Hamburg. Versorger plant am Standort in Curslack den Bau von Windkraft- und Photovoltaikanlage. Das hat auch Vorteile für die Kunden.

Das Wasserwerk Curslack ist das größte Wasserwerk in Hamburg. Dort wird ein Großteil des Wassers produziert, mit dem weite Teile der Innenstadt und Teile des Hamburger Ostens versorgt werden. Etwa 50.000 Kubikmeter Trinkwasser pro Tag und damit an die 20 Millionen im Jahr werden von dem Werk am Curslacker Heerweg abgegeben. Eine Stadt wie Münster mit etwa 300.000 Einwohnern könnte dadurch komplett versorgt werden, stellt Ingo Hannemann, technischer Geschäftsführer von Hamburg Wasser, fest.

Und das Wasserwerk wächst noch weiter: Seit Sommer 2022 wird ein neuer Speicher gebaut, der künftig an die 25.000 Kubikmeter Trinkwasser speichern kann. Damit wird die Speichermenge in Curslack verdreifacht. Insbesondere um Spitzenlasten im Hochsommer abzupuffern, sind die Speicherbehälter sehr wichtig. Denn die „Spitzen“ würden wegen des Wachstums der Stadt sowie Dürre und Hitze im Sommer als Folge des Klimawandels zunehmen, erklärt Hamburg Wasser.

Hamburg Wasser bereitet sich auf einen möglichen „Blackout“ vor

Durch den Neubau in Curslack kann nicht nur ein alter Behälter in Rothenburgsort ersetzt werden, sondern das Trinkwasser muss künftig auch nicht mehr den Umweg über den Hauptsitz des Unternehmens am Billhorner Deich nehmen. Es kann dann direkt von Curslack aus eingespeist werden. Denn zusätzlich zum Reinwasserbehälter wird auch ein Pumpwerk für die Einspeisung in das bestehende Rohrleitungsnetz errichtet.

Bis die neuen Anlagen in Betrieb gehen können, braucht es allerdings noch etwas Geduld: Massive Probleme mit einem hohen Grundwasserstand in der Baugrube und auch mit zu viel Oberflächenwasser haben den Baufortschritt seit Ende 2022 stark ausgebremst. Statt wie ursprünglich geplant in diesem Sommer, soll der Bau nach derzeitigem Stand nun erst Ende 2025 fertiggestellt werden. Wie sehr das auch eine Kostensteigerung zur Folge hat, könne derzeit aber noch nicht beziffert werden, erklärt Ingo Hannemann. Anfangs war mit einer Investitionssumme von 25 Millionen gerechnet worden.

Zu viel Wasser bei Hamburg Wasser: Baufortschritt massiv verzögert

Das 5000 Quadratmeter große Dach des etwa 84 Meter langen und 60 Meter breiten Gebäudes wird nicht nur begrünt, sondern auch mit einer Photovoltaik-Anlage (PV) versehen. Ebenso sollen auf dem Außengelände des Wasserwerks, das schon 1928 an dem Standort gegründet wurde und wo vor 20 Jahren eine neue Filterhalle gebaut wurde, weitere Solaranlagen entstehen. Sie sind ein wichtiges Puzzleteil des Projekts „RAUTEE#“, das von Hamburg Wasser nun in Curslack als erstes in die Realität umgesetzt werden soll.

Zu viel Wasser: Ein zu hoher Wasserstand auf der Baustelle durch Grund- und Oberflächenwasser verzögerte den Bausfortschritt.
Zu viel Wasser: Ein zu hoher Wasserstand auf der Baustelle durch Grund- und Oberflächenwasser verzögerte den Bausfortschritt. © Lena Diekmann | Lena Diekmann

RAUTEE#, das steht für „Resiliente, autarke und umweltfreundliche Trinkwassergrundversorgung durch den Einsatz erneuerbarer Energien in Hamburg“. Kurz gesagt: „Das Wasserwerk Curslack wird energieautark“, stellt Ingo Hannemann fest. Dabei setzt Hamburg Wasser zusätzlich zur Solarenergie auch auf Windkraft. Daher ist auf dem Betriebsgelände in Curslack auch der Bau einer Windkraftanlage vorgesehen. Das Windrad soll eine Nabenhöhe von 116 Metern und einen Rotordurchmesser von 117 Metern haben, erklärt Hamburg Wasser.

Hamburg Wasser liefert nicht nur Trinkwasser, sondern reinigt auch das Abwasser

„Wir sind zuversichtlich, im Sommer dieses Jahres die Anträge einreichen zu können“, teilt Unternehmenssprecher Ole Braukmann mit. Wann dann die Ausschreibung und der Bau der Anlagen zu erwarten seien, hänge auch von der Dauer der Genehmigungsverfahren ab. Eine Verfahrensdauer von mindestens einem Jahr sei nicht unüblich, so Braukmann.

Das Versorgungsunternehmen, das nicht nur 115 Millionen Kubikmeter Trinkwasser im Jahr abgibt, sondern auch 154 Millionen Kubikmeter Abwasser reinigt, habe in den vergangenen Jahrzehnten viel unternommen, um seine Energiebilanz zu optimieren, erklärt Ingo Hannemann. Einem sinkenden Stromverbrauch aufgrund effizienterer Technik stehe da eine steigende eigene Stromerzeugung aus regenerativen Quellen gegenüber.

Hamburg Wasser will selbst im Blackout für 72 Stunden handlungsfähig bleiben

So wurden im Jahr 2022 von 166 Gigawattstunden verbrauchten Stroms 128 Gigawattstunden selbst produziert, was eine Eigenerzeugungsquote von 77 Prozent ergebe. „Bis 2025 wollen wir den Zielwert von 85 Prozent erreichen, die 100 Prozent wollen wir spätestens im Jahr 2030 knacken“, erklärt der Geschäftsführer. Dafür treibe Hamburg Wasser den Ausbau der eigenen Energieproduktion voran – auf dem Klärwerk am Köhlbrandhöft, aber auch an den 17 Wasserwerkstandorten.

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Im Normalbetrieb soll in Curslack durch PV-Anlagen und Windkraftanlage eine Eigenversorgungsquote von 97 Prozent erreicht werden. „Das stabilisiert zudem die Preisentwicklung der Wasserpreise, weil wir unabhängiger von der Strompreisentwicklung werden“, erklärt Ingo Hannemann. Da die Anlagen saisonal zudem Überschüsse produzieren werden, geht das Unternehemen von einer Einspeisung von gut 7000 Megawattstunden in die öffentlichen Netze aus. Das entspricht dem Verbrauch von 3000 Haushalten“, so der Geschäftsführer.

Das Wichtigste aber sei, dadurch auch für den Notfall gewappnet zu sein: Durch die Kombination mehrerer Erzeuger (PV und Wind) und einer Speicherlösung geht das Unternehmen davon aus, im Notbetrieb für mindestens 72 Stunden handlungsfähig bleiben. „Ziel ist eine leitungsgebundene Notversorgung, die selbst im absoluten Blackoutfall funktioniert. Das wäre bundesweit einmalig“, stellt Ingo Hannemann fest.