Bergedorf. Nach zehn Jahren Arbeit sind 94.000 alte Fotoplatten digitalisiert. Sie schauen zurück bis ins Weltall im ausgehenden 19. Jahrhundert.

Wenn Sterne explodieren, sich Schwarze Löcher auftun oder gar ein Himmelsobjekt im Verdacht steht, auf Kollisionskurs mit der Erde zu sein, dann würden Forscher gern in die Vergangenheit blicken: Wie ist es zu dem beobachteten Phänomen im Weltall gekommen? Gab es einen Auslöser? Oder eben: Stimmt die berechnete Flugbahn?

Genau das ist jetzt möglich: „Wir haben ein digitales Gedächtnis vom Himmel über der Nordhalbkugel der Erde“, konnte Dr. Detlef Groote von der Hamburger Sternwarte in Bergedorf am Freitag verkünden. Zehn Jahre hat der Astrophysiker und ehemalige IT-Chef des Observatoriums daran gearbeitet.

Wissenschaft: Sternwarte digitalisiert historische Bilder aus dem Weltall

Mit einem kleinen, teils ehrenamtlichen Team und gefördert mit einer halben Million Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ging es darum, einen lange verkannten Schatz der Sternwarte zu heben: ihr rund 45.000 Fotoplatten großes Archiv, das mehr als 100 Jahre in die Vergangenheit reicht.

Seit 2012 sind sogar gut 94.000 der alten Platten aus verschiedenen Observatorien digitalisiert und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden – unter anderem im Online-Archiv der Hamburger Sternwarte. „Es ist eine Datenbank, die Himmelsaufnahmen diverser Forschungsprojekte der vergangenen 130 Jahre umfasst und so den Blick zurück ermöglicht“, sagt Detlef Groote. „Natürlich ist die Präzision der Aufnahmen nicht vergleichbar mit den heutigen modernen Messmethoden. Aber durch die Digitalisierung haben wir aus den alten Fotoplatten trotzdem eine Genauigkeit herausarbeiten können, die zu den Zeiten, als sie gemacht wurden, absolut unvorstellbar war.“

Astrophysiker der Sternwarte betreut Projekt selbst im Ruhestand weiter

IBlick in den Park der Hamburger Sternwarte auf dem Gojenberg in Bergedorf. Seit 1912 ist hier ihr Sitz.
IBlick in den Park der Hamburger Sternwarte auf dem Gojenberg in Bergedorf. Seit 1912 ist hier ihr Sitz. © Privat | Privat

Groote hat das Projekt über seinen Eintritt in den Ruhestand hinaus betreut: Der Astrophysiker ist heute 73 Jahre alt, wollte die Digitalisierung aber unbedingt bis zu ihrem Abschluss selbst mit vorantreiben. „Jetzt sind wir so weit und haben alle Einzelplatten natürlich auch so miteinander verknüpft, dass man sie bei der Erforschung konkreter Beobachtungen auch tatsächlich zeitlich hintereinander legen kann.“ Aktuell gehe es noch darum, die mitgelieferten Schriftsätze und Daten zu überprüfen. „Ende dieses Jahres werden wir damit wohl endgültig fertig sein.“

Dass er dann tatsächlich ganz in den Ruhestand gehen kann, glaubt er nicht: „Es werden immer wieder mal neue Fotoplatten in den Observatorien entdeckt, teils sogar welche aus Bergedorf. Die pflegen wir dann natürlich weiterhin ein. Ich bleibe also in Rufbereitschaft.“

Andere Universitäten schlossen sich dem Hamburger Projekt an

Tatsächlich ist der Kreis der berücksichtigten Sternwarten über die Jahre immer größer geworden. Nach dem Ursprung 2012 in Bergedorf folgten das Leibnitz-Institut für Astrophysik in Potsdam, die Uni Erlangen-Nürnberg und sogar die Universität Tartu in Estland. Sie schlossen sich zum Projekt „Archives of Photographic Plates for Astronomical Use“ (Applause) zusammen. In Potsdam und Tartu wurde sogar eine Software entwickelt, die Staub und Kratzer auf den alten Platten erkennt und mittels künstlicher Intelligenz ausgleichen kann.

Diese Innovation ist auch für Detlef Groote selbst wichtig. Denn er ist nicht nur IT-Experte, sondern als promovierter Astrophysiker auch Spezialist für Schwarze Löcher. Sie waren sein Forschungsschwerpunkt, seit er 1982 an die Sternwarte nach Bergedorf kam. „Wie der Name schon sagt, sind sie im schwarzen Weltall eigentlich unsichtbar. Allerdings saugen sie regelmäßig Sonnen ein, deren Licht sich dann wie in einem Strudel kreisförmig um den dunklen Kern zieht.“

Die Präzision der davon gemachten Bilder ist wichtig für alle Berechnungen. So gibt es auch in unserer Galaxie, der Milchstraße, ein Schwarzes Loch. Es wird geschätzt, dass es bereits eine Masse eingesogen hat, die 4,2 Millionen Sonnen entspricht. Unsere soll aber noch in sicherer Entfernung dazu liegen.