Nettelnburg. Autor Christian Dittloff aus Nettelnburg verlor 2018 Vater und Mutter. Nun liegt sein Buch „Niemehrzeit“ vor.

Ihm ist gelungen, was nur wenige Autoren schaffen: Gleich für sein erstes Buchmanuskript fand der Nettelnburger Christian Dittloff 2018 einen großen Verlag. Und heimste für seinen Debütroman „Das weiße Schloss“ danach viele gute Kritiken ein. Nun legt der inzwischen in Berlin lebende 38-Jährige nach: In „Niemehrzeit – Das Jahr des Abschieds von meinen Eltern“ (Piper, 20 Euro) erzählt er von dem Verlust des Vaters und der Mutter. Beide starben 2018 nur kurz nacheinander, beide litten an chronischen Lungenkrankheiten.

Er habe sich mit diesem Buch „ihren Tod und ihr Leben mit Worten begreifbar“ machen wollen“, sagt Christian Dittloff. „Zuerst waren es persönliche Notizen nur für mich, die dann irgendwann zu einem sehr persönlichen Buch angewachsen sind. Über sie zu schreiben war auch so etwas wie eine lebensverlängernde Maßnahme, denn während ich etwa zwei Jahre an diesem Buch schrieb, waren sie mir unglaublich nah.“

Schüchterne erste Blicke einst in der Bahn

Für sein mehr als 200 Seiten dickes, autobiografisches Buch hat der 38-Jährige wohl auch deshalb einen sehr ungewöhnlichen Einstieg gewählt. In romanhafter Erzählweise schreibt er zunächst, wie sich seine Eltern einst wohl begegneten.

Er erzählt von schüchternen Blicken in der Bahn, dann erste Worte und schließlich eine Verabredung am Jungfernstieg. Und wechselt dann zu dem Moment, als das Telefon in Berlin klingelte. Morgens recht früh. Seine Mutter, die ihm mitteilte: „Papa ist heute Morgen friedlich eingeschlafen.“

„Ich glaube, dass in jeder individuellen Trauererfahrung etwas ganz Allgemeingültiges liegt“, meint Christian Dittloff. Doch sein Buch solle nicht nur ein Buch über Trauer sein, sondern vor allem „über Trost und persönliches Wachstum“.

Sein Vater liebte Helene Fischer und Fußball

Und persönlich, das ist dieses Buch. Christian Dittloff schafft es, den Lesern zwei Menschen nahezubringen, die sie nicht kannten. Er erzählt nicht nur von dem Moment der Rückkehr ins heimische Hamburg, von den ersten Gedanken, Gefühlen und all den organisatorischen Aufgaben. Sondern er nähert sich seinem Vater fast analytisch. „Seitdem mein Vater gestorben ist, werde ich häufig gefragt, wie er war“, heißt es an einer Stelle. „Als er noch lebte, fragte mich das niemand.“ Dann zählt er auf: Mein Vater war lieb. Mein Vater war vorsichtig. Mein Vater liebte Fußball. Mein Vater mochte Helene Fischer. Mein Vater verdrehte alle italienischen Nudelnamen, um meine Mutter zur ärgern: Knochis, Spajetti, Fossilien.

Christian Dittloff erzählt detailgenau auch von der Beerdigung, dem Trauergefühl – und der Sorge um die Mutter, die zunehmend wackelig mit ihrem Gehwagen unterwegs ist. Sie kommt ins Pflegeheim, wird schwächer. Wenig später stirbt auch sie. Und Christian Dittloff versucht auch sie, „faktisch“ zu betrachten: Meine Mutter hasste gut gemeinte Ratschläge. Meine Mutter konnte nicht schwimmen. Meine Mutter tat nichts, worauf sie keine Lust hatte. Meine Mutter hat Lord Extra geraucht.

Intensive Beschäftigung war „ein großes Geschenk“

Das Schreiben des Buches habe bei aller Trauer auch einen „schönen Effekt“ gehabt, sagt Christian Dittloff. „Ich habe meine Eltern noch einmal neu kennengelernt.“ Er habe ihr Leben im Ganzen betrachtet. „Dadurch habe ich intensiv gefühlt, dass meine Eltern, ja nicht ,nur’ meine Eltern waren, sondern Menschen weit darüber hinaus. Und das durch die intensive Beschäftigung ganz direkt zu spüren, war ein großes Geschenk.“