Bergedorf. Maria Buschs Erinnerungen an die Zeit von 1930 bis 1950: Neues Buch voller Emotionen und Details feiert in Hamburg Premiere.

Was würde ich tun, wenn meine Heimat, mein Zuhause, mein persönliches Umfeld plötzlich in einer Diktatur aufwachen? Ein Gefühl für die Antwort auf diese im heutigen Europa wieder sehr aktuelle Frage gibt Maria Busch in ihren Erinnerungen. Die 2011 verstorbene Tochter des Bergedorfer Sozialdemokraten, Volksblatt-Redakteurs und Widerstands-Aktivisten Wilhelm Osterhold (1891-1971) beschrieb ebenso emotional wie detailreich das Abrutschen des Bergedorfer Alltags in die Nazi-Diktatur.

Ein eindringliches Selbstzeugnis über die Jahre von 1930 bis in die 1950er, überwiegend verfasst mit einigen Jahrzehnten Abstand in den 80er-Jahren, das jetzt zur Grundlage einer Veröffentlichung des Vereins für Hamburgische Geschichte geworden ist. Unter dem Titel „...und morgens war er dann ein Nazi“ blickt Historikerin Janne Grashoff (26) auf 176 Seiten mit Maria Busch zurück auf die schnelle Anpassung der Bergedorfer an den Nationalsozialismus – und die Einsamkeit der Wenigen, die Widerstand leisten wollten.

Wie die Freizeit-Nazis wieder zu unschuldigen Bürgern wurden

Präsentiert wird das Werk am Mittwoch, 1. November, ab 18 Uhr im Großen Hörsaal des Museums für Hamburgische Geschichte am Holstenwall 24. Dr. Linde Apel, Leiterin der Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte, hat die Autorin Janne Grashoff und Maria Buschs Tochter Dr. Annette Hülsmeyer zum Gespräch geladen. Schauspielerin Constanze Marienfeld wird Passagen aus dem Buch lesen. Der Eintritt ist frei.

Das Werk geht dabei über die bloße Beschreibung und Einordnung des Bergedorfer Lebens unter den Nazis und des hiesigen Kriegsalltags hinaus. Denn Maria Busch hat auch dem ersten Nachkriegs-Jahrzehnt viel Platz eingeräumt. Ihr, wie auch Janne Grashoff, geht es um die Wege, die Täter wie Verfolgte in den 1950er-Jahren gefunden haben, mit dem Erlebten und der eigenen Rolle in der Diktatur umzugehen. Schließlich wurde aus jedem Freizeit-Nazi aus der Bergedorfer Nachbarschaft über Nacht wieder ein ganz unschuldiger Bürger.