Bergedorf. Wer Haie, Schildkröten und Tiki-Masken mag, lässt sich von Mike Mackeprang stechen.

Totenköpfe sind geil, bunte Koi-Karpfen und Hammerhaie, dazu rankige Blumenmuster. Aber bis dahin war es ein kilometerlanger Weg. Denn nach dem Realschulabschluss an der Ernst-Henning-Schule war zunächst eine Lehre als Offset-Drucker angesagt – samt Bleisatz und Buchbinderei. „Aber das war grausam langweilig, immer zu warten, bis ein Papier aus der Maschine herauskam“, erinnert sich Mike Mackeprang, der doch viel lieber kreativ zeichnen wollte oder Skulpturen bauen.

Das erste war „irgendwas Japanisches“

Als er 17 war, ging das ganze Lehrgeld für sein erstes Tattoo drauf: Irgendwas Japanisches, das er auf dem Plattencover der Psychobilly-Band „Guana Batz“ gesehen hatte. „Da ist diese Leidenschaft entstanden, wollte ich irgendwann meinen ganzen Körper voll haben.“ Das ist fast gelungen – bloß sein Gesicht ist tabu.

Auf Maui gestrandet

Tricks und Kniffe lernte er bei einem Tätowierer in Bremen, bevor sich der Wassersportler („ich liebe Wellenreiten“) seinen Paradiestraum erfüllte, die Wohnung abmeldete und 1998 ein One-Way-Ticket kaufte – nach Hawaii. „Ich wollte die Welt sehen und viele Inseln abklappern, blieb aber gleich eineinhalb Jahre auf Maui. An einer Kneipentheke lernte ich meine zukünftige Chefin kennen, die sagte, ich müsse eine Lizenz machen. Bis dato wusste ich auch nicht, was Haarwurzel oder kleiner Leberfleck auf Englisch heißt“, erzählt der heute 49-Jährige, der seither locker zehnmal auf Hawaii war.

Tiere und Gottheiten

Auf Touristen-Souvenirs wie kleiner Delfin oder Regenbogen hatte er von Anfang an keinen Bock. Aber die Locals der Südsee-Inseln standen auf große Stücke, auf ihre polynesischen Muster, wie der Hai etwa für Stärke steht, die Schildkröte für ein langes Leben. Dazu kommen Speerspitzen, Angelhaken, Blumenornamente, Schwertfische, das Marquesas-Kreuz der Maori und Gottheiten, denen mit einer Tiki-Maske gehuldigt wird.

„Ich mail Dir einen Entwurf für den polynesischen Manta auf deiner rechten Schulter. Aber vor Mitte Oktober habe ich keinen Termin mehr frei“, sagt Mike einem Kunden, der in den „Exotica-Tattoo“-Laden Am Brink 3 kommt. Den hat er vor 15 Jahren in Bergedorf eröffnet, lebt von vielen Stammkunden.

„Bloß nicht im Gesicht“

Einer davon ist Eike Grohmann aus Lohbrügge. Dem Schulbegleiter fliegt ein bunter Kranich über den Rücken, kriecht eine Schlange über die Po-Backen. „Aber Bauch und linkes Bein sind noch jungfräulich. Bloß wenn ich mir das Gesicht tätowieren lassen würde, droht meine Freundin mit der Trennung“, sagt der 44-Jährige, dem auf dem Arm ein blaues Auge aus einem roten Herz leuchtet, am Hals Anker, Eule, Krone und Steuerrad zusammentreffen. Sogar eine gehörnte Ehefrau aus der japanischen Mythologie lässt sich finden und ein roter Stern auf dem Ellenbogen – „wobei es direkt am Kochen am meisten wehtut, also auch am Knie“, sagt Tätowierer Mike, der selbst vor haarigen Hintern nicht zurückschreckt, auch mal einen Penis tätowiert hat – dabei brachte der Kunde eine Salbe mit, die die Haut betäuben sollte. „Aber die wirkte höchstens im Kopf. Denn eigentlich geht es darum, den Schmerz zu ertragen“, sagt der Fachmann.

„Früher waren die Farben giftiger“

Das Muster müsse nicht immer eine Bedeutung haben, bloß gefallen – selbst eine Rose erscheint ihm nicht zu banal: „Man kann sie ja real, im Seemanns-Style oder als Comic machen.“ Er rate dem Kunden immer nur zu dem, was künstlerisch wertvoll ist – und lehnt rigoros politische Meinungsäußerungen ab. „So ein Tattoo bleibt ja für die Ewigkeit, es wird mit mir alt“, sagt der 49-Jährige – und erinnert noch Zeiten, in denen er selbst die Nadeln lötete, die Puder-Farben anmischte: „Die waren zwar giftiger als heute, hielten aber auch länger.“

„Geile Entwürfe“

Er wolle ein missglücktes Motiv nachstechen lassen, außerdem Herz und Anker auf die Fingerkuppen tätowieren lassen, sagt ein nächster Kunde, der den Laden betritt, also zwischen einer geblümten Hawaii-Mädchenpuppe aus Tikitiki steht, einer Honolulu-Fahne, Bambus, Stroh und einem Surfbrett samt Skelett. Etwas Naturnahes sollte es bei Sabina Breitbach sein, denn die 38-Jährige fühlt sich „im Herzen als Indianerin“, sagt die Drogerie-Verkäuferin und Freizeit-Reiterin. Einzigartig sei ihr Om-Zeichen, also der Weg ins Nirwana, und ihre Tätowierung, die ihre komplette linke Körperhälfte bedeckt: „Ich wollte das Unschöne verarbeiten, was ich erlebt habe“, deutet sie an. Darüber habe sie drei Jahre lang nachgedacht – „und Mike hat verstanden, was ich wollte, mir sehr geile Entwürfe gezeigt“.

Wenn ein Koi den Arm hoch schwimmt

Klar, dass er einer zierlichen Frau kein deftiges Bauarbeiter-Tattoo macht, sagt Mike Mackeprang und zieht sich die schwarzen Gummihandschuhe über: Ein Mann aus Reinbek bekommt auf dem rechten Oberarm einen roten Koi, der nach oben schwimmt – sein erstes Tattoo: „Das wird mein Glücksbringer und sagt mir, dass man sich immer durchkämpfen muss“, meint der 53-Jährige, der wohl sechs Sitzungen durchhalten muss: „Das tut schon weh, aber es gibt ja Pausen.“

Knittrig-bunt ist ok

Eine Sitzung dauert etwa vier Stunden und kostet zwischen 400 und 500 Euro. Und allein für einen Arm braucht Mike acht Sitzungen, wenn es viele Details sein dürfen. Manchmal indes geht das nicht: „Bei schwarzen Menschen sieht das Tattoo schnell grau aus, da muss man das Motiv clever wählen“, erklärt er – und räumt mit einer weiteren Sorge auf: „Natürlich altert unsere Haut. Aber am Ende habe ich doch lieber bunte als weiße Falten, oder?“

Wer das ähnlich sieht, macht unter Telefon (040) 72 69 96 86 am besten mal einen persönlichen Termin aus und bringt schon eine gereifte Idee mit. Denn, so Mike Mackeprang: „Ich mache nix für ganz junge Erwachsene, die meinen, mit einem Tattoo auf dem Hals gleich zum Rockstar zu werden.“