Stunden.
Ein Selbsttest des Bergedorfer Orthopäden bringt erstaunliche Ergebnisse
Doch selbst er als Orthopäde sei bei seinem Hobby nicht davor gefeit, dass sich mit der Zeit Probleme einschleichen. „Viele Radsportler stellen sich den Sattel zu hoch ein, weil man dann aerodynamischer sitzt“, erläutert er. „Profis bekommen jedes Jahr ein Bike-Fitting, Amateure jedoch fahren ihr Rad über viele Jahre hinweg. Also habe ich mich aus Interesse heraus einmal entschlossen, meinen eigenen Fahrstil überprüfen zu lassen.“ Dabei erlebte der 37-Jährige sein blaues Wunder: „Der Sattel kam 2,5 Zentimeter nach unten und auch ein gutes Stück nach vorn.“ Fortan war er zwar etwas aufrechter, aber dafür – langfristig gesehen – gesünder unterwegs.
Auf keinen Fall jedoch möchte der Arzt Menschen davon abhalten, sich in ihr persönliches Abenteuer auf zwei Rädern zu stürzen. Denn die gesundheitlichen Vorzüge des Radfahrens würden gegenüber möglichen Gefahren klar überwiegen. „Radfahren ist ein gutmütiger Sport, der viel verzeiht“, betont Pajonk. „Es ist auch normal, dass mal etwas weh tut. Aber wenn dieselben Beschwerden sechs Wochen anhalten oder beim Radfahren immer wiederkehren, sollte man etwas unternehmen.“
Wer mehr über die Radsport-Sprechstunde wissen möchte, kann sich im Internet auf der Website ortho-mohnhof.de oder auf Instagram unter ortho_mohnhof näher informieren.