Hamburg. Viele Inhaltsstoffe gelten als gefährlich und stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Tätowierer initiieren eine Petition.

Ein Koi-Karpfen, der nicht orange leuchtet? Ein Hawaii-Mädchen, dessen Blumenschmuck bloß verschiedene Grautöne hat? Das kann sich Mike Mackeprang nur schwerlich vorstellen. Denn der Tätowierer, der seit 16 Jahren in seinem Studio an der Straße Am Brink in Bergedorf nicht nur Stammkunden von seinen vielen Maui-Reisen vorschwärmt, hat sich vor allem auf polynesische Motive spezialisiert. Damit ist es nun aber vorbei, nicht nur im „Tattoo Exotica“: Von sofort sind in der EU bunte Tattoo-Farben verboten.

Die Farben wie „Hot Pink“, „Golden Yellow“ oder „Royal Orange“ enthalten Pigmente und Konservierungsmittel, die seit 2020 in der EU-Chemikalienverordnung REACH auf der roten Liste stehen. Bereits 2023 droht der bunten Branche dann ein weiterer Schlag: die Pigmente Blue 15 und Green 7 – in zwei Dritteln aller Tattoo-Farben enthalten – werden ebenfalls verboten. Beide stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.

Änderungen 2022: EU verbietet bunte Tattoo-Farben

„Erst sollten es nur ein paar Pigmente sein, jetzt ist es die komplette Farbpalette von jeder Firma“, ärgert

Tattoo-Fan Eike Grohmann (45).
Tattoo-Fan Eike Grohmann (45). © BGZ / Anne Strickstrock | Anne Strickstrock

sich Mackeprang, der seine Kunden „auf unbestimmte Zeit vertrösten“ muss, denn: Eine Alternative gibt es bislang nicht. „Derzeit hat lediglich der Hersteller ,I AM INK’ Zertifikate für Schwarz und Weiß. Und die werden sogar limitiert verkauft, damit niemand bunkert wie das Klopapier zu Beginn der Pandemie“, sagt der 50-Jährige.

Auch er hat längst die europaweite Petition unterschrieben, die bislang 53.000 Unterstützer fand und einen großen Kritikpunkt anspricht: Viele Tätowierer fürchten, dass sich die Kunden nun auf eher unseriöse Anbieter verlegen, die „noch nie und sich auch weiterhin an keine Verordnungen halten werden“, so der Österreicher Erich Mähnert, einer der Initiatoren der Petition „Save the Pigments“. Sein Mitstreiter Michael Dirks beklagt: „Das Verbot basiert auf einem reinen Verdacht der Europäischen Chemikalienagentur ECHA und beinhaltet keine ausreichende wissenschaftliche Datenlage.“

Stammkunden in Bergedorf kommen zu 40 Prozent ohne Farbtöne aus

Aber natürlich möchte er nicht mit gesundheitsschädlichen Farben arbeiten, betont Mike Mackeprang, der seinen Ordner mit Farb-Zertifikaten „jetzt wohl in die Tonne hauen“ kann. Zwangsläufig greift er derzeit auf die neuen, etwas teureren Schwarz- und Weiß-Produkte zurück.

„Schwarz/Weiß wirkt schnell mal morbide und dunkel. Aber bei Porträts sieht das sehr gut aus“, sagt der unverzagte Mann, dessen Stammkunden zu 40 Prozent ohne Farbtöne auskommen. Die anderen 60 Prozent indes müssen sich gedulden: „Eine Frau, die ein buntes Mandala haben wollte, hat abgesagt. Auch Herzen und Schmetterlinge gehen ebenso wenig wie eine Meerjungfrau, die nun mal einen blauen Fischschwanz braucht.“

Bis Sommer kommen hoffentlich zugelassene Farben auf den Markt

Der Bergedorfer Tätowierer Mike Mackeprang wartet auf neue, zugelassene Farben.
Der Bergedorfer Tätowierer Mike Mackeprang wartet auf neue, zugelassene Farben. © BGZ | strickstrock

Jetzt müsse er eben neue Entwürfe zeichnen, die groben Tribals – Völkerstamm-Motive – seien ohnehin längst „aus der Zeit“. Im April wolle ein Kunde einen grau-schwarzen Drachen auf seinem Rücken haben. Andere, die sich eine Südsee-Szene oder einen großen Koi-Karpfen auf dem Oberarm wünschen, beschränken sich zunächst auf die Außenlinien.

„Wir machen den Grundriss, die Schattierung und die Tiefe. Bis zum Sommer werden hoffentlich auch zugelassene Farben auf den Markt kommen“, hofft Mike Mackeprang, der sich nicht unterkriegen lassen will – zumal trotz 2G-Corona-Regel täglich ein bis zwei Kunden kommen: „Ich will einfach nur mal wieder meinen Job in Ruhe und erfolgreich machen“, sagt der 50-Jährige.

Wenigstens konnte er Stammkunde Eike Grohmann auf die letzten Tage noch glücklich machen: Unter dessen Kranich auf den Schulterblättern war noch Platz für Farbe: Jetzt hat der 45-Jährige, der seinen Körper seit 15 Jahren tätowieren lässt, noch einen Windstrudel auf dem Popo und grüne Gräser – quasi für die Landung des Vogels.