Hamburg. Behörde galt als langweilig und uncool, nun rückt die Arbeitsplatzsicherheit wieder in den Vordergrund. Chancen für Quereinsteiger.

Arbeiten in der Verwaltung? Wie langweilig! Eine Bewerbung beim Bezirksamt oder eine Ausbildung in einer kommunalen Verwaltung galt lange Zeit als ziemlich uninteressant. Die Auswahl war für die Arbeitgeber deswegen oft gering. Stellen konnten manchmal nicht besetzt werden. Doch die Zeiten haben sich geändert. Verwaltung hat in Zeiten von Corona ihren Reiz zurückgewonnen. „Wir haben von 2019 auf 2020 eine Erhöhung der Bewerberzahl um 100 Prozent“, freut sich Jörn Schulz, Personalleiter der Bergedorfer Bezirksverwaltung. „Wir haben mehr als gut zu tun.“

Gingen 2019 noch 843 Bewerbungen ein, so waren es im vergangenen Jahr 1700 Bewerbungen. Die Zahl der ausgeschriebenen Stellen blieb mit 103 in 2019 und 109 in 2020 nahezu gleich. Die meisten bewerben sich, um im allgemeinen Verwaltungsdienst zu arbeiten. Eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten ist dafür nicht zwingend notwendig. Der Bewerber muss nur eine andere Berufsausbildung oder ein Studium sowie Berufserfahrung vorweisen.

Zahl der Bewerber im Bergedorfer Bezirksamt wächst dank Corona

Die Interessenten kommen häufig aus Bereichen, die unter Corona zu leiden haben. So befinden sich auffällig viele Reisebüro-, Immobilien- und Kfz-Kaufleute unter den Bewerbern, berichtet Schulz. Auch aus dem Gaststätten- und Hotelleriebereich gibt es zahlreiche Bewerbungsschreiben. Zudem wollen Freelancer einen neuen beruflichen Weg einschlagen.

Ausgenommen von dieser positiven Entwicklung sind allerdings die Bereiche, in denen Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt herrscht. Ingenieure und spezialisierte Kräfte sind nach wie vor schwer zu finden, so der Personal-Chef des Bezirksamtes.

Ausbildungsstellen in Hamburger Verwaltung werden zentral vergeben

Sicherheit im Beruf macht der Personalfachmann als wichtigste Motivation bei den Aspiranten aus behördenfernen Bereichen aus. Für die Bezirksverwaltung bringt die jüngste Entwicklung eine bessere Auswahl an Kandidaten mit sich. Die Bewerber durchlaufen das übliche strukturierte Verfahren. Bleibt nur die Unbekannte, ob die Angenommenen vielleicht wieder zurück in ihren alten Beruf wollen, wenn sich in ein paar Jahren die Wirtschaftslage wieder gebessert hat. Bei der Einstellungsentscheidungen müssen Vermutungen darüber aus formaljuristischen Gründen unberücksichtigt bleiben, so Schulz. „Wir gehen streng nach den Unterlagen vor.“

Die Ausbildungsstellen werden zentral für die Hamburger Verwaltung vom Landesbetrieb ZAF (Zentrum für Aus- und Fortbildung) vergeben. „Bisher hatten wir im ZAF immer die Situation, sehr gute und passende Bewerbungen zu erhalten, sodass wir alle unsere Ausbildungsplätze mit geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern besetzen konnten“, sagt Geschäftsführerin Julia Sprei. Im Bewerbungsjahr 2019/20 waren es 2336 Personen. Im folgenden Jahr sank die Zahl auf 2129 um im aktuellen Jahr 2020/21 auf 2250 Personen anzusteigen. Im vorerst letzten Verfahren waren 215 Stellen in der allgemeinen Verwaltung ausgeschrieben worden. In den beiden Jahren zuvor waren es 200 stellen.

Im Hamburger Umland gibt es eine etwas andere Situation

„Wir sind ein guter und moderner Arbeitgeber“, streicht Julia Sprei heraus. Den Beschäftigten werde Arbeitsplatzsicherheit und flexible Einsatzbedingungen garantieren. In der aktuellen Situation gebe es kurzfristig realisierbare Unterstützung, wie zum Beispiel die Tätigkeit im Homeoffice. „Vor diesem Hintergrund werden unsere Bewerbungszahlen auf hohem Niveau bleiben“, prognostizierte die Fachfrau.

Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze.
Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze. © Dirk Schulz | Unbekannt

In den schleswig-holsteinischen Kommunen im Bergedorfer Umland gibt es eine differenzierte Situation. „Eine positive Entwicklung haben wir im Bereich der technischen Berufe im vergangenen Jahr gesehen. Dort ist die Nachfrage von Bewerbern gestiegen“, sagt Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze. Schwierig ist die Besetzung von Ingenieursposten und im Bereich Erziehung und Sozialpädagogik, wobei der Bürgermeister das vergangene Jahr auch in diesem Bereich als positiv verbucht.

Um dem Mangel im pädagogischen Bereich entgegenzuwirken, bietet Geesthacht seit 2020 eine Praxisintegrierte Ausbildung zum Erzieher (PIA) an. Zwei Plätze werden derzeit angeboten, die Zahl soll noch erhöht werden. „Nur so können wir aktiv dem Fachkräftemangel entgegenwirken“, sagt Achim Hainke, Leiter des Fachdienstes Personal.

Ein Ausbildungsplatz pro Jahr im Amt Hohe Elbgeest

Geesthacht müsse durch die Nähe zu Hamburg immer mit der Großstadt konkurrieren, die für manchen Bewerber attraktiver zu sein scheint. Punkten kann die Elbestadt im Moment vor allem in Berufsfeldern, die eher untypisch für Verwaltungen sind. So hat es auf die zum Dezember 2020 besetzte Stelle der Stadt- und Kulturmanagerin knapp 40 Bewerbungen gegeben.

Ein Ausbildungsplatz pro Jahr wird im Amt Hohe Elbgeest ausgeschrieben. Der Platz ab Sommer 2021 ist vergeben, berichtet Amtsdirektorin Christina Lehmann. 16 Bewerber empfindet die Chefin einer Behörde mit 80 Mitarbeitenden als ein normales Interesse. Anders sieht es bei den Bewerbungen für den allgemeinen Verwaltungsdienst im Amt sowie Stellen in den elf amtsangehörigen Gemeinden, etwa in den Kindergärten sowie dem Bauhof aus.

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„Dort haben wir viele Bewerbungen bekommen“, sagt die Behördenchefin. 18 Auswahlverfahren hat die Verwaltung im vergangenen Jahr gestartet, sieben für das Amt und elf für die Gemeinden. Schwierig war und ist es, Stellen für qualifizierte Berufe, wie Ingenieure und Techniker zu besetzen. Dort ist die Bewerberzahl gleichbleibend niedrig, doch „wir haben immer ,den Richtigen' gefunden“, so Christina Lehmann.

In Reinbek ist das Interesse von Sparte zu Sparte unterschiedlich

Ein differenziertes Bild ergibt sich auch in Reinbek. „Bisher ist das Bewerbungsverhalten spezifisch darauf zurückzuführen, welche Stelle ausgeschrieben ist“, sagt der büroleitende Verwaltungsbeamte Jürgen Vogt-Zembol. Von Sparte zu Sparte ist das Interesse unterschiedlich, abhängig auch vom bestehende Fachkräftemangel. Insgesamt stellt der Spitzenbeamte fest: „Wir haben bisher keine Veränderung in der Bewerberlage feststellen können.“