Bergedorf. „Das war Lehrgeld“, nannte TSG-Trainer Frieder Nölting das frühe Ausscheiden von Inga Schulz. Auch Mika Sosna war nicht glücklich.
Frieder Nölting war um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Was immer der Mittel- und Langstrecken-Trainer in der Leichtathletik-Abteilung der TSG Bergedorf auf der Rückfahrt aus Sindelfingen auch anstellte, es blieb schweigsam im Auto. Denn seine beiden Mitinsassen schoben Frust. Ausnahme-Talent Mika Sosna musste seinen zweiten Platz im Diskuswerfen verdauen. Lauf-Hoffnung Inga Schulz hatte es bei den deutschen Jugendmeisterschaften im Sindelfinger Glaspalast erst gar nicht ins Ziel geschafft.
Lauftalent der TSG Bergedorf stieg nach 1800 Metern aus
Magenkrämpfe sorgten dafür, dass die mit guten Chancen aufs Treppchen angereiste 18-Jährige im Finale über 3000 Meter zunächst die nationale Elite ziehen lassen musste und dann nach 1800 Metern entnervt aufgab. „Ich hatte schon am Vortag Bauchweh gehabt“, schilderte sie, als sich die Enttäuschung wieder etwas gelegt hatte. „Am Morgen des Wettkampftages war dann aber alles gut. Doch als ich im Callroom saß, kamen sie zurück.“
Wegen der Corona-Pandemie wurden die Titelkämpfe ohne Zuschauer ausgetragen. Zudem wurden die Athletinnen und Athleten in vier Wettkampf-Gruppen aufgeteilt, und nur die Gruppe, die jeweils dran war, hatte Zutritt zum Glaspalast. Bei den Vereinskollegen zuzuschauen, war also nicht möglich, was natürlich der Stimmung schadete.
Der Callroom gehörte dazu
„Die Sportler haben das aber kaum registriert“, schätzt Nölting. „Denn von den ganzen Abläufen her war es schon eine richtige deutsche Meisterschaft, und dazu gehört eben auch der Callroom.“ Bei Großveranstaltungen wie deutschen Meisterschaften, Welt- oder Europameisterschaften gehen die Aktiven nicht einfach so jeder für sich an den Start, sondern sammeln sich etwa 20 Minuten vor Wettkampfbeginn im Callroom, um dann alle gemeinsam in die Arena geführt zu werden. Zeit genug, um nervös zu werden.
Solche Aufregung kennt Mika Sosna nicht mehr. Der Senkrechtstarter unter den Nachwuchs-Werfern katapultierte sich 2021 an die Spitze der deutschen Rangliste in der Altersklasse U20, gilt als heißer Kandidat für die Olympischen Spiele 2024 in Paris und peilt für 2022 eine Teilnahme an den U20-Weltmeisterschaften in Cali (Kolumbien) an. Dafür wird er im Sommer im richtigen Moment topfit sein müssen. Denn im Nachwuchsbereich gilt das amerikanische Trial-Prinzip: Nur die beiden Besten der deutschen Meisterschaften fahren zur WM.
Mika Sosna führt bis zum letzten Wurf und wird noch übertroffen
Die Hallen-DM in Sindelfingen war auf diesem Weg nicht mehr als eine erste Standort-Bestimmung im neuen Jahr. „Ich habe schon seit Wochen eine Verletzung am Beuger im rechten Oberschenkel“, betont Sosna. „Ich werfe immer noch mit angezogener Handbremse.“ Trotzdem trat er an und kam im ersten Versuch auf beachtliche 61,09 Meter.
„Das war ein reiner Sicherheitswurf“, betont er. Doch als Sosna dann mehr riskierte, konnte er die Würfe nicht halten. Nach viermal ungültig wurde er im letzten Durchgang noch von Marius Karges (Eintracht Frankfurt) mit 63,38 Metern übertrumpft und musste sich mit dem zweiten Platz begnügen. „Für Inga war das absolut unglaublich, dass jemand völlig frustriert sein kann, der gerade Silber gewonnen hat“, amüsierte sich Nölting.
Blick auf die Sommersaison
Doch schnell ging auf der Rückfahrt der Blick wieder nach vorn auf die Sommersaison. Sowohl Mika Sosna als auch Inga Schulz gehören zum jüngeren Jahrgang, das heißt, sie dürfen auch 2023 noch in der Altersklasse U20 starten. In der Freiluft-Saison will die schnelle Bergedorferin wieder auf ihre Paradestrecke, die 2000 Meter Hindernis, setzen.
„Sindelfingen war Lehrgeld, das sie gezahlt hat“, kann Nölting dem Wettkampf auch etwas Gutes abgewinnen. Und Mika Sosna hatte es trotz allem dann doch genossen: „Ich mag einfach diese coolen Wettkämpfe mit den Jungs.“