Bergedorf. Bergedorfs letztes Sportgeschäft Intersport Sport ABC gibt auf. Warum Inhaber Timo Humpohl für seinen Laden keine Chance mehr sieht.
Das waren nicht nur reine Beratungsgespräche für den neuen Laufschuh, das passende Skateboard, den richtigen Badmintonschläger. Irgendwie, so erzählt Timo Humpohl aus weit mehr als drei Jahrzehnten beruflichen Alltags, gehörte er ein Stück weit mit zur Familie seiner Kunden, sah viele Kinder groß werden, band ihnen die ersten Fußballschuhe zu. Wie zum Beispiel einem gewissen Martin Harnik, der in jungen Jahren vom SC Vier- und Marschlande auszog, die Bundesliga zu erobern und österreichischer Nationalspieler zu werden. Es ist vorbei: Intersport Sport ABC im Fachmarktzentrum des CCB muss Ende April aufgeben. Ein Insolvenzverfahren läuft.
Das Vertrauen vieler Bergedorfer in Humpohl trieb manchmal auch kuriose Züge: „Da kamen Zehnjährige mit 80 Euro von der Mama, um sich Sportsachen und Turnbeutel bei mir zu kaufen“, erinnert er sich. „Da musste ich erst mal zu Hause anrufen und sagen: Dein Kind ist noch nicht geschäftsfähig, du musst dein Okay geben.“
Intersport Sport ABC: Bergedorfs letztes Sportgeschäft gibt auf
„Geh‘ mal zu dem Langen mit der Basecap“, war lange Zeit das Synonym für den Besuch im Sportfachhandel im ersten Stock des Fachmarktzentrums. Doch die Ära, die 1988 mit einem sehr verwinkelten Geschäft namens Sport ABC an der Eisenbahnbrücke in der Alten Holstenstraße 53 unter der Regie des Paares Werner Borowski und Hiltrud Humpohl und Hiltruds jungem Sohn Timo begann, sich ein paar Jahre später auf der heutigen Tedi-Fläche in Hausnummer 44 schräg gegenüber als Intersport Bergedorf fortsetzte und Anfang 2008 im Fachmarktzentrum startete, wird nun zum 30. April 2024 zu Ende gehen. Timo Humpohl, der sich vor 16 Jahren selbstständig machte, hat bereits am 26. Februar 2024 Insolvenz angemeldet. Es gibt offenbar mehrere Gründe dafür, dass das Aus für Bergedorfs letzten Sportfachhandel unausweichlich war.
Die Szenerie bei Intersport Sport ABC hat viel von Abschied – obwohl viele treue Kunden immer noch glauben, „dass Timo schon wieder umbauen will“, berichtet seine treue Verkäuferin Sonja Jira. Kein Umbau, sondern das Ende: Der hintere Teil der vor sieben Jahren erweiterten Verkaufsfläche ist schon leer, alle noch vorhandenen Sportartikel sind komplett um 50 Prozent im Preis reduziert.
Auf Timo Humpohls Kundenklientel war stets Verlass. Auch als im Jahre 2010 Intersport Bergedorf in Lohbrügge schloss, kamen zu seinen Lifestylekunden eben auch die älteren seiner Mama mit rüber, weil sein Sortiment auch Walking, Fitness und weitere Best-Ager-Artikel umfasste. Jetzt fühlt sich für Humpohl vieles nach einem „zerstörten Lebenswerk“ an – der Mützenträger hadert: „Ich wollte doch mit meinen Kunden alt werden.“
Corona-Einbußen, Standortprobleme und ein ausgefallenes Weihnachtsgeschäft
In den Anfang 2018 finalisierten Umbau von 700 auf 1080 Quadratmeter investierte Timo Humpohl 420.000 Euro. Anderthalb Jahre lief der Verkauf auch gut – bis dann die Corona-Lockdowns ernsthafte Probleme schufen, schmerzhafte Umsatzeinbußen nach sich zogen, an sich „vier katastrophale Jahre am Stück“ bedeuteten. Dass Humpohl zwischendrin Corona-Hilfen in sechsstelliger Höhe zurückzahlen musste, minderte die finanzielle Last nicht. Auch das Standortproblem machte sich trotz Stammkunden immer stärker bemerkbar, denn die Lage von Intersport Sport ABC brachte nie Laufkundschaft.
Das Fass zum Überlaufen soll aber das ausgefallene letzte Weihnachtsgeschäft gebracht haben. Was für Humpohls Geschäft insofern gar nicht stattfand, weil Teile des Parkhauses zum Fachmarktzentrums von September bis Dezember für Kunden aufgrund eines rissigen Betonpfeilers nicht nutzbar und somit gesperrt waren. Nun blieben teilweise auch Kunden aus dem Umland fern. Denn bis zu 40 Minuten Warterei im Parkhaus, bis mal ein Plätzchen frei wird, wollten sich viele von vornherein nicht geben.
Bis zuletzt wurde um eine Ausgleichsfläche im CCB-Haupthaus gekämpft
Humpohl möchte nicht nachtreten, aber: Nachdem sein erster Mietvertrag auf der alten Fläche 2017 zuerst vom damaligen Vermieter Internos Spezialfondsgesellschaft mbH nicht verlängert wurde, es dann aber ein Umdenken bei der Center-Leitung mit dem Zuschlag der freigewordenen Budni-Fläche nebenan gab, soll es viele nicht eingehaltene Versprechungen an den Sportfachwirt gegeben haben. Helle Leuchtreklame am Haus neben den Platzhirschen Saturn und Kaufland, ein attraktiver Nachbar, der zusätzliche Frequenz bringen könnte, das sei unter anderem von der Frankfurter Delegation versprochen worden – all das ist bis heute nicht Realität geworden, weil das „nie Bestandteil des Mietvertrags“ gewesen sei, so wurde es Timo Humpohl mitgeteilt.
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Doch bis zuletzt war laut Humpohl noch eine Fortsetzung seines Ladens möglich. Er versuchte, im CCB-Haupthaus eine leer stehende Fläche gegenüber der P&C-Filiale im ersten Stock (etwa 750 Quadratmeter Verkaufsfläche) für sich zu bekommen – vergebens: Humpohl interessierte sich rund anderthalb Jahre für den prominenten Leerstand. Warum das CCB-Management da nicht einwilligte und was die Verantwortlichen von Kintyre ohnehin zum prominenten Abgang zu sagen haben, bliebt trotz telefonischer und schriftlicher Anfrage unserer Redaktion unbeantwortet.
Was auf Intersport Sport ABC folgen könnte
Es geht zu Ende mit Intersport Sport ABC im Fachmarktzentrum – seine GmbH gehe nicht schuldenfrei aus der Nummer raus, verrät Timo Humpohl, der die Summe erst mal verschweigen möchte. Wo der 49-Jährige demnächst neu starten wird, ist noch unklar. Am liebsten wäre der Verkaufs- und Sportartikelprofi „ein Aushängeschild“ für einen anderen Betrieb, in den er seine Expertise einbringen kann. „Ich möchte auf jeden Fall ein irres Dankeschön an alle Bergedorfer Familien loswerden. Das hier war mein Wohnzimmer, ich fühlte mich aber immer geborgen in dieser Sportgemeinschaft.“ Sechs Mitarbeiter gehen mit ihm den bitteren letzten Weg zu Ende. Ob es das mit Sportfachgeschäften in Bergedorf für immer war? Mal abwarten. Für die frei werdende Fläche soll sich angeblich ein Fitnessstudio interessieren.