Hamburg. Gut erholt von der Pandemie zeigte sich die Leichtathletik beim Bergedorf Cross. Vor allem bei den Jüngsten waren die Startfelder groß.

Es nieselt leicht, doch niemanden stört das. Am Rande der Strecke beim 57. Bergedorfer Crosslauf im Bergedorfer Gehölz macht sich die Jugend des Hamburger SV für die bevorstehenden Rennen warm. Alle sind mit Feuereifer dabei: Gymnastik, Laufen, Hüpfen, jede Übung geschieht gemeinsam in der Gruppe. Die Kinder lachen, feuern sich gegenseitig an.

„Es kommt immer wieder vor, dass Kinder, die uns bei Wettkämpfen erleben, selbst Lust bekommen, bei uns mitzumachen“, schildert Arved Lattekamp stolz. Der 20-jährige Ozeanografie-Student trainiert die Gruppe gemeinsam mit Greta Drewnak (18) und Finn Bolse (21). Alle drei kommen selbst aus der Leichtathletik-Jugend des HSV, haben sämtliche Altersklassen durchlaufen und wissen daher, womit sie den Nachwuchs begeistern können. Der HSV ist der Platzhirsch in der Hamburger Leichtathletik. Jeder fünfte Nachwuchs-Leichtathlet in der Hansestadt trägt ein HSV-Trikot.

Beim 57. Bergedorfer ist wieder alles so wie vor der Pandemie

Gerade während der schwierigen Jahre der Corona-Pandemie waren die personell gut aufgestellten Großvereine im Vorteil, hielten ihre Mitglieder mit Online-Training bei der Stange. „Wir haben so kaum Jugendliche verloren“, betont Lattekamp. Ähnliches weiß Mittelstrecken-Trainer Frieder Nölting für die TSG Bergedorf zu berichten. „Wir haben uns in der Leichtathletik-Abteilung ganz gut gehalten“, resümiert Nölting. „Die Unterstützung vom Hauptverein war großartig. Es wurde alles gemacht, was möglich war.“

Es war ordentlich was los im Bergedorfer Gehölz: Die Zuschauer bejubeln ein teilnehmendes Kind.
Es war ordentlich was los im Bergedorfer Gehölz: Die Zuschauer bejubeln ein teilnehmendes Kind. © Volker Koch | Volker Koch

Nun ernten sie die Früchte. Beim 57. Bergedorfer Crosslauf ist zum ersten Mal alles wieder so wie früher. Bei den Rennen der Jugendlichen drängen sich die Zuschauer dicht entlang der Strecke im Bergedorfer Gehölz, als sich die Kinder aufgeregt am Start aufstellen. Sprecher Miguel Daberkow, selbst ein erfolgreicher Mittelstreckler, weiß, worauf es nun ankommt.

Aufwand des Teams hat sich gelohnt

„Schaut einmal an euch herunter“, fordert er die Kinder auf. „Ist da ein Chip am Schuh? Wenn nicht, dann schnell noch mal zurück zu Mama und Papa!“ Die Tränen, wenn die Laufzeit nicht gemessen wurde, weil der Chip fehlte, will schließlich niemand sehen. Doch wir haben es hier offenbar mit erfahrenen Cracks zu tun: Kein einziges Kind hat seinen Chip vergessen.

Dann toben sie los, und spätestens jetzt wird klar: Die Zeit des drinnen Hockens ist vorbei! Dafür hat sich der ganze Aufwand des TSG-Organisationsteams gelohnt. Bergedorfs Lauflegende Steffen Benecke war am Tag zuvor unterwegs und hat die Strecke ausgeflaggt. Wer sollte den Kurs besser kennen als er? „Die Hauptarbeit in der Organisation aber macht die Abteilungsleiterin Brigitta Krempin“, betont Nölting. „Sie war heute schon im Wald, als es fast noch dunkel war.“

Wie kriegt man einen Teenager von der Playstation weg?

Gut ein Kilometer auf dem bekanntermaßen recht anspruchsvollen, da bergigen Kurs wartet auf die unter Zwölfjährigen. Die Älteren haben die doppelte Strecke vor sich. Doch wie kriegt man einen Teenager dazu, an einem Sonntagvormittag bei Nieselregen durch den Wald zu hetzen statt vor der Playstation zu sitzen?

Das Vorbild der Eltern spielt dabei natürlich eine gewichtige Rolle. Viele Leichtathletik-Familien in der TSG Bergedorf haben bereits Aktive in der zweiten Generation. Steffen Benecke, dessen Tochter Joyce bei den U12-Mädchen den elften Platz belegt, hat zudem einen ganz besonderen Trick auf Lager. „Ich versuche es mit paradoxer Intervention“, verrät er. Etwas als nicht erstrebenswert oder gar verboten hinzustellen, mache den Nachwuchs besonders heiß darauf.

Die Ganztagsschule blockiert die Nachmittagszeiten für die Vereine

Doch leicht sei es nicht, Kinder für das Training zu gewinnen, betont Nölting. „Die Ganztagsschule macht da viel kaputt“, ist er überzeugt. „Dort geht es im Sport eher darum, die Kinder zu beschäftigen statt ihnen etwas beizubringen.“ Und den Vereinen gingen so die wertvollen Nachmittags-Trainingszeiten verloren.

65 Kinder sind im Bergedorfer Gehölz allein im Jahrgang U12 unterwegs, in den Jahrgängen U14 und U16 dünnt es sich dann jedoch stark aus. „Das ist natürlich ein Problem, weil gerade in der U16 die Zeit ist, wo sich langsam Leistungssportler heranbilden“, bedauert Nölting. Die Lücken in den älteren Jugendklassen seien dann bereits so groß, dass zuletzt bei den gemeinsamen Landesmeisterschaften von Hamburg und Schleswig-Holstein über 400 Meter bei den U20-Jungs gar kein Startfeld zusammen kam.

Drei der sechs Disziplinen gewinnen HSV-Starter

Beim 57. Bergedorfer Crosslauf werden an diesem Tag drei der sechs Disziplinen von HSV-Startern gewonnen, für die TSG Bergedorf gewinnt Jakob Unger bei den U16-Schülern. „Doch der sportliche Erfolg ist Nebensache“, betont Arved Lattenkamp. „Es geht vor allem um den Spaß!“ Um den zu fördern, setzt der sehr stark auf Camps.

„Jedes Jahr machen wir eine Dänemark-Reise“, schildert Lattekamp. Zudem hat der Verein Camps in den Sommer- und Herbstferien im Programm, in denen dann schon mal Stand-up-Paddling oder Flöße bauen auf dem Programm stehen, um den Zusammenhalt der Gruppe zu stärken. Denn eines kann man an der Playstation schließlich nie finden: Freunde fürs Leben.