Hamburg. Das BeLaMi öffnet für eine Neuauflage der legendären Biergartenlesungen. Was sich Wirt Mike Weil für die Zukunft wünscht.

Hat er die Corona-Flaute endlich überwunden und macht wieder regelmäßig auf? Lange Zeit war es arg ruhig geworden um die Kulturkneipe BeLaMi. Bis auf Weiteres bleibe der Laden „generell geschlossen“, heißt es auf der Homepage, denn Betreiber Mike Weil öffnet nur auf Anfrage für Veranstaltungen und Reservierungen. Jetzt aber kündigt der 64-Jährige doch wieder eine Biergartenlesung an der Holtenklinker Straße 26 an.

„In den Fängen der Stasi“ lautet der Titel einer Lesung am Donnerstag, 13. Juni. Der Reinbeker Poetry-Slammer Karsten Lieberam-Schmidt bringt um 20 Uhr seinen Onkel mit in den Biergarten. Wolfgang Nicklaus will aus seinem Leben erzählen, denn der Pianist wuchs in der DDR auf und geriet mit 21 Jahren in die Fänge der Stasi, nachdem er sich unter Freunden für ein geeintes Deutschland ausgesprochen hatte. Kurze Texte handeln von seinen Haft- und Stasi-Erlebnissen, von Folter und Haft-Traumata. Mit neugierigen Gästen kommt der Musiker gern darüber ins Gespräch – bei freiem Eintritt, mit Hutkasse.

Nach nunmehr 20 Jahren ist die Zukunft der Kulturkneipe ungewiss

Damit ist die Zukunft des BeLaMi aber noch längst nicht gesichert, betont Weil, der zuletzt jeden Monat eine Privatveranstaltung betreute: „Das deckt zumindest die Kosten für meine private Krankenversicherung ab“, sagt Weil leise. Zum Glück hilft ihm seine 20 Jahre jüngere Frau, die als Krankenschwester auf der Reinbeker Intensivstation arbeitet. Und dann gibt es noch den zwölfjährigen Sohn im Börnsener Eigenheim, der den 64-Jährigen erfreut.

Im Jahr 2004 wurde aus dem Schniedewind an der Holtenklinker Straße das BeLaMi.
Im Jahr 2004 wurde aus dem Schniedewind an der Holtenklinker Straße das BeLaMi. © bgz | Anne Strickstrock

Und der kennt natürlich auch Papas Geschichte, der einst in Frankfurt ein selbständiger Software-Entwickler war, bis ein Hamburger Freund ihm vorschlug, gemeinsam das ehemalige Schniedewind in Bergedorf zu übernehmen. Das war vor genau 20 Jahren, schon 2006 übernahm Mike Weil den Laden dann allein und verkaufte sein Haus in Frankfurt.

„Das hatte Wohnzimmer-Status hier“

„Das war nicht nur Gastro, das hatte einen richtig gemütlichen Wohnzimmer-Status hier“, schwärmt er von der guten Zeit, als sich noch viele Nachbarn gern im BeLaMi tummelten. Als nur montags geschlossen war. Als es jeden Donnerstag Livemusik gab. „Als ich mit Poetryslams und Stand-up-Comedy über 100 Veranstaltungen im Jahr hatte, also sogar mehr als die Lola“, erinnert sich der Gastronom, der bei Biergarten-Lesungen mit Krimi-Autorin Petra Oelcker oder Profiler Axel Petermann gut 200 Gäste bewirtete.

Mike Weil im geliebten im Pink-Floyd-Shirt am Zapfhahn seiner BeLaMi-Bar.
Mike Weil im geliebten im Pink-Floyd-Shirt am Zapfhahn seiner BeLaMi-Bar. © bgz | Anne Strickstrock

Bis 2019 sei die Welt noch in Ordnung gewesen. Da trafen sich Autoren, Musiker und Maler im BeLaMi, auch Modedesigner, Schauspieler oder Fotografen. Dann aber kam Corona, und die Stammgäste aßen nun ihre Currywurst daheim auf der Couch. Zwar beantragte er Fördermittel und öffnete 2021 wieder an drei bis vier Tagen. „Aber da kostete ein halber Liter Bier schon 5 statt 3,80 Euro. Und viele hielten sich einen ganzen Abend lang an nur einem Wasser fest. Manchmal brachte ein Abend nur 50 Euro ein, das hält man nicht lange durch“, weiß der Geschäftsführer im Pink-Floyd-Shirt. Die beiden Lüftungsgeräte stapeln sich inzwischen im kleinen Saal, der bloß noch als Lager dient.

„95 Prozent der Interessenten wollen hier Wohnungen bauen“

Wie soll es weitergehen? Manch einer legte ihm schon eine Visitenkarte auf den Tresen: „Ich habe schon Gespräche wegen einer Vermietung geführt, aber das ist eine Preisfrage, denn tatsächlich müssten die Küchengeräte erneuert werden und die Heizung saniert.“ Und für ein Einzelhandelsgeschäft sei die Lage zu ruhig, fehle die Laufkundschaft abseits der Bergedorfer City. Auch hat Mike Weil schon über einen Verkauf nachgedacht – obwohl sein Herz an dem Laden hängt: „Und 95 Prozent wollen das Haus nur abreißen und hier Wohnungen bauen.“

Noch also habe er keine Lösung in Sicht. Die Kräfte schwinden und auch die Motivation. Aber private Feiern nehme er sehr gern noch an, dann sind auch Küchenhilfe und Tresenkraft einsatzbereit. Mehr Personalsuche mache keinen Sinn: „Die müssten ja sehr flexibel sein und Deutsch sprechen. Und ich weiß ja gar nicht, ob der Umsatz für ihren Lohn reichen würde“, sagt Mike Weil.

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Wohl aber startet er noch einen Versuch und hofft auf die alten Stammgäste aus dem Viertel: Zwei schöne Konzerte seien in diesem Jahr noch fest eingeplant: Am 8. August tritt die Band Vanderlinde auf und will mit Folk, Rock und Westcoast Sound einheizen. Für den 5. September hat sich Scott Weiss angesagt, der Blues-Rock im Gepäck hat.

Ob die Kulturkneipe BeLaMi jedoch noch das Jahr 2025 überleben wird, steht in den Sternen.