Bergedorf. Mehrfamilienhaus an der Dietrich-Schreyge-Straße in Bergedorf weicht einem Neubau. Warum der Denkmalsachverständige entsetzt ist.

Alle Mieter sind ausgezogen, ihre Wohnungen ausgeräumt. Das Wohngebäude mit den kleinen 2- bis 2,5-Zimmer-Wohnungen (maximal gut 60 Quadratmeter) ist eingezäunt von einer Bausicherungsfirma. Klare Sache: Dieses Mehrfamilienhaus hat ausgedient und wird bald verschwinden.

Eigentlich fügt sich der rote Backsteinbau aus den 1930er-Jahren, bei dem der Architekt namens „Reusse“ vor 90 Jahren bewusst mit Klinker-Einsätzen spielte, nahtlos in die Häuserreihe entlang der Dietrich-Schreyge-Straße und ins gesamte Ensemble dieses Viertels ein – doch noch im Frühjahr wird das Gebäude mit den Hausnummern 1 bis 3 verschwinden und Platz machen für ein neues, größeres Mehrfamilienhaus – sehr zum Unwillen von alteingesessenen Bergedorfern.

Bauausschuss der Bezirksversammlung hat Projekt genehmigt

So wie Dr. Geerd Dahms: Der Denkmalsachverständige aus Bergedorf sieht nicht nur das schlichte Plattmachen eines historischen Hauses, sondern ist schlichtweg entsetzt: „Das sind meiner Meinung nach die interessantesten Häuser in diesem Gebiet. In Bergedorf werden Abbruchgenehmigungen erteilt, um das Hamburger Plansoll an neuen Wohnungen zu erreichen. Schlimm, wie hier große Wohnungen in historische Viertel reingepresst werden sollen.“

Insbesondere das Bergedorfer Bauamt sieht Dahms in der Verantwortung, nachdem der Bauausschuss der Bezirksversammlung besagtes Projekt mehrheitlich durchwinkte. Unter Denkmalschutz können Gebäude dieses Viertels nicht gestellt werden, da sind sich die Experten wie Dahms einig. Denn gerade Ensembles südlich der Dietrich-Schreyge-Straße sind baulich bereits derart verändert worden, dass das Denkmalschutzamt eine Einstufung als anerkanntes Kulturdenkmal kaum mehr als gerechtfertigt ansehen dürfte.

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Forderung: Erhaltungssatzung formulieren

Also müsse der Bezirk Bergedorf laut Geerd Dahms das Mittel von Städtebaulichen Erhaltungsverordnungen aus dem Baugesetzbuch ausschöpfen, um für die Zukunft eine Erhaltungssatzung zu formulieren, die zumindest die „städtebaulichen Eigenart dieses Gebiets“ sichere.

Die Bauart des Abrisshauses setzt sich im gesamten Verlauf der Kopfsteinpflaster-Straße fort. Die maximal dreigeschossigen Wohnhäuser dominieren das Viertel, sind aber auch schon durch einzelne Neubauten in der Straße Wetteringe unterbrochen. Besagte Hausnummer 1-3 wurde laut Geerd Dahms in den 1930er-Jahren vom Bauherrn „A. Claudius“ – dessen Initialen AC sind im Mauerwerk verewigt – und wie erwähnt vom Architekten Reusse umgesetzt. Dieselben Herren sollen beispielsweise auch für die Häuserreihen in der Parallelstraße Am Hohen Stege verantwortlich sein.

Geplant: Vier Geschosse plus Staffelgeschoss

Nach Informationen unserer Zeitung planen Bauinvestoren in der Dietrich-Schreyge-Straße 1-3 ein viergeschossiges Wohnhaus plus Staffelgeschoss, also einem voll ausgebauten Dachgeschoss. Der Platz soll für 20 Wohnungen reichen. Wann Abriss und Neubau starten, ist noch nicht bekannt. Das Abrissunternehmen wird die Altbausubstanz nun zunächst auf Schad- und Gefahrenstoffe sondieren, bevor möglicherweise dann noch im Frühjahr der Abrissbagger dem 30er-Jahre-Bau zu Leibe rückt.

Dahms sieht hierin die Fortsetzung einer Reihe ähnlicher, städtebaulich indiskutabler Veränderungen. Denn auf dem Gojenberg oder auch in Nettelnburg gebe es ähnliche Vorhaben. „Wenn es so weitergeht, wird das städtebauliche Gesicht Bergedorfs zerstört“, sagt Dr. Geerd Dahms.