Bergedorf. Was hat dieser Mann alles durchgemacht: Flucht aus Syrien, dann ein Neuanfang in Deutschland. Jetzt kämpfte er in Tokio.

Tokio? So richtig viel hat Yamen Alikaj aus Bergedorf von Japans Hauptstadt nicht gesehen. Denn die Athleten dürfen sich bei den Olympischen Spielen nur mit Hilfe des Fahrdienstes zwischen dem Olympischen Dorf und den Wettkampfstätten bewegen. Kontakte zur Bevölkerung oder gar Spritztouren auf eigene Faust sind nicht drin. „So habe ich nur den Weg zum Kodokan und zum Budokan gesehen“, bedauert der 29-Jährige. Doch für jeden Judoka sind das heilige Orte. Vor allem das Kodokan, das mitten in der Megacity Tokios liegt. Vor dem Eingang steht eine Statue von Kano Jigoto Shihan (1860-1938), dem Begründer des Judosports, der hier gewirkt hat. „Hier an diesem Ort lebt die Judo-Seele“, schwärmt Alikaj. „Hier kann man so viel Power bekommen. Man möchte gar nicht wieder aufhören zu trainieren.“

Flucht per Schlauchboot über das Mittelmeer

Alikaj gehört zum 29-köpfigen Flüchtlingsteam des Internationalen Olympischen Komitees. Aufgewachsen ist er in Aleppo in Syrien. Gerade einmal sechs Jahre ist es her, dass seine Familie dort ihr Restaurant aufgab und vor dem Krieg nach Deutschland floh. Es war eine beschwerliche Reise, die ihn über den Libanon in die Türkei, und von dort per Schlauchboot nach Griechenland führte. „Dann ging es zu Fuß, mit dem Bus und mit der Bahn weiter nach Deutschland“, erinnert er sich. Schon in Syrien hat er leistungsmäßig Judo betrieben. In Hamburg fand er in der Judo-Gemeinschaft Sachsenwald in der TSG Bergedorf schnell Anschluss, wird dort von Florian Hahn trainiert. Mit dem Judo-Team Hamburg wurde er Deutscher Meister. Dann kam die Einladung des IOC zu den Olympischen Spielen.

Als Allererster durfte Alikaj auf die Judomatte

Als das IOC einen Artikel über den „Mann, der dem Krieg entkam“ veröffentlichte, wurden die Medien in Tokio auf ihn aufmerksam. Auch der NDR besuchte mit einem Kamerateam sein Training. Zumal Alikaj bei Olympia eine ganz besondere Ehre zuteil wurde. In der gewaltigen Budokan-Halle, in der einst schon die Beatles, die Rolling Stones und Abba umjubelte Konzerte gaben, durfte Alikaj als Allererster auf die Matte treten. In der Klasse bis 73 Kilogramm traf er auf Somon Makh­madbekov, den Vize-Asienmeister aus Tadschikistan. Die Nummer 251 gegen die Nummer 14 der Welt, ein ungleiches Duell. Das dann auch nicht lange währte. Nach 1:37 Minuten rammte Makh­madbekov seinen einen Moment unaufmerksamen Gegner wie eine Dampfwalze von der Matte – Ippon, vorzeitiges Kampfende.

Großartiger Kampf gegen den Deutschen Igor Wandtke

Alikaj war trotzdem überglücklich, zumal er anschließend im Mannschaftswettbewerb seinem deutschen Gegner Igor Wandtke alles abverlangte und erst Sekunden vor dem Ende der Kampfzeit unterlag. „Ich habe auf der olympischen Judo-Matte gekämpft“, freut sich der Bergedorfer. „Das war wie ein Traum. Ich wollte gar nicht mehr aufwachen.“

Neuer Kinderkursus bei der Judo-Gemeinschaft Sachsenwald

Kinder, die jetzt Lust bekommen haben, Judo auch selbst einmal auszuprobieren, haben demnächst Gelegenheit dazu. Bei der Judo-Gemeinschaft Sachsenwald in der TSG Bergedorf startet am 19. August ein Judo-Kursus für Kinder der Jahrgänge 2013 bis 2015. Geübt wird in einer geschlossenen Gruppe ohne spätere Einstiegsmöglichkeit immer donnerstags von 17 Uhr bis 18.30 Uhr in der kleinen Sporthalle der Gretel-Bergmann-Schule (Margit-Zinke-Straße) in Neuallermöhe. Anmeldungen erfolgen bitte per E-Mail an: florian_hahn@tsg-bergedorf.de.