Bergedorf/Lauenburg. Gäste bleiben weg, Feiern werden abgesagt – Gastronomen fordern klare Regeln: Besser einen Lockdown als unklare Perspektiven.
Furcht und Unmut unter den Gastronomen wachsen: Immer neue Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie einerseits, wachsende Zurückhaltung der Gäste andererseits lassen viele verzweifeln. In Teilen Schleswig-Holsteins ist das Geschäft mit Weihnachtsfeiern bereits zu 50, 70 Prozent und mehr abgesagt, melden örtliche Hotel- und Gaststättenverbände. Eine steigende Zahl an Gastronomen setzt, wie der Büchener Marius-Michael Munteanu, auf einen Lockdown – in der Hoffnung, dass sich die Corona-Welle brechen lässt. Andere fürchten, dass ein Lockdown über Weihnachten hinausreichen wird.
Auch unter Bergedorfs Gastronomen sind die Gefühle gemischt, um das Weihnachtsgeschäft sorgen sich jedoch alle. Rinko Talwar leitet das Flavours Steakhouse (Leuschnerstraße 72). Ohnehin kämen durch 2G und hohe Infektionszahlen weniger Gäste, jetzt würden auch die Weihnachtsfeiern langsam wegfallen: „Gerade haben 45 Personen abgesagt, weil nicht alle die 2G-Nachweise liefern können.“
Corona: Gastronom fordert Lockdown
Talwar kann sich gut vorstellen, dass noch im Dezember ein bundesweiter Lockdown verhängt wird. „Es wäre besser, jetzt alles zu schließen, um Weihnachten wieder öffnen zu können.“ Planen sei schwierig, auch der Einkauf: „Wir warten ab, letztes Jahr mussten wir einiges wegwerfen.“
Auch Restaurantbetreiber Donato Tricarico von der Trattoria Olivo (Am Brink 10) könnte sich vorstellen, dass die Corona-Zahlen im Lockdown erheblich sinken. Für sinnvoll hält er die Idee derzeit nicht. „Das schadet der Psyche der Menschen. Und wenn Weihnachten die Familien zusammenkommen, schießen die Zahlen direkt wieder in die Höhe.“ Er appelliert an die Vernunft der Menschen, sich mit den Kontakten wieder etwas zurückzuhalten.
„Wir haben viele Probleme mit den Kontrollen"
Auch wären manche Lockerungen nicht nötig gewesen, etwa, dass Gäste bei 2G ohne Maske durchs Restaurant laufen dürfen. „Wir haben viele Probleme mit den Kontrollen. Die Menschen verstehen nicht, dass wir immer nach den Nachweisen fragen müssen.“ Weihnachtsfeiern seien derzeit noch viele angemeldet – jedoch eher kleinere Gruppen. „Gerade für Wochenenden haben wir Reservierungen. Daher kaufe ich auch normal ein.“
Philipp Stiller, der mit Andreas Kilonzo das Schlossrestaurant In aller Munde leitet, hält sich mit Bestellungen zurück. Dabei benötigt er für das geplante Weihnachtsmenü (25. und 26. Dezember) noch Weihnachtsenten. „Der Lieferant hat zugesichert, dass es reicht, wenn wir in der Woche vor Weihnachten bestellen.“ Um auf mögliche Schließungen vorbereitet zu sein, will Stiller den Lagerbestand zunächst klein halten – obwohl die Fleischpreise „durch die Decke gingen“.
Ernüchterung auch im Bergedorfer Ristorante Mamma Mia
„Je näher das Fest rückt, desto teurer wird das Geflügel“, so Stiller. Das sei normal, aber dieses Jahr sei durch Corona weniger Fleisch auf dem Markt – die Preise damit noch höher. Dennoch gehe er kein Risiko ein: „Ein Drittel der Weihnachtsfeiern ist schon weggebrochen, viele sind sehr verunsichert.“
Ernüchterung auch im Bergedorfer Ristorante Mamma Mia am früheren Güterbahnhof. 150 Menschen passen in das italienische Lokal. „Fast alle Firmen haben ihre Weihnachtsfeiern wegen Corona abgesagt und generell kommen momentan nicht viele Gäste“, so Inhaberin Julieta Grath. Über Weihnachten und Silvester hofft sie auf 80 bis 100 Gäste – wenn alles bleibt, wie es ist. Optimistisch ist Grath jedoch nicht: „Wahrscheinlich wird alles wieder zugemacht, aber dann auch über Weihnachten und Silvester.
Enten und Gänse bis Weihnachten bestellt
„Kollegen wünschen sich einen Lockdown“, bestätigt Anke Asmus, Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) im Kreis Herzogtum Lauenburg. Viele seien die unsichere Entwicklung und die fehlende Planungssicherheit leid. „Für mich selbst wäre ein solcher Lockdown aber verheerend“: Die Betreiberin der Gaststätte Hans Heitmann in Wotersen hat bereits bis Weihnachten bestellt: „Enten, Gänse und weiteres Geflügel zum Fest bekomme ich sonst kaum, die Geflügelpest hinterlässt deutliche Spuren.“
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Für einen Lockdown spricht sich Marius-Michael Munteanu aus, er betreibt in Büchen die Bar M4. „Ich weiß nicht, warum die Verantwortlichen aus dem ersten Lockdown so wenig gelernt haben. Der ist doch allemal besser planbar als das ständige Hin und Her“, meint der „Befürworter klarer Regeln“. Es sei doch besser, zwei Wochen in den Lockdown zu gehen, „als weiter zu versuchen, die Zukunft ohne gesicherte Grundlagen zu planen“.
„Bei uns sind Stimmung und Buchungslage gut“
Optimistischer beurteilt derzeit Thomas Prantner die Lage. „Bei uns sind Stimmung und Buchungslage gut“, sagt der Mitinhaber der „Elbterrasse“ in Lauenburg. Für beide Weihnachtstage sei das Restaurant noch voll gebucht: „Wir wollen beide Tage je 500 bis 600 Gäste bewirten, jeweils im Drei-Schicht-Betrieb.“ Doch die Zurückhaltung wachse. Vereinzelt gebe es für die Adventszeit Abbestellungen, so Prantner: „Da sind dann Zehn-Personen-Tische mit sieben Gästen besetzt.“ Tatsache sei, die Situation sei schwer planbar. Für Weihnachten bleibe man optimistisch, bestelle eine große Zahl Enten und Gänse. „Wenn das schiefgeht, sitzen wir auf einem Berg an Ware, den wir im Januar kaum abbauen könnten.“
Er wünsche sich eher dauerhaft Klarheit als einen Zwischen-Lockdown, so Prantner. „Es gibt aber Stimmen, die plädieren für einen sofortigen Lockdown. Damit vor Weihnachten wieder geöffnet werden darf.“
2G und Testpflicht wäre der Todesstoß
Einen Lockdown hält Sascha Franke, Gastronom aus Geesthacht mit drei Lokalen, im Zweifelsfall für die bessere Lösung. Allerdings glaubt er nicht, dass zwei Wochen reichen werden. „In dem Fall bin ich für klare Kante. Entweder komplett dicht, auch über Weihnachten hinaus, oder verlässliche Regeln für die Gastronomie.“
Mit 2G komme man derzeit noch irgendwie klar. Auch wenn Gesellschaften kleiner ausfielen, weil nicht alle geimpft sind. Oder reservierte Tische komplett storniert würden, „aus Solidarität mit den Ungeimpften“. Sollte jedoch noch auf 2G plus verschärft, „eine Testpflicht für alle gefordert werden, wäre das der Todesstoß“, so der Betreiber von Landhaus Tesperhude, Forsthaus Glüsingen und Dorfkrug Hamwarde. Abgesehen vom zusätzlichen Aufwand drohten dann für die wichtigsten Tage große Probleme. „An Weihnachten sind doch keine Tests zu bekommen. Und wo doch, gäbe es riesige Schlangen vor wenigen geöffneten Testzentren.“
Corona: Maßnahmen werden vermutlich verschärft
Angesichts der sich weiter verschärfenden Corona-Lage bleibe voraussichtlich nichts anderes, als die Maßnahmen weiter zu verschärfen, so Franke. Bevor die Politik einen neuen Lockdown verfüge, damit Fragen nach der Unterstützung von Handel und Gastronomie aufwerfe, werde zunächst 2G plus verfügt. „Wenn Gäste dann wegbleiben, können die politisch Verantwortlichen sagen, das sei unternehmerisches Risiko, dafür seien sie nicht verantwortlich.“