Hamburg. Der bekannte Imbisswirt Ingo gibt am Freitag ein Konzert in der Lola. Im Interview gibt er Einblicke in sein Musikerleben.

Mit der von ihm gegründeten Band Texas Lightning trat er 2006 beim Eurovision Song Contest an, der Titel „No No Never“ blieb noch wochenlang in den Charts. Als Imbisswirt Ingo stand er an der Seite Olli Dittrichs in der Fernsehserie „Dittsche“ vor der Kamera. Nun ist Jon Flemming Olsen (57) live in der Lola zu sehen und zu hören. Das Konzert des Wahl-Hamburgers in der Lohbrügger Landstraße 8 beginnt am Freitag, 8. April, um 20 Uhr, der Eintritt kostet an der Abendkasse 18 Euro. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über „Ausflüge aus dem Musikersein“.

Herr Olsen, der Großteil der Deutschen kennt Sie als Imbisswirt Ingo im TV-Spontan-Format „Dittsche“. Wie häufig werden Sie Ingo genannt?

Ich werde relativ selten auf der Straße angesprochen. Meine Perücke in der Rolle trägt anscheinend gut zur Tarnung bei. Wenn die nicht da ist, sehe ich einfach anders aus.

Mal über eine Namensänderung nachgedacht?

Überhaupt nicht, ich mag meinen Namen sehr gern. Ich habe mir den Namen selbst für die Rolle gegeben und Jahre gebraucht, um zu merken, dass der Ingo schon in meinem richtigen Namen Jon Flemming Olsen steckt.

Ist der Erfolg von „Dittsche“ mit nunmehr 30 Staffeln eigentlich geplant gewesen?

So etwas kann man gar nicht planen. Dass wir tatsächlich 17 Jahre laufen würden und dann noch mit einem Format, das in seiner Machart vollständig abweicht von allem anderen im deutschen Fernsehen, live und improvisiert, das gibt es sonst gar nicht. Ein großer Glücksfall. Mittlerweile schlüpft man in dieses Format hinein wie in einen sehr, sehr vertrauten und bequemen Hausschuh, in dem man sich gut auskennt.

Verlassen wir den Ingo in „Dittsche“ mal, denn Sie sind Schauspieler Moderator, Autor, Grafiker und nicht zuletzt Musiker. Wo sehen Sie sich hauptsächlich?

Als Musiker. Eigentlich sind all die anderen Berufe Ausflüge aus dem Musikersein. Mein Vater war Werbegrafiker, ihm habe ich immer gern über die Schulter geguckt. Damit bin ich sozusagen aufgewachsen. In unserer Familie wurde immer viel gemalt und gezeichnet. Als ich mit elf, zwölf Jahren die große Welt der Popmusik entdeckte, habe ich zugleich die große Welt der Schallplattencover wahrgenommen. Und dass man die Musik, die man schafft, auch noch mit Bildersprache bereichert. Als kleiner Butschi habe ich Stunden mit dem Beatles-Album „Revolver“ verbracht. Ich habe diese Platte immer und immer wieder gehört habe und dabei das Cover angeschaut: eine Federzeichnung des Hamburger Grafikers Klaus Voormann, wo die vier Beatles-Köpfe ineinander gezeichnet sind. Seitdem war Musik für mich untrennbar mit ihrer Visualisierung verbunden.

Sie gestalten selbst Covers. Welches ist das gelungenste?

Oh, das ist schwer zu sagen, weil es so viele sind. Spontan fällt mir das Udo-Lindenberg-Plattencover „Kosmos“ ein, ein weiteres für die Selig-LP „Blender“. Diese Arbeiten sind praktisch nicht gealtert.

Zum Nummer-eins-Hit „No No Never“ von Texas Lightning gab es damals ein Video. Rückblickend zu dieser Zeit haben sie mal gesagt: „Ich war kurz Popstar, aber dann zum Glück nicht mehr.“ Warum?

Weil es mich überwältigt hat. Überwältigt ist noch neutral ausgedrückt. Die große Sehnsucht, das Ziel, einmal einen Nummer-eins-Hit zu landen, hatte ich nie. Das soll jetzt nicht über Maß bescheiden klingen. Wenn man Ende der 90er-Jahre eine Country-Band gründet, dann bestimmt nicht mit dem Gedanken: „Das ist jetzt der Weg zu Ruhm und Erfolg.“ Das war eigentlich der Garant dafür, ein komplett unbekanntes Nischenprodukt zu bleiben. Und das war die Band ja auch lange Zeit, bis sie dann nach dem Einstieg von Olli und Jane Comerford aufploppte wie eine Silvesterrakete. Es war toll und aufregend – durch den immens hohen Erwartungsdruck von allen Seiten wurde es für mich allerdings innerhalb kurzer Zeit zu einer enormen psychischen Belastung. Anfang 2009 hab’ ich das Handtuch geworfen und mich sozusagen selbst entlassen. Was schwer war, weil die Band ja mein Baby war – selbst die Leuchtkakteen für die Bühne hatte ich selbst gebaut, die Vintage-Kleidungsstücke über Ebay in den USA ersteigert und vieles mehr. Aber ohne diese Krise und den Ausstieg wäre ich vermutlich niemals dazu gekommen, selbst deutsche Sachen auszuprobieren und zu schreiben. Ich bin jetzt komplett bei mir mit dem, was ich tue.

Sie erzählen in ihren Songs gern Geschichten wie Journalisten. Wieso fehlt dieser Beruf in ihrer Vita?

So ganz fehlt dieser Bereich gar nicht: Gerade bin ich gefragt worden, einen Aufsatz für die Kursbuch-Kulturstiftung über „Vertrauen“ aus der Perspektive des Tauchers zu schreiben. Und vor ein paar Jahren habe ich mal eine Reportage geschrieben über eine Toten-Gilde in Schleswig. Diese Vereinigung dörflicher Nachbarschaften ist, wie viele andere, zur Zeit der Pest in Deutschland entstanden. Zentrales Element war – und ist bis heute – das Versprechen, sich gegenseitig im wahrsten Sinne des Wortes unter die Erde zu bringen. Diese Geschichte war gleichermaßen spannend und anrührend. (Kurze Pause) Und das hätte ich fast vergessen: Ende der 80er-Jahre habe ich ein paar Jahre lang die Musik-Seite für „Hamburg Pur“, ein Gratis-Veranstaltungsmagazin, gemacht. Erst allein, dann gemeinsam mit meinem Freund Olli, der damals dringend Geld brauchte. Ich hab’ ihn dazugeholt, und wir haben uns das karge Zeilenhonorar geteilt.

Zur neuen Musik: Der Aufnahmeprozess zum aktuellen Album „Mann auf dem Seil“ war sehr speziell. Sagen Sie bitte etwas dazu.

Ich habe die Songs erst mal ein Jahr lang solo live und für mich selbst sozusagen rund gespielt. Dann habe ich mir die Frage gestellt, wie alles klingen soll. Streichinstrumente sind mir auch als Musikhörer immer mal wieder über den Weg gelaufen. Zum Beispiel bei Elvis Costello oder eben den Beatles. Gemeinsam mit einem Streichquartett einen Bandsound zu bilden schien einfach ein sehr interessantes Experiment zu sein. Und dann dachte ich mir, dass ich nicht einfach ins Studio gehe, weil die klinische Atmosphäre dort dem emotionalen Ausdruck der Songs nicht unbedingt zuträglich ist. Der Moment des Spielens vor Publikum, wenn man jemanden ansieht, das ist etwas ganz anders. Also haben wir Ende 2019 im Schmidtchen während eines Konzerts aufgenommen. Ein Live-Album, aber ohne die typischen Publikumsgeräusche! Ich habe die Konzertgäste gebeten, leise zu sein und erst zu applaudieren, wenn der letzte Ton eines Songs verklungen war. Es sollte einfach nur der Song sein und die Atmosphäre des Moments eingefangen werden.

Und wie spielen Sie die Songs in der Lola?

In ihrer Urform, ganz allein mit vielen verschiedenen akustischen Instrumenten wie Gitarre, Mandoline, Irish Bouzouki und Base-Snare-Drum. Wie eine One-Man-Band quasi. Eine sehr sportliche Angelegenheit. Die Aufnahmen mit den Streichern haben das Ganze in einen neuen Farbton getaucht, aber alle Lieder funktionieren auch mit der Minimalbesetzung.

Wie gut kennen Sie die Lola?

Ich habe in der Lola erst einmal gespielt, und das auch noch in den 1990ern: Mit den „Bietels“, einem Beatles-Cover-Trio mit Olli Dittrich am Schlagzeug und einem gemeinsamen Freund am Bass. Als Besucher war ich allerdings auch in den letzten Jahren dort und hab’ tolle Konzerte gesehen. Zum Beispiel Christina Lux und die leider viel zu früh verstorbenen Künstlerinnen Regy Clasen und Astrid North. Die Lola ist eine Institution.

Bleibt es denn bei Ihrem dreijährigen Veröffentlichungszyklus? Demnach wäre 2023 ja das nächste Album fällig.

Ehrlich gesagt habe ich noch nicht viel Neues geschrieben. Da ist Corona auch keine Hilfe, weil die gesamte Erlebniswelt eingebrochen ist.

Und wie sieht es mit einer neuen „Dittsche“-Staffel aus? Dort dauert die Pause seit Frühjahr 2021.

Ob der WDR dieses Format weiterbetreiben möchte, steht in den Sternen. Der Sender schweigt sich dazu aus.